Dirk Wolff-Simon, Wirtschaftsmediator (BMWA®/QVM®), Restrukturierungs- und Sanierungsberater
Die Praxis zeigt, dass beim Firmenkunden, in Anbetracht seiner latenten Krisenlage, die erforderlichen Restrukturierungsmaßnahmen nach wie vor zu spät ergriffen werden. Dabei bietet das Instrumentarium der Forbearance-Maßnahmen eine Vielzahl von Optionen, um den krisenbehafteten Unternehmer bei der Bewältigung seiner Krisensituation, mit Blick auf die Verfolgung seines Sanierungsziels, sachgerecht zu unterstützen. Unter Forbearance versteht man kurzfristige oder langfristige Zugeständnisse von Kreditinstituten gegenüber notleidenden Kreditnehmern, die mit dem Ziel gewährt wurden, einen tragfähigen und nicht notleidenden Rückzahlungsstatus zu erreichen. Generell qualifizieren sich die Zugeständnisse seitens des Instituts als Maßnahmen, die ohne die finanziellen Schwierigkeiten beim Schuldner, diesem nicht gewährt worden wären. Des Weiteren wird der Schuldner durch die Forbearance-Maßnahme(n) gegenüber den ursprünglichen Vertragsbedingungen günstiger gestellt. Forbearance-Maßnahmen sollten stets darauf ausgerichtet sein, den Schuldner in die Lage zu versetzen, seinen Kredit langfristig zurückzuzahlen.
Zu den gängigsten Forbearance-Maßnahmen zählen u. a. die Tilgungsaussetzung, der Zahlungsaufschub, die Zinssenkung, aber auch die Änderung von Vertragsbedingungen/ Covenants. Grundsätzlich ist ein Kreditinstitut nicht daran gehindert, einem Unternehmen auch dann noch neue Kredite zu gewähren, wenn dieses sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet oder bereits insolvenzreif ist. Solange beim Kreditinstitut die Einschätzung vorherrscht, dass sich ein Rettungsversuch lohnt, d. h., dass die Krise noch mit seiner Hilfe überwunden werden kann, ist die Einräumung neuer Kredite nicht zu beanstanden. Die Neueinräumung einer Kreditlinie stellt häufig einen Sanierungskredit dar und ist in der Phase des Stillhaltens ohne positives Sanierungsgutachten dann unzulässig, wenn die ausgelaufene Kreditlinie zum Fälligkeitszeitpunkt (zumindest teilweise) zurückgeführt war. Mit der Prolongation des Kontokorrentkredites erhält das Unternehmen unmittelbar neue Liquidität. Diese Liquidität würde das Unternehmen aber nicht erhalten, wenn die Linie zum Fälligkeits- und Prolongationszeitpunkt voll ausgeschöpft wäre. Neben einer Reihe von rechtlichen Besonderheiten sei in diesem Zusammenhang auch auf die Gefahr von Insolvenzanfechtungsansprüchen hingewiesen, wenn bei (drohender) Zahlungsunfähigkeit Tilgungen erfolgt sind.
Wie erwähnt, ist die Stundung von Zins- und/oder Tilgungsraten ein häufig angewandtes Instrument im Rahmen der Forbearance-Maßnahmen. Hiervor sind vornehmlich die mittel- bis langfristigen Investitionsfinanzierungen betroffen. Hierbei bleibt die Forderung und das zugrunde liegende Rechtsverhältnis in ihrem Bestand unberührt; es wird lediglich auf die Fälligkeitsregelung eingewirkt, indem die Fälligkeit einer Forderung (nachträglich) auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wird. Die für die Forderung bestellten Sicherheiten bleiben weiterhin wirksam. Das befristete Moratorium kann nicht nur (zeitweise) die Zahlungsunfähigkeit des Schuldnerunternehmens, sondern damit zugleich auch die Insolvenzantragspflicht und die Gefahr einer Haftung wegen Insolvenzverschleppung beseitigen. Durch die Stundung von Zins- und Tilgungsraten wird die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens zwar wieder hergestellt, die oftmals ebenfalls anzutreffende Überschuldung kann hierdurch jedoch nicht beseitigt werden.
