Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart
In seiner Entscheidung vom 22.01.2024, 2 – 01 T 26/23 (BKR 2024, 348 ff. mit Beitrag Haffke/Wende, BKR 2024, 318 ff.) hält das Landgericht Frankfurt fest, dass eine Geldtransaktion, aufgrund welcher eine Verdachtsmeldung nach § 43 Abs. 1 GwG erfolgt, nach § 46 Abs. 1 GwG nur dann durchgeführt werden darf, wenn entweder die FIU (Financial Intelligence Unit) oder die Staatsanwaltschaft ihre Zustimmung erteilt haben (§ 48 Abs. 1 Nr. 1 GwG) oder der dritte Werktag seit Abgang der Meldung verstrichen ist, ohne dass die FIU oder die Staatsanwaltschaft eine Untersagung ausgesprochen haben (§ 46 Abs. Nr. 2 GwG; so Rn. 22). In diesem Zusammenhang erinnert das Landgericht Frankfurt zudem daran, dass eine Geldwäscheverdachtsmeldung nach § 43 GwG für den Betroffenen erhebliche Grundrechtseingriffe nach sich zieht, welche sich durch das sich daran anknüpfende Transaktionsverbot nach § 46 GwG noch mehr verschärfen würden (Rn. 25). Demgemäß dürfe eine Kontosperre nach § 46 Abs. 1 GwG nur unter den dort aufgeführten engen Voraussetzungen erfolgen (Rn. 26).
Sodann führt das Landgericht Frankfurt aus, dass sich § 46 GWG seinem Wortlaut nach ausdrücklich auf eine „Transaktion" und nicht auf ein allgemeines Verhalten bezieht (Rn. 27), weswegen eine pauschale Kontoumsatzsperre aufgrund eines auffälligen allgemeinen Verhaltens von der Norm des § 46 GwG nicht erfasst ist (Rn. 26 f.). Ganz im Gegenteil: Nach Auffassung des LG Frankfurt wäre es gesetzessystematisch widersprüchlich, den Nichtvollzug einer einzelnen Transaktion nur unter den engen Voraussetzungen des § 46 GwG zuzulassen und umgekehrt eine größere Anzahl von Transaktionen bzw. Zahlungsaufträge allein mit dem Hinweis auf den unbestimmten Begriff eines „allgemeinen Verhaltens" eines Bankkunden zu untersagen und das Konto mit einer umfassenden Sperre zu belegen (Rn. 28). Dies gilt nach Auffassung des Landgerichts Frankfurt umso mehr, als die Geldwäscheverdachtsmeldungen und Kontosperrungen nach dem Geldwäschegesetz in einem der Strafverfolgung vorgelagerten Bereich erfolgen, in welchem in formaler Hinsicht noch nicht einmal der Anfangsverdacht für eine Straftat gegeben sein muss (Rn. 29).
Unter Hinweis auf den Wortlaut des § 46 GwG sowie unter verfassungskonformer Auslegung gelangt das LG Frankfurt zum Ergebnis, dass „Transaktion“ i. S. d. § 46 GwG nur die den ursprünglichen Geldwäscheverdacht auslösende Buchung (sog. Ursprungstransaktion) sein kann und nicht auch die sog. „Fristfall-Nachmeldung", mit welcher verhindert werden soll, dass die möglicherweise von der Ursprungstransaktion inkriminierten Gelder vom Konto durch spätere Transaktionen weiter abverfügt werden (Rn. 31 ff.). Dies ungeachtet der Tatsache, dass die Abverfügungen von inkriminierten Mitteln auch nach Auffassung des LG Frankfurt grundsätzlich in strafrechtlicher Hinsicht einen eigenen, neuen Geldwäscheverdacht i. S. v. § 261 StGB darstellen können (Rn. 30). Zur Untermauerung seiner Auffassung stützt sich das LG Frankfurt dabei entscheidend auf das Argument, dass bei ständig wiederkehrenden Verdachtsmeldungen und neuen Kontosperren aufgrund von „Fristfall-Nachmeldungen" die 3-Tages-Frist des § 46 Abs. 1 Nr. 2 GwG nicht mehr zum Tragen käme, wodurch die Schutzfunktion dieser Norm vollends ausgehebelt werden würde (Rn. 34).
