Thorsten Jähne, Prokurist, Leiter des Referates Sanierung, Insolvenz, NPL, AWADO Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Besteht die Bereitschaft zur Teilnahme am Gläubigerausschuss im vorläufigen Insolvenzverfahren? Mit dieser oder ähnlicher Fragestellung werden Kreditinstitute in der Aktualität wieder häufiger konfrontiert. Hier gilt es, die aus einer solchen Tätigkeit erwachsenen Vorteile zu kennen und die entstehenden Pflichten richtig einzuschätzen.
Im Insolvenzverfahren gilt das Prinzip der Gläubigerautonomie. Diese verfolgt das Ziel, dass die Gläubiger in ihrer Gemeinschaft über die Art und Weise der Masseverwertung, die Fortführung des Unternehmens und über die Gestaltung des Verfahrens entscheiden können und sollen. Zentrales Organ zur Umsetzung dieser Zielrichtung ist neben der Gläubigerversammlung (als Souverän) der Gläubigerausschuss. Dabei bildet der Ausschuss ein wichtiges und agiles Element für die Mitwirkung der Gläubiger in Detailfragen.
Die erhebliche Bedeutung des Gläubigerausschusses wird sichtbar aus den zahlreichen Mitbestimmungsrechten im Insolvenzantragsverfahren sowie im eröffneten Verfahren. Insbesondere mit dem Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) wurde die Rechtsposition des Gläubigerausschusses gestärkt. In dem Zuge ist dem Gläubigerausschuss erstmals ein Mitspracherecht bei der Auswahl und Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters bzw. Sachwalters zugewiesen worden. Soweit das Gericht ohne Anhörung die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters/Sachwalters vornimmt, kann der vorläufige Gläubigerausschuss in seiner ersten Sitzung einstimmig eine andere Person wählen. Im Schutzschirmverfahren kann der Ausschuss zudem Antrag auf Aufhebung des Schutzschirmverfahrens stellen, welchem ohne Weiteres gemäß § 270b Abs. 3 InsO zu folgen wäre. Diese Mitwirkungsmöglichkeiten seien nur exemplarisch genannt.
Das Gesetz unterscheidet temporär drei Arten von Ausschüssen, im Insolvenzantragsverfahren den vorläufigen (§§ 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a, 22a InsO), im eröffneten Verfahren den Interims-Gläubigerausschuss (§ 67 InsO) sowie den endgültigen Gläubigerausschuss (§ 68 InsO). Zudem gibt es neben der temporären Einordnung eine aus der Größe des schuldnerischen Unternehmens abgeleitete Differenzierung. Sofern das Unternehmen Größenmerkmale gemäß § 22a Abs. 1 InsO übersteigt, ist vom Insolvenzgericht ein vorläufiger Gläubigerausschuss einzusetzen (Pflichtausschuss). Das Gericht soll zudem die Bestellung eines vorläufigen Ausschusses vornehmen, wenn der Schuldner, der vorläufige Insolvenzverwalter oder ein Gläubiger dies beantragt (§ 22a Abs. 2 InsO). Zudem kann das Gericht im eigenen pflichtgemäßen Ermessen einen solchen Ausschuss ins Leben rufen (fakultativer vorläufiger Gläubigerausschuss). Ist allerdings der Geschäftsbetrieb bereits eingestellt, verbietet sich die Einsetzung eines vorläufigen Gläubigerausschusses.
Der vorläufige Gläubigerausschuss entfaltet seine Tätigkeit ausschließlich im vorläufigen Insolvenzverfahren, also bis zum Zeitpunkt der Eröffnung. In der ersten Gläubigerversammlung entscheidet dann der Souverän (die Gläubigerversammlung) über die Einsetzung bzw. den Fortbestand des sog. Interimsausschusses, welcher durch das Insolvenzgericht für diesen Zeitraum eingesetzt wird. Neben der Frage der Einsetzung des Ausschusses regelt die Gläubigerversammlung auch die Besetzung. Die Bestellung eines Unwilligen sieht das Gesetz allerdings nicht vor.
