Gerade im Zusammenhang mit Insolvenzanfechtungen spielt eine Gesellschaftersicherheit, und hier insbesondere die Bürgschaft eines Gesellschafters, eine besondere Rolle. In § 135 Insolvenzordnung (InsO) Abs. 2 wird auf folgende Anfechtungsmöglichkeiten hingewiesen: „Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, mit der eine Gesellschaft einem Dritten für eine Forderung auf Rückgewähr eines Darlehens innerhalb der in Absatz 1 Nr. 2 genannten Fristen Befriedigung gewährt hat, wenn ein Gesellschafter für die Forderung eine Sicherheit bestellt hatte oder als Bürge haftete; dies gilt sinngemäß für Leistungen auf Forderungen, die einem Darlehen wirtschaftlich entsprechen.” Da gemäß Abs. 1 der Anfechtungszeitraum bis zu zehn Jahre betragen kann, sind unangenehme Folgeerscheinungen für den Sicherungsgeber durchaus möglich.
Ausgangssituation
In seinem Urteil vom 09.12.2021, (AZ IX ZR 201/20), hatte der BGH ein für den bürgenden Gesellschafter nachteiliges Urteil gesprochen. Der Sachverhalt ist schnell dargestellt. Der Beklagte war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der P. GmbH (Schuldnerin), die mit der C. AG (Bank) in debitorischer Geschäftsverbindung stand. Zur Absicherung der Darlehen übernahm der Beklagte am 04.07.2011 gegenüber der Bank eine Höchstbetragsbürgschaft über EUR 200.000. Ebenfalls am 04.07.2011 trat die Schuldnerin der Bank im Rahmen eines Globalzessionsvertrags zur Sicherung aller Ansprüche aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung sämtliche bestehenden und künftigen Forderungen aus Warenlieferungen und Leistungen ab.
Das Unternehmen geriet in wirtschaftliche Schwierigkeiten und stellte am 02.04.2012 einen Insolvenzantrag. Am 07.11.2012 wurde dann schließlich das Verfahren eröffnet. Die Bank nahm den Beklagten zwischen dem 30.08.2012 und dem 20.02.2013 in Höhe von EUR 143.657,91 aus der Bürgschaft in Anspruch. Aus den nach dem Insolvenzantrag im Zeitraum vom 09.05.2012 bis 16.07.2013 erfolgten Zahlungen von Kunden der Schuldnerin leitete der Kläger (=Insolvenzverwalter) nach einer von ihm am 09.05.2018 vorgenommenen Abrechnung aufgrund der Globalzession schließlich EUR 30.545,87 an die Bank weiter. Diesen Betrag verlangt der Kläger vom Beklagten im Wege der Insolvenzanfechtung nach § 135 Abs. 2 InsO erstattet.
Die Entscheidung
- Rn. 14: Die Befreiung des Gesellschafters von der übernommenen Sicherung benachteiligt die Gesellschaftsgläubiger, wenn das durch den Gesellschafter besicherte Darlehen entgegen der Vorstellung des Gesetzes aus Mitteln der Gesellschaft getilgt wird (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2017 – IX ZR 173/16, BGHZ 215, 262 Rn. 14). Tilgt eine Gesellschaft ein von ihr selbst und ihrem Gesellschafter besichertes Darlehen gegenüber dem Darlehensgeber, liegt die Gläubigerbenachteiligung bei der Anfechtung der Befreiung des Gesellschafters von seiner Sicherung in dem Abfluss der Mittel aus dem Gesellschaftsvermögen, weil der Gesellschafter im Verhältnis zur Gesellschaft zur vorrangigen Befriedigung der von ihm besicherten Verbindlichkeit verpflichtet ist (BGH, Urteil vom 13. Juli 2017, aaO Rn. 16 ff).
- Rn. 18: Wird der Anspruch des Darlehensgebers befriedigt, ist für die Gläubigerbenachteiligung unerheblich, ob der Darlehensgeber zu diesem Zeitpunkt materiell-rechtlich noch in der Lage war, die zu seinen Gunsten bestellte Gesellschaftersicherheit zu verwerten. Dies ergibt sich aus der Auslegung des § 135 Abs. 2 InsO.
- Rn. 20: … Deshalb ist es unerheblich, ob der Gesellschafter gegenüber dem Dritten aus anderen Gründen als der Befriedigung der gesicherten Forderung von seiner Haftung aus der übernommenen Sicherheit frei wird.
- Rn. 21: Befriedigt die Gesellschaft den Gläubiger, hat der Gesellschafter den gleichsam für ihn verauslagten Betrag zu erstatten (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 - IX ZR 229/12, BGHZ 198, 77 Rn. 20, 21; vom 13. Juli 2017, aaO Rn. 17).
- Rn. 22: Daher ist die nach § 135 Abs. 2 InsO anfechtbare Rechtshandlung diejenige, welche zu Lasten des Gesellschaftsvermögens die vom Gesellschafter besicherte Darlehensforderung des Dritten befriedigt.
- In Rn. 24 weist der BGH ausdrücklich darauf hin, dass ein durch den Gesellschafter verbürgtes Darlehen an die Gesellschaft einem „normalen“ Gesellschafterdarlehen gleichzusetzen ist. Die Rückführung des Darlehens aus den Mitteln der Gesellschaft ist eine Befreiung des Gesellschafters von seiner Sicherung und anfechtungsrechtlich einer Rückführung des Gesellschafterdarlehens gem. § 135 Abs. 2 InsO gleichzusetzen. Ganz wichtiger Hinweis des BGH: dieser Zusammenhang kann nicht durch Vereinbarung zwischen Gesellschafter und Drittgläubiger zulasten der Masse aufgehoben werden. Eine Enthaftung des einmal übernommenen Haftungsrisikos ist nur in zeitlicher Hinsicht möglich.
- Rn. 29: Denn der Gesellschafter ist im Verhältnis zur Gesellschaft zur vorrangigen Befriedigung der von ihm besicherten Verbindlichkeit verpflichtet (BGH, Urteil vom 13. Juli 2017 – IX ZR 173/16, BGHZ 215, 262 Rn. 16 ff).
Die praktische Lösung
Die Ausführungen zur Gläubigerbenachteiligung in den Rn. 14 und 18 sind nachvollziehbar und können für den bürgenden Gesellschafter im Falle einer Insolvenz nachteilig sein. Eine durchaus übliche wie hier vorgestellte Sicherheitenkonstellation sollte daher auch die Belange des bürgenden Gesellschafters berücksichtigen. Zwar könnte man aus einem ersten Impuls heraus als Kreditinstitut meinen, dass den Gläubiger die Belange des Bürgen nicht sonderlich interessieren, aber häufig bestehen weitere Kredite, die auch noch bedient werden müssen. Unter Umständen könnte also leicht eine Überforderung des (bürgenden) Gesellschafters eintreten.
PRAXISTIPPS
- Da eine vertragliche Regelung zulasten der Masse nicht möglich ist, sollten Gesellschafterbürgschaften unter Umständen befristet hereingenommen werden.
- Mit Blick auf das Urteil könnte es bei weiteren Sicherheiten der Gesellschaft hilfreich sein, zunächst die persönlichen Sicherheiten zu verwerten, um den Bürgen nicht unnötig einer Vorsatzanfechtung auszusetzen.
Link um Urteil:
https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=e570e6b6e5917a4b5fdce2d1f04b82a0&nr=79357&pos=0&anz=1
Hans-Jürgen Wieczorrek, Firmenkundenbetreuer Sanierung, Kreissparkasse Köln
Beitragsnummer: 22664