Robert Mehrgardt, Leiter Regulatory Compliance, LGT Bank AG
I. Einleitung
Die Entwicklung des liechtensteinischen Banken- und Finanzmarktrechts ist untrennbar mit der geographischen Lage des Fürstentums verbunden. Sie fördert die enge wirtschaftliche Verzahnung sowohl mit der Schweiz als auch mit seinen EU-Nachbarn.
Das liechtensteinische Bankengesetz (BankG) trat am 01. Januar 1993 in Kraft, um der wachsenden Bedeutung des Finanzplatzes Liechtenstein und dem Bedarf nach einer klaren rechtlichen Grundlage für den Bankensektor gerecht zu werden. Vor dem BankG gab es in Liechtenstein keine umfassende gesetzliche Regelung für Banken. Es schuf einen klaren Rechtsrahmen, der Gründung, Betrieb und Überwachung von Banken und Finanzinstituten regelt. Ergänzt wird das BankG durch eine Verordnung (Bankenverordnung, BankV).[1]
Aufgrund der engen wirtschaftlichen und geographischen Nähe zur Schweiz, mit der Liechtenstein eine gemeinsame Währungs- und Zollunion teilt, ähnelte das BankG zunächst stark seinen Schweizer Rezeptionsvorlagen. Dies änderte sich, als Liechtenstein dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) am 01. Mai 1995 beitrat. Der EWR wurde am 01. Januar 1994 gegründet und umfasst heute die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) sowie die Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA), nämlich Island, Norwegen und Liechtenstein. Die Schweiz hingegen, ebenfalls Mitglied der EFTA, lehnte in einer Volksabstimmung am 06. Dezember 1992 den Beitritt zum EWR ab.
Liechtenstein entschied sich für den Beitritt zum EWR, um den Zugang zum europäischen Binnenmarkt zu gewährleisten und wirtschaftliche Vorteile durch den freien Waren-, Dienstleistungs-, Personen- und Kapitalverkehr zu erzielen. Dies war insbesondere für das wirtschaftlich stark exportorientierte Liechtenstein von großer Bedeutung. Durch die Teilnahme am EWR profitiert Liechtenstein von den Vorteilen des Binnenmarktes, ohne Mitglied der EU zu sein, und behält gleichzeitig seine Souveränität und Unabhängigkeit. Zudem verpflichtet die Teilnahme am EWR Liechtenstein zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationale Gesetze und zur Übernahme von EU-Verordnungen.
II. CRD und MiFID, die rechtlichen Säulen des europäischen Finanzsektors
Die drei zentralen rechtlichen Grundpfeiler zur Regulierung von Banken und Wertpapierfirmen sind die Capital Requirements Directive (CRD), die Markets in Financial Instruments Directive (MiFID) und die Investment Firm Directive (IFD, Richtlinie 2019/2034/EU).
Die Capital Requirements Directive IV (CRD IV, Richtlinie 2013/36/EU) und die ergänzende Capital Requirements Regulation (CRR, Verordnung (EU) Nr. 575/2013) setzen die Anforderungen von Basel III um und legen dabei u. a. die Eigenkapitalanforderungen und Liquiditätskennziffern für Kreditinstitute zur Sicherung der finanziellen Stabilität fest. Ursprünglich als Reaktion auf die Finanzkrise in den Jahren 2007 und 2008 eingeführt, wurden diese Regelwerke kontinuierlich weiterentwickelt. Die jüngsten Fassungen, CRD V (Richtlinie 2019/878/EU) und die entsprechende CRR II (Verordnung (EU) 2019/876), wurden eingeführt, um weitere Aspekte der Finanzaufsicht zu verbessern und die Widerstandsfähigkeit der Finanzinstitute zu stärken. [...]
Beitragsnummer: 22682