Donnerstag, 20. Juni 2024

Kaimaninseln, Libyen, Volksrepublik China u. Prozesskostensicherheit

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

 

In seiner Entscheidung vom 29.02.2024, 4 EK 3/22, musste sich das Oberlandesgericht Stuttgart mit der Frage auseinandersetzen, ob ein Unternehmen mit Sitz auf den Kaimaninseln prozesskostensicherheitspflichtig nach § 110 ZPO ist und gelangt zum Ergebnis, dass das kaimanische Unternehmen Prozesskostensicherheit zu leisten hat. Zur Begründung führt das Oberlandesgericht Stuttgart zunächst aus, dass das kaimanische Unternehmen nicht nach § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO von der Pflicht zur Leistung einer Prozesskostensicherheit aufgrund des deutsch-britischen Abkommens über den Rechtsverkehr vom 20.03.1928 befreit ist. Dabei verweist das Oberlandesgericht Stuttgart zunächst darauf, dass § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO das Vorliegen eines multilateralen oder bilateralen völkerrechtlichen Vertrages verlangt, der für Deutschland rechtsverbindlich ist und der ausdrücklich den Ausländer von einer Sicherheitsleistung befreit. Hiervon ausgehend hält das OLG fest, dass das Abkommen im Verhältnis zu den Kaimaninseln grundsätzlich anwendbar sei. Zwar handle es sich bei den Kaimaninseln um einen Teil der britischen Überseegebiete, die nicht Teil des Vereinigten Königreiches seien, sondern nur unter dessen Souveränität stehen. Allerdings ergebe sich, so das OLG weiter, die Anwendbarkeit des § 110 Abs. 2 ZPO aus der Bekanntmachung über die Wiederanwendung des Abkommens vom 31.01.1970. Hieran anschließend hebt das Oberlandesgericht jedoch hervor, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Art. 14 des deutsch-britischen Abkommens über den Rechtsverkehr vom 03.12.1928 von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung nur unter der Voraussetzung befreit, dass das Unternehmen einen Wohnsitz im Inland hat, was im konkreten Fall nicht der Fall war. Schließlich verweist das Oberlandesgericht darauf, dass das kaimanische Unternehmen auch nicht nach Art. 5 des deutsch-britischen Abkommens über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 14.07.1960 von der Prozesskostensicherheit befreit ist. Zwar sehe, so das Oberlandesgericht Stuttgart, das Abkommen in Art. III eine gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen in Zivilsachen vor. Das Abkommen sei aber im Verhältnis zu den Kaimaninseln nicht anwendbar. Art. 1 Abs. 1b des Abkommens bezeichnet als Anwendungsbereich das Gebiet des Vereinigten Königreichs und diejenigen Hoheitsgebiete, auf die das Abkommen gem. Art. XII ausgedehnt worden ist. Art. XII Abs. 1 erlaube zudem die Ausdehnung auf ein weiteres Hoheitsgebiet durch Notenwechsel. Eine Ausdehnung im Sinne von Art. XII des Abkommens sei auf die Kaimaninseln aber nicht erfolgt, sodass es bei der Verpflichtung zur Prozesskostensicherheit verbleibt. 

