Donnerstag, 20. Juni 2024

Verjährung von Bürgschaftsforderungen/Anschriftenermittlung

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

 

In seiner Entscheidung vom 14.06.2023, 4 U 93/22, erinnert das OLG Brandenburg unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 03.06.2008, XI ZR 319/06, sowie auf BGH, Urteil vom 28.02.2012, XI ZR 192/11, daran, dass zur Kenntnis von der Person des Schuldners im Sinne von § 199 Abs. 1 BGB auch die Kenntnis des Gläubigers von der richtigen aktuellen Adresse des Schuldners gehört (Rn. 28).

Ausgehend davon, dass der Anspruch aus der Bürgschaft nicht bereits mit Vertragsabschluss, sondern erst mit der Fälligkeit der Hauptforderung entsteht, erinnert das OLG Brandenburg unter Hinweis auf das weitere Urteil des BGH vom 23.09.2008, XI ZR 395/07, daran, dass die Bank als Bürgschaftsgläubigerin nach Fälligkeit der Bürgschaftsforderung die besondere Obliegenheit trifft, die ihr bei Abschluss des Bürgschaftsvertrages mitgeteilte Anschrift des Bürgen zeitnah auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, will sie sich den Vorwurf einer grob fahrlässigen Unkenntnis von der Anschrift des Bürgschaftsschuldners i. S. v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht vorhalten lassen.

Was wiederum die Verlängerung der Verjährungsfrist bei Bürgschaften auf fünf Jahre in Allgemeinen Geschäftsbedingungen anbelangt, so hält das OLG Brandenburg zunächst unter Hinweis auf die Entscheidung des BGH vom 21.04.2015, XI ZR 200/14, Rn. 17 ff. fest, dass eine Verlängerung der Verjährungsfrist bei Bürgschaften von drei auf fünf Jahre AGB-rechtlich als rechtswirksam angesehen werden kann, wenn sie zugleich die Kenntnis unabhängige Verjährung erfasst und insofern den Bürgen auch begünstigt. Zugleich weist das OLG Brandenburg allerdings darauf hin, dass eine pauschale Verlängerung der gesetzlichen Verjährungsfrist grundsätzlich eine Abweichung vom gesetzlichen Leitbild mit der Folge darstellt, dass nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel von einer unangemessenen Benachteiligung auszugehen ist und demgemäß in jedem Einzelfall zu prüfen sei, ob diese Vermutung der unangemessenen Benachteiligung auf der Grundlage einer umfassenden Interessenabwägung in ihrer Gesamtheit den Kunden nicht unangemessen benachteiligt (so auch BGH, Urteil vom 21.04.2015, XI ZR 200/14, Rn. 17).

 

PRAXISTIPP

Vorstehende Entscheidung des OLG Brandenburg erinnert einmal mehr Kreditinstitute daran, dass diese verpflichtet sind, im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Entstehung des Bürgschaftsanspruchs sich zu vergewissern, ob die ihr bekannte Wohnanschrift des Bürgen noch aktuell ist, um sich gegebenenfalls dann nach der neuen Anschrift des Bürgen rechtzeitig zu erkundigen. In diesem Zusammenhang hat das OLG Brandenburg noch ausgeführt, dass eine Benachrichtigungspflicht des Bürgen über die Änderung seiner Wohnanschrift nicht besteht; eine Aussage, die so nicht allgemeinfähig ist. Denn wurden bspw. die AGB-Banken in den Bürgschaftsvertrag miteinbezogen, dann besteht grundsätzlich nach Nr. 11 Abs. 1 AGB-Banken die Verpflichtung des Bürgen, Änderungen seines Namens sowie seiner Anschrift unverzüglich seiner Bank mitzuteilen. Ob zusätzlich eine diesbezügliche Benachrichtigungspflicht als nebenvertragliche Verpflichtung angenommen werden kann, dürfte zweifelhaft sein, müsste jedoch von Fall zu Fall geprüft werden (Samhat, ZIP 2024, 795, 796).


Beitragsnummer: 22642

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