Bei der Berechnung der 3-Tages-Frist nach § 46 Abs. 1 GwG vertritt das LG Frankfurt die Auffassung, dass eine Transaktion nach § 46 Abs. 1 GwG „spätestens" nach Ablauf von drei Werktagen durchzuführen ist (vgl. Rn. 23, 36, 41, 42 u. 46). Dies ungeachtet der Tatsache, dass § 46 Abs. 1 GwG ausdrücklich davon spricht, dass eine Transaktion „frühestens" dann durchgeführt werden "darf", wenn die Zustimmung der zuständigen Stellen nicht übermittelt wurde und der 3. Werktag nach dem Abgangstag der Meldung verstrichen ist.
Schließlich entscheidet das LG Frankfurt, dass sich das betroffene Kreditinstitut im konkret betroffenen Fall, in welchem bis zur Kontofreigabe rund ein Monat verstrichen war (Rn. 41), nicht auf die Haftungsfreistellung nach § 48 GwG berufen könne (Rn. 39 ff.). Allerdings vertritt das LG Frankfurt mit der herrschenden Auffassung die Meinung, dass die Haftungsfreistellung nach § 48 GwG grundsätzlich umfassend zu verstehen sei und auch zivilrechtliche Ansprüche erfasst und damit auch die Kosten des Verfahrens (Rn. 39). Auch anerkennt das LG Frankfurt, dass das Gesetz eine Ausnahme von dieser Haftungsfreistellung nur dann vorsieht, wenn die Verdachtsmeldung vorsätzlich oder grob fahrlässig unwahr erstattet wurde, weswegen Bezugspunkt für diese Rückausnahme von der Haftungsfreistellung allein die Unwahrheit der Verdachtsmeldung als solche ist (Rn. 40). Ferner schließt sich das LG Frankfurt auch der Auffassung an, dass eine falsche Berechnung der 3-Tages-Frist i. S. v. § 46 Abs. 1 GwG einem Berufen auf die Haftungsfreistellung nach § 48 GwG nicht entgegensteht (Rn. 42 u. H. a. OLG Hamburg, Urteil vom 17.03.2022, 13 U 178/21, BKR 2022, 878, m. Anm. Kirchner).
Ungeachtet all dieser Feststellungen nimmt das LG Frankfurt hieran anschließend eine teleologische Reduktion des § 48 GwG zulasten der nach GwG verpflichteten Kreditinstitute dahingehend vor, dass die Haftungsfreistellung i. S. v. § 48 GwG zugunsten des betroffenen Kreditinstituts dann nicht mehr greift, wenn die 3-Tages-Frist bis zur Freigabe des Kontos derart eklatant und erheblich überschritten wird (im konkreten Fall rund einen Monat), dass nicht mehr von einem Frist-Berechnungsfehler, sondern davon ausgegangen werden muss, dass das betroffene Kreditinstitut die zwingende 3-Tages-Frist des § 46 Abs. 1 GwG bewusst übergangen und vollends unbeachtet gelassen hat (Rn. 42). Zur Begründung führt das LG Frankfurt aus, dass sich der Verpflichtete in einem solchen Fall so weit vom Regelungskontext des GwG sowie vom Sinn und Zweck der Norm des § 48 GwG entfernt, dass die Privilegierung des § 48 GwG nicht mehr gerechtfertigt erscheint.