Das Landgericht Stuttgart, 35 O 74/23 KfH stellte wiederum in seiner Entscheidung fest, dass auch ein Unternehmen mit Sitz in der Volksrepublik China prozesskostensicherheitspflichtig i. S. v. § 110 ZPO ist. Dabei verweist das Landgericht Stuttgart zunächst darauf, dass das vom chinesischen Unternehmen in Bezug genommene Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 29.04.1997, 3 U 1296 RIW, nach welchem es für die Leistung von Prozesskostensicherheit auf das Merkmal der Gegenseitigkeit ankommen soll, nicht einschlägig ist, da diese Entscheidung noch zur alten, bis zum 30.09.1998 geltenden Rechtslage ergangen ist. Die Befreiung von der Pflicht zur Sicherheitsleistung gem. § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sei wiederum, anders als in der bis zum 30.09.1998 geltenden Fassung, nicht mehr von der Verbürgung der Gegenseitigkeit abhängig. Nach § 110 Abs. 1 ZPO in der seit dem 01.10.1998 geltenden Fassung sei das chinesische Unternehmen vielmehr nur dann von der Prozesskostensicherheitspflicht befreit, wenn aufgrund völkerrechtlicher Verträge keine Sicherheit verlangt werden könne. Dieser Ausnahmetatbestand ersetze wiederum das nach der alten, bis 30.09.1998 geltenden Fassung maßgebliche Merkmal der Gegenseitigkeit der Befreiung von der Pflicht zur Leistung einer Prozesskostensicherheit. Insofern genüge es seit dem Inkrafttreten der Neufassung für die Befreiung eines ausländischen Klägers von der Pflicht zur Sicherheitsleistung nicht mehr, dass ein Deutscher nach den Gesetzen des Staates, dem der Kläger angehört, dort als Kläger nicht zur Sicherheitsleistung verpflichtet wäre. Vielmehr tritt nach der Neufassung des Ausnahmetatbestandes des § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO die nach Abs. 1 bestehende Verpflichtung zur Sicherheitsleistung nur dann nicht ein, wenn aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem Staat, dem der Kläger angehört, keine Sicherheit verlangt werden kann.

Nachdem eine staatsvertragliche Befreiung von der Prozesskostensicherheit aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik China nicht bestünde, müsse das chinesische Unternehmen Prozesskostensicherheit leisten.

In seiner Entscheidung vom 16.01.2024, XI ZR 49/23 (BKR 2024, 441 m. Anm. Schütze/Klötzel) gelangt der Bundesgerichtshof zum Ergebnis, dass auch ein nicht parteifähiger libyscher Staatsfonds gemäß § 110 ZPO prozesskostensicherheitspflichtig ist. Zur Begründung führt der BGH zunächst aus, dass es sich zwar bei der Parteifähigkeit um eine Prozessvoraussetzung handelt, die gemäß § 56 Abs. 1 ZPO in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist und ohne die ein Sachurteil nicht ergehen darf. Eine Partei, deren Parteifähigkeit im Streit stehe, müsse aber zur gerichtlichen Klärung dieser Frage als parteifähig behandelt werden. Aus diesem Grund könne auch gegen eine nicht parteifähige Partei eine Kostenentscheidung ergehen. Unter diesen Umständen, so der Bundesgerichtshof weiter, sei es sachgerecht und entspreche dem Normzweck der §§ 110 ff. ZPO, die Beklagtenpartei von den Nachteilen zu schützen, die ihr drohen, wenn sie im Fall ihres Obsiegens die Prozesskosten gegen die Klägerin im Ausland beitreiben müsste (Rn. 12).

Sodann hält der Bundesgerichtshof fest, dass der Ausnahmetatbestand des § 110 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, dass aufgrund völkerrechtlicher Verträge keine Sicherheit verlangt werden könne, im Verhältnis zu Libyen nicht eingreife (Rn. 15).

Schließlich stellt der Bundesgerichtshof klar, dass entgegen anderer Instanzengerichte Prozesskostensicherheit auch für die dritte Instanz aufzuerlegen ist und nicht nur für die ersten beiden Instanzen (Rn. 18; vgl. auch die Hinweise bei Schütze/Klötzel, BKR 2024, 4 44).

 

PRAXISTIPP

Auch in der Bankenpraxis kommt es immer wieder vor, dass ausländische Unternehmen Klagen gegen Kreditinstitute erheben. In diesen Fällen sollte stets überlegt werden, ob diese ausländischen Unternehmen nicht prozesskostensicherheitspflichtig sind. Dies gilt erst recht bei Unternehmen, bei denen die Vollstreckung im Ausland mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sind (vgl. zur Frage, ob es bei der Prozesskostensicherheit auf den Gründungssitz oder auf den Verwaltungssitz ankommt, Edelmann, BKR 2023, 539, welcher u. H. a. instanzliche Gerichte klarstellt, dass es bei § 110 ZPO auf den Verwaltungssitz des Unternehmens ankommt).


Beitragsnummer: 22645

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