Andreas Wollweber, Fachanwalt für Arbeitsrecht sowie für Bank- und Kapitalmarktrecht, RSW Rechtsanwälte Siegburg
Die mobile Arbeit, einschließlich der Arbeit im Homeoffice, hat im Arbeitsleben seit Beginn der Corona-Pandemie stark an Bedeutung gewonnen. Mittlerweile bieten nahezu alle Bankinstitute Arbeitszeitmodelle an, die mobiles Arbeiten mit einem Anteil zwischen 40 % bis 60 % der Arbeitszeit ermöglichen. Von den Beschäftigten werden diese Angebote sehr gut angenommen. Die dadurch gewonnen Freiheiten durch zeitliche und örtliche Entgrenzung sind allerdings auch mit arbeitsrechtlichen Herausforderungen verbunden, von denen nachfolgend einzelne Aspekte erörtert werden sollen.
Anspruch und Pflicht auf Homeoffice?
Ein Anspruch auf mobiles Arbeiten – oder eine Erweiterung – besteht gesetzlich nicht mehr. Die während der Corona-Pandemie eingeführte Regelung ist ersatzlos ausgelaufen. Ansprüche können sich daher nur aus Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder individuellen Vereinbarungen mit dem Arbeitgeber ergeben. Daneben können sich Ansprüche aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben, insbesondere wenn sich eine entsprechende betriebsübliche Praxis etabliert hat. Für schwerbehinderte und gleichgestellte Beschäftigte kann ein Anspruch nach § 164 Abs. 4 S. 4 SGB IX bestehen, wenn nur dadurch eine behindertengerechte Beschäftigung ermöglicht werden kann.
Umgekehrt gilt: Der Arbeitgeber kann die Beschäftigten nicht einseitig gegen ihren Willen in das Homeoffice schicken.
Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes
Auch für das mobile Arbeiten gilt das Arbeitszeitgesetz. Ausgenommen sind nur leitende Angestellte. Als „leitend“ gilt indes nur ein sehr kleiner Personenkreis. Hierunter fallen nur Beschäftigte, die selbständig zur Einstellung und Entlassung bevollmächtigt sind, Prokura haben oder denen vergleichbare Arbeitgeberbefugnisse zugeteilt worden sind, vgl. § 5 Abs. 3 BetrVG.
Für alle anderen Beschäftigten gilt auch bei der mobilen Arbeit: Sonn- und Feiertagsarbeit ist ebenso verboten (Ausnahme: Notdienste, z. B. zur Kartensperrung) wie ein Überschreiten der täglichen Arbeitszeit von 10 Stunden. Ruhepausen sind während der Arbeit einzuhalten, ebenso die Ruhezeiten von 11 Stunden zwischen dem Ende der letzten Tätigkeit und dem Beginn der Tätigkeit am nächsten Arbeitstag. Die wöchentliche Arbeitszeit darf nie – auch nicht im Einzelfall – 60 Stunden und im Durchschnitt nicht 48 Stunden überschreiten.
Auf die Einhaltung der Arbeitszeiten, Ruhepausen, Ruhezeiten etc. ist besonderes Augenmerk zu legen, seitdem das Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom 13.09.2022, Az. 1 ABR 22/21, entschieden hat, dass die Arbeitszeit – auch bei der mobilen Arbeit – zu erfassen ist. Durch diese Dokumentation wird die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes auch im Bereich des Homeoffices/mobilen Arbeitens behördlich überprüfbar.
Gilt der Blick auf das Diensthandy schon als Arbeit?
Die Ausübung von Tätigkeiten, die inhaltlich unter das eigene Stellenprofil fallen, sind – auch wenn sie zeitlich nur sehr kurz dauern – als Arbeit zu qualifizieren, beispielsweise die Korrespondenz per Telefon oder E-Mail mit einem Kunden. Schwieriger ist die Abgrenzung zugehöriger Nebentätigkeit, wie z. B. das kurze Überprüfen des Dienstkalenders für den nächsten Morgen. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 23.08.2023, Az. 5 AZR 349/22, klargestellt, dass es sich bei einer solchen Einsichtnahme nicht um Arbeit handelt. Maßgeblich für diese Einordnung war, dass der Mitarbeiter nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern selbst entscheiden konnte, ob und wann er Einsicht in den Dienstplan nimmt. Betroffen sei zudem nur eine sehr kurze Zeitspanne. Die Einschränkungen in der Freizeitgestaltung seien minimal, diese würden es dem Mitarbeiter insbesondere ermöglichen, trotzdem ohne größere Einschränkungen über seine Freizeit zu verfügen.