PRAXISTIPP
Dem Landgericht Frankfurt ist vorzuwerfen, dass es dadurch, dass es § 46 Abs. 1 GwG dahingehend auslegt, dass diese Norm nur die sog. „Ursprungstransaktion“ erfasst und nicht auch die sog. „Fristfall-Nachmeldungen", den Kreditinstituten sehenden Auges (vgl. Rn. 30) eine Verpflichtung zur Durchführung nachrangiger Transaktionen aufbürdet, obwohl sich die Kreditinstitute bei Zulassung solcher auffälligen Transaktionen aus inkriminierten Mitteln nicht nur dem Vorwurf einer möglichen Strafbarkeit wegen leichtfertiger Geldwäsche nach § 261 Abs. 6 StGB aussetzen, sondern auch die Auferlegung einer empfindlichen Geldbuße nach § 56 Abs. 2 GwG riskieren. Insofern wäre vom LG Frankfurt zumindest zu erwarten gewesen, den Kreditinstituten einen Weg aus ihrem Dilemma aufzuzeigen und ihnen zu erklären, unter Berufung auf welche Rechtsgrundlage sie solche sich an die Ursprungstransaktion anschließenden Folgetransaktionen verhindern können, ohne mit einer empfindlichen Geldbuße sowie mit einem Strafrechtsvorwurf überzogen zu werden. So aber lässt das LG Frankfurt die nach GwG-Verpflichteten im Regen stehen, was sehr unbefriedigend ist.
Ähnlich vorwerfbar sind auch die Ausführungen des LG Frankfurt, welche zur teleologischen Reduktion der Haftungsfreistellung nach § 48 GwG führen. Denn entgegen den Behauptungen des LG Frankfurt hat das nach dem GwG verpflichtete Kreditinstitut weder offenkundig die 3-Tages-Frist missachtet noch sich schlichtweg über die 3-Tags-Frist nach § 46 GwG hinweggesetzt oder diese gar vollends unbeachtet gelassen. Denn immerhin war das Kreditinstitut der nicht unberechtigten Auffassung, dass sie durch Ihre Fristfall-Nachmeldung die 3-Tages-Sperrfrist verlängert hat. Zudem ist die vom LG Frankfurt vertretene Auffassung, wonach § 46 GwG nur die Ursprungs- und nicht auch die Nachfolgetransaktionen erfasst, nicht derart unstreitig, als dass man dem Kreditinstitut einen bewussten Verstoß gegen die Fristenregelung nach § 46 GwG vorhalten kann. Dies gilt erst recht, wenn man bedenkt, dass das LG Frankfurt selbst in Rn. 30 erkennt, dass die Zulassung von Abbuchungen aus inkriminierten Mitteln und damit die Zulassung von Folgetransaktionen sowohl strafrechtlich als auch bußgeldrechtlich Folgen für das Kreditinstitut nach sich ziehen kann mit der Konsequenz, dass sog. „Fristfall-Nachmeldungen“ die einzige Möglichkeit von Kreditinstituten darstellen, solche Folgen für sich und ihre Mitarbeiter zu vermeiden. Ähnliches gilt hinsichtlich der nach hiesiger Auffassung rechtsfehlerhaften und gegen den Wortlaut des § 46 GwG aufgestellte 3-Tages-Höchstfrist. Auch hier hätte das LG Frankfurt berücksichtigen müssen, dass nach dem Wortlaut des § 46 GwG eine Transaktion „frühestens“ nach drei Werktagen ausgeführt werden „darf“, was zwingend einen gewissen Gestaltungs- und Ermessensspielraum offenlässt.
Bedenkt man all dies, dann erscheint die vom LG Frankfurt vorgenommene teleologische Reduktion der Haftungsfreistellungsnorm des § 48 GwG mehr als fraglich. Dies gilt umso mehr als der Gesetzgeber eine Ausnahme der Haftungsfreistellung i. S. v. § 48 GwG (bewusst) ausschließlich für den Fall zugelassen hat, dass die Verdachtsmeldung unwahr ist, womit der Gesetzgeber der den Geldwäscheverdacht meldenden Person dahingehend Sicherheit geben wollte, dass diese nur dann nicht von der Haftung frei ist, wenn sie grob fahrlässig oder vorsätzlich eine unwahre Meldung herausgibt. Diese eindeutig formulierte Haftungsfreistellung in einem Bereich, in welchem zu nahezu allen Punkten unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und in welchem man sich hinsichtlich dessen, was als einen eklatanten Verstoß gegen die Normen des GwG und dessen Regelungskontext anzusehen ist, durchaus streiten kann, durch eine mehr als fragwürdige teleologische Reduktion aufzuweichen, erscheint höchst problematisch.
Beitragsnummer: 22707