Eine weitere Sanierungsoption ist die Umschuldung, d. h. eine Modifizierung der Konditionen des gewährten Kredites. Dabei ist zu unterscheiden, ob es sich bei der Umschuldung um eine sogenannte Novation (Schuldumschaffung) handelt, bei der ein neuer Vertrag geschlossen wird, der an die Stelle des alten Vertrages tritt und von diesem abhängig ist, oder ob lediglich eine Vertragsänderung des alten Vertrages vorliegt.
Häufig wird in Restrukturierungssituationen vonseiten der Banken ein Überbrückungskredit eingeräumt. Dies ist immer dann der Fall, wenn für den Zeitraum der Prüfung, ob eine Sanierung überhaupt tragfähig ist, ein Kredit zum kurzzeitigen Überleben bis zum Vorliegen eines bereits in Auftrag gegebenen Sanierungsgutachtens zur Verfügung gestellt wird, oder beispielsweise die Neuordnung der Aktiva durch den Verkauf nicht-betriebsnotwendiger Flächen und Gebäude zur Beseitigung der drohenden Zahlungsunfähigkeit einen befristeten Liquiditätspuffer benötigt. Aus haftungsrechtlicher Sicht setzt ein Überbrückungskredit voraus, dass die Sanierungsfähigkeit nicht von vornherein ausgeschlossen ist und ein Sanierungsgutachten in Auftrag gegeben wird. Umfang und Zweck des Kredites sind auf die Überbrückung beschränkt. Dieses sollte klar dokumentiert werden, indem der Kredit als Überbrückungskredit bezeichnet wird und seine Präambel diesen Zweck sowie den Hintergrund der Vergabe beschreibt.
Damit werden nur einige wenigen Optionen beleuchtet. Hierbei gilt: Wird die Unternehmenskrise bereits frühzeitig identifiziert, kann durch Anpassung der Unternehmensstrategie ein Kurswechsel eingeleitet und die Krisensituation abgewendet werden. Durch die frühzeitige Restrukturierung eröffnen sich sowohl aufseiten der Bank als auch aufseiten des Unternehmens vielfältige Maßnahmen, um die Restrukturierungsbemühungen mit den notwendigen finanzwirtschaftlichen Entlastungen zum Erfolg zu führen. Dieses setzt jedoch die Einsichtsfähigkeit des Unternehmers als auch den Konsens innerhalb der finanzierenden Banken voraus.
PRAXISTIPPS
- Jede Unternehmenskrise stellt eine unmittelbare Gefahr für den Fortbestand eines Unternehmens dar und erfordert zügiges Handeln. Grundvoraussetzung dafür sind ein frühzeitiges Erkennen und Realisieren der Krise, um eine außergerichtliche Sanierung herleiten zu können.
- Zwar stehen bei einer Unternehmenssanierung die betriebswirtschaftlichen Aspekte im Vordergrund; jeder Versuch zur Beseitigung der Krisenursachen muss jedoch scheitern, wenn hierbei die Auseinandersetzung mit den dahinterliegenden Konfliktpotentialen unterbleibt.
- Gerade bei der Gestaltung der sogenannten „freien Sanierung“ im Rahmen einer Restrukturierung liegen große Chancen für eine erfolgreiche Bearbeitung der potentiellen Konfliktfelder, da hier der Gestaltungsspielraum ohne eine disruptive Störung der Beziehung unter den Beteiligten noch gegeben ist und Entscheidungen, insbesondere auf Seiten der Fremdkapitalgeber, ohne den Malus der Insolvenz für den Unternehmensträger, getroffen werden können.
Beitragsnummer: 22743