Die Aufgaben des Ausschusses sind komplex und bergen Haftungsrisiken. Zentrale Aufgabe ist die Überwachung und Unterstützung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters/Sachwalters. Adressat dieser Tätigkeit ist im Verfahren der Eigenverwaltung der Schuldner. Allerdings ist insoweit durch die Rechtsprechung noch nicht einheitlich geklärt, in welchem Umfang die Überwachung des Schuldners, der seinerseits bereits durch den Sachwalter entsprechend bedacht ist, zu erfolgen hat. Jedes Ausschussmitglied ist insoweit eigenverantwortlich verpflichtet, sich über den Gang der Geschäfte in jedem Verfahrensstadium zu unterrichten bzw. unterrichten zu lassen. Der Ausschuss kann hierfür auch externe Hilfe in Anspruch (insbesondere zur Kassenprüfung) nehmen. Zur Umsetzung dieser Aufgabe hat der Ausschuss Einsichts- und Prüfungsrechte sowie entsprechende Pflichten. Nicht zu unterschätzen ist die haftungsträchtige Pflicht zur Geheimhaltung und Verschwiegenheit hinsichtlich aller verfahrensrelevanten Tatsachen, die die Ausschussmitglieder in Ausübung ihres Amtes zur Kenntnis erhalten.
Der Ausschuss unterliegt der Selbstorganisation. Die Insolvenzordnung enthält insoweit keine Regelungen. Regelmäßig wird angeraten, dass der Ausschuss sich eigenverantwortlich eine Geschäftsordnung gibt, welche insbesondere die Einberufung, die Beschlussfassung, Stimmverbote, die Protokollführung und die Verschwiegenheit regelt. Die Sitzungen und insbesondere Beschlussfassungen sollten zudem ausreichend protokolliert werden.
Im Falle schuldhafter Pflichtverletzungen haften die Mitglieder des Ausschusses gegenüber den absonderungsberechtigten Gläubigern und den Insolvenzgläubigern für den kausalen Schaden (§ 71 InsO). Eine Schadenshaftung kommt insoweit nur in Betracht, wenn die Verletzung einer Pflicht als Ausschussmitglied im beschriebenen gesetzlichen Rahmen schadenursächlich war.
Unter Berücksichtigung dieser Aspekte beantwortet sich die Frage nach einer Teilnahme im (vorläufigen) Gläubigerausschuss für ein Kreditinstitut in der Regel dahingehend, ob aus Sicht der Bank die Notwendigkeit und die Bereitschaft an einer Mitwirkung und Gestaltung im Insolvenzverfahren unter Wahrung der Interessenlage der Gesamtheit der Gläubiger besteht. In der Regel dürfte sich mit höheren Blankoanteilen dieses Interesse entsprechend darstellen. Anzuraten ist die Aufnahme einer derartigen Tätigkeit in der Regel aber auch nur dann, wenn der sich aus dem Amt ergebende Pflichtenkreis beherrschbar und damit eine Haftungsfolge vermeidbar scheint.
PRAXISTIPPS
- Überprüfung der eigenen Interessenlage betreffend die Tätigkeit im Gläubigerausschuss in Bezug auf Ihre Sicherheitenlage (bestehen Blankoanteile und damit eine Ausfallgefahr für die Forderung) und/oder Ihr Fortführungsinteresse.
- Überprüfung der Befähigung der weiteren Gläubigerausschussmitglieder: Gibt es professionelle Mitglieder (mit entsprechender Erfahrung) zur Reduzierung der Risiken?
- Aktive Mitwirkung mit ausreichendem Zeitmanagement von der ersten Minute an: Interne Klärung bzgl. eines gemeinsamen Verständnisses hinsichtlich des erwartbaren/notwendigen Aufwandes sowie Sicherstellung notwendiger Fortbildungsmöglichkeiten durch den Arbeitgeber/die Bank für Mitarbeitende im Gläubigerausschuss.
- Sorge für ausreichende Vermögensschadenshaftpflichtversicherung der Ausschussmitglieder.
Beitragsnummer: 22689