Daniel Zimmermann, Kriminalhauptkommissar, Kriminalinspektion 3 – Wirtschaftskriminalität, Polizeipräsidium Heilbronn
Straftaten zum Nachteil älterer Menschen wie der Enkeltrick oder Schockanrufe sind ein weit verbreitetes Problem, mit welchem die komplette Gesellschaft wie auch natürlich die Banken (indirekt) immer wieder konfrontiert werden. Die Maschen der Betrüger sind dabei perfide: falsche Enkel, falsche Liebhaber, falsche Polizisten – die Facetten und Geschichten, die hierbei verwendet werden, sind vielfältig.
Der Ablauf der Betrugsmasche dürfe in den meisten Banken bereits bekannt sein. Die Struktur Keiler – Logistiker – Abholer ist ebenfalls bekannt.
Doch was passiert mit den Geschädigten im Nachgang? Wie muss sich eine Bank auf die neue Vermögensrealität der Opfer sowie das veränderte Verhalten der Geschädigten einstellen?
Das Ausnutzen sog. emotionaler Ankerpunkte ist bei der Betrugsmasche der Schlüssel zum Erfolg der Täter. Er kann dabei im Vorgaukeln einer Romanzen („Romance Scam“, Schwerpunkt hier das Eingehen einer Beziehung, zumeist mit Personen, die ein hohes soziales Ansehen genießen (Ärzte, Soldaten im Auslandseinsatz)), im Unterstützen und Helfen eines Familienmitgliedes („Enkeltrick“, „Schockanruf“, Schwerpunkt hier das Beschützen von Familienmitgliedern sowie die Sehnsucht, einen Menschen zu haben, dem auch sie wichtig sind) oder bei der Ergreifung eines angeblichen Verbrechers („falscher Polizeibeamter“, Schwerpunkt hier die Unterstützung der Strafverfolgung und so Sicherung des persönlichen Nahbereichs) liegen. Zeitgleich macht sich die Täterschaft zunutze, dass gerade die Ältesten unserer Gesellschaft es nicht gewohnt sind, bei Telefonaten oder Ähnlichem einfach aufzulegen.
In Folge des Storytellings schalten die Opfer nun in den „Gefahr-Modus“ und reagieren von nun an zumeist instinktiv. Der Enkel braucht schnell Geld für den Kauf einer Wohnung, der Polizist beschützt das Hab und Gut vor Verbrechern oder der Familienangehörige, der jemanden angefahren hat und, wenn keine Kaution gezahlt wird, ins Gefängnis kommt – unter hohem Zeitdruck wird den Geschädigten eine einfache Lösung präsentiert. Der Strohhalm, nach dem man bereitwillig greift, um seinen nahen Verwandten zu helfen.
Ist der Betrug einmal vollendet, fallen die Opfer meist in ein tiefes Loch und versuchen, sich mittels Vermeidungs- bzw. Verdrängungstaktik vor der Traumabewältigung zu drücken. Diese Verhaltensbegründung, das „Geheimhalten“ sorgt fortan dafür, dass die Wahrnehmung dessen, was wir als Bauchgefühl bezeichnen, vollkommen aussetzt. Opfer verlieren dadurch die Fähigkeit, alles um sie herum für sich zu verifizieren. Unweigerlich führt diese Art der Skepsis sich und seiner Außenwelt gegenüber dazu, dass die sozialen Kontakte sukzessive abbrechen und somit auch kein Korrektiv mehr für die Menschen darstellen.
Unter Berücksichtigung dessen, was im Kopf der Opfer während und nach der Tat vorgeht, kann eine Ansprache seitens des Kundenberaters zunächst nur darauf ausgerichtet sein, das Vertrauen eines Geschädigten wiederaufzubauen. Dies kann auch in der Hilfestellung bei der Erstattung von Strafanzeigen oder der Vermittlung zwischen der Familie des Opfers bzw. zu Hilfsorganisationen liegen.
Auf die neue (Vermögens-)Realität muss sich gemeinsam mit dem Kunden eingestellt werden. Hier bedarf es besonderem Einfühlungsvermögen der Berater, um das verloren gegangene Vertrauen wiederherzustellen. Dies ist, soweit möglich, lückenlos zu dokumentieren. Nicht selten wurde in der Vergangenheit versucht, den „schwarzen Peter“ der Bank zuzuschieben. Um ihr Institut, ihre Reputation und zu guter Letzt ihre Mitarbeitenden vor dem Zorn der Angehörigen zu schützen, sollte eine bestmögliche Transparenz für die Zukunft vorgehalten werden.
PRAXISTIPPS
- Die Negativspirale, ausgelöst durch die fehlende Traumaaufarbeitung, ist leider immer wieder ein Anknüpfpunkt für Folgestraftaten.
- Im Nachgang von Straftaten verhalten sich Geschädigte in der Regel anders. Reagieren Sie mit Empathie.
- Nicht jeder Geschädigte will über den Tathergang reden – aber jedem muss geholfen werden, damit sich solche Taten nicht wiederholen
Beitragsnummer: 22662