Das kurze Checken des Terminkalenders am Abend unterbricht damit z. B. die einzuhaltende Ruhezeit nicht.
Kann der Arbeitgeber die Rückkehr anordnen?
Ob der Arbeitgeber Beschäftigte einseitig aus der mobilen Arbeit zurückholen kann, hängt davon ab, auf welcher Rechtsgrundlage mobiles Arbeiten vereinbart wurde.
Hatte der Arbeitgeber diese nur freiwillig gewährt, kann er auf Grundlage seines Weisungsrechtes den Arbeitsort bestimmen und auch ändern, also die Mitarbeiter zurückholen. Bei seiner Entscheidung muss er aber - soweit möglich - auf berechtigte Belange der Beschäftigten Rücksicht nehmen.
Sofern die mobile Arbeit im Arbeitsvertrag verbindlich zugesichert wurde, kann der Arbeitgeber sich einen Widerrufsvorbehalt einräumen lassen. Damit dieser wirksam ist, muss im Vertrag aber geregelt werden, dass der Widerruf nur aus sachlichen Gründen ausgeübt werden darf. Diese Gründe müssen zumindest beispielhaft in der Vereinbarung genannt werden (z. B. bei Verstoß gegen Datenschutz, betrieblich bedingte Präsenz im Büro etc.).
Wurde die mobile Arbeit ohne Widerrufsvorbehalt vereinbart, kann der Arbeitgeber diese nur durch eine Änderungskündigung aufheben. Eine solche Änderungskündigung kann der Arbeitgeber aber vor den Arbeitsgerichten erfahrungsgemäß nur sehr schwer durchsetzen.
Bei einer Regelung durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag können ebenfalls Widerrufsmöglichkeiten für den Arbeitgeber vorgesehen sein. Im Gegensatz zu arbeitsvertraglichen Vereinbarungen unterliegen diese aber einer weniger strengen gerichtlichen Kontrolle.
Überstunden
Arbeiten Beschäftigte in der Woche länger als im Arbeitsvertrag vereinbart, stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber zum Ausgleich verpflichtet ist. Dies ist bei ausdrücklich angeordneten Überstunden stets der Fall. Schwieriger ist die Beurteilung, wenn die Mitarbeiter selbstständig über das Ableisten von Mehrarbeit entscheiden dürfen. Im Streitfall müssen Sie nachweisen, dass die Mehrarbeit überhaupt geleistet wurde und, dass sich diese entweder notwendig aus der übertragenen Arbeit ergab (z. B. die zum Monatsende angeordnete Erstellung des Monatsabschlusses ist in der regulären Arbeitszeit nicht zu bewältigen) oder aber die Ableistung von Überstunden vom Arbeitgeber wissentlich geduldet wurde. Durch die Verlagerung der Arbeit in den privaten räumlichen Bereich der Beschäftigten ist dieser Nachweis oftmals schwieriger zu führen, zumal die reine Arbeitszeiterfassung weder belegt, ob Überstunden notwendig waren oder geduldet wurden, noch ob diese überhaupt abgeleistet worden sind.
PRAXISTIPPS
- Die Daten der Zeiterfassung sollten turnusmäßig auf die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes (z. B. tägliche Höchstarbeitszeit, Ruhepausen, Ruhezeiten etc.) geprüft werden. Viele Zeiterfassungsprogramme bieten bereits automatische Prüffunktion an.
- Hilfreich zur Einhaltung der Ruhezeiten kann es ferner sein, sogenannte „Off“-Zeiten festzulegen, also Zeiten, in denen grundsätzlich nicht gearbeitet und auch keine Erreichbarkeit erwartet wird.
- Schaffen Sie als Arbeitgeber Klarheit, was bei Überschreitung der wöchentlichen Arbeitszeit (Überstunden/Plusstunden) gelten soll. Denkbar ist z. B., dass die Beschäftigten über ein Stundenkontingent eigenverantwortlich entscheiden dürfen und ein Ausgleich später entweder durch bezahlte Freizeit oder Auszahlung erfolgt.
- Möchten Sie als Arbeitgeber die Home-Office-Vereinbarung widerrufen, sollte in jedem Fall geprüft werden, ob die Voraussetzungen des Widerrufes vorliegen und ob die zugrunde liegende Klausel der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes standhält.
Beitragsnummer: 22705