Mittwoch, 15. Mai 2024

Anhaltende Refinanzierungs-Herausforderungen für Unternehmen

Thomas Kohlhase, Senior Credit Analyst, Fixed Income, Ampega Asset Management GmbH

 

Die Konjunkturlage in Deutschland hat zwar im 1. Quartal 2024 etwas an Tempo gewonnen, bleibt aber nach einem schwachen Jahr 2023 mit einem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes von zuletzt nur +0,2 % p.a. verhalten. Überraschenderweise setzte zuletzt die Bauwirtschaft positive Akzente. Die Kapazitätsauslastung der deutschen Wirtschaft ist allerdings so schwach wie seit 2020 nicht mehr und auch Auftragsbestände, Läger und Exporterwartungen der Unternehmen tendieren schwächer.

In diesem Umfeld, mit im Vergleich zu den letzten 15 Jahren immer noch hohen Zinsniveaus, stellt das Thema Refinanzierung daher für viele Unternehmen immer noch eine große Herausforderung dar. Auch wenn es von der Europäischen Zentralbank erste Signale zu niedrigeren Zinsen gibt, dürften gerade höher verschuldete Unternehmen sowie solche, die materielle Kreditfälligkeiten in den nächsten 12–24 Monaten aufweisen, davon nicht so schnell profitieren.


Es drohen weiter ein „Higher for longer“ und Zweitrundeneffekte bei der Inflation – Zyklische Sektoren weiter stärker betroffen

Viele Unternehmen leiden immer noch unter hohen Beschaffungskosten (insb. in den energieintensiven Branchen, wie z. B. dem Chemiesektor). Des Weiteren ist noch mit Zweitrundeneffekten infolge gestiegener Lohnabschlüsse zu rechnen, die nicht immer auf die Endkunden abgewälzt werden können. Zyklische Sektoren spüren die Abwärtsrisiken immer noch stärker als weniger zyklische, bisweilen defensive Sektoren wie Versorger, Lebensmittel und die Gesundheitsbranche. Veränderte Arbeitsgewohnheiten, Schuldenlasten und höhere Fremdkapitalkosten erklären die Probleme im Immobiliensektor. Der Mediensektor kämpft immer noch mit einer allgemeinen Flaute in der Werbung und Problemen der Kabelnetzbetreiber. Der Automobilsektor, insbesondere die Zulieferer, steckt inmitten einer seiner größten Transformationsphasen, mit einem harten globalen Wettbewerb. Für das exportorientierte produzierende Gewerbe stellen zuletzt wieder steigende chinesische Überkapazitäten eine Belastungsprobe dar. Eine „weiche Landung“ und die positivere Haltung der Zentralbanken sind dennoch ein gutes Zeichen für die Kreditmärkte. Die allmählich rückläufige Inflation und die erwarteten Zinssenkungen lassen die Renditen sinken, und für Unternehmen sollte es leichter werden, sich auf den Kapitalmärkten zu refinanzieren – trotz der nach wie vor strengen Kreditvergabe der Banken, insbesondere in Deutschland wie aus dem jüngsten „Bank Lending Survey“ der EZB für das 1. Quartal 2024 hervorgeht.

Zahlreiche Unternehmen verzeichneten 2023 Gewinnrückgänge, die sich bei größeren börsennotierten Unternehmen in Europa zu Beginn des Jahres 2024 aggregiert fortsetzen. Auch die Gewinnprognosen größerer Unternehmen deuten nicht zwingend darauf hin, dass in vielen Bereichen die schlimmste Phase im aktuellen Kreditzyklus hinter ihnen liegt.


Kapitaldienstfähigkeit und Zinslast im Auge behalten

Das steigende Zinsumfeld erfordert einen Fokus auf liquiditätsrelevante Kennzahlen wie den Zinsdeckungsgrad (idealerweise EBIT bzw. EBITA basiert). Insbesondere, wenn die Interest Coverage nahe oder unter 1x liegt, ist dies ein Warnindikator. Der Zinsdeckungsgrad gibt an, wie viel Spielraum ein Unternehmen zur Erhaltung seiner Kapitaldienstfähigkeit hat. Traditionelle Kennzahlen wie der Verschuldungsgrad (Leverage; meist EBITDA basiert) können im gegenwärtigen Umfeld zu Falschinterpretationen führen, insb. bei sehr schwach gerateten Unternehmen am unteren Ende der Bonitätsskala (ab Single B). Höhere Refinanzierungskosten werden nämlich c.p. den Zinsdeckungsgrad negativ beeinflussen, selbst wenn EBITDA und Leverage davon nicht direkt betroffen sind. Dennoch ist zum Erhalt der Kreditqualität im Umfeld steigender Zinsen der Verschuldungsabbau erforderlich. Bei schwächerer interner Cashflow Generierung geht dies nur über die Reduzierung von Investitionen (insbesondere Erweiterungsinvestitionen) und Ausschüttungen an die Gesellschafter sowie dem Zurückstellen von Akquisitionen.


Cash is King – Maßnahmen zur Liquiditätssicherung

Viele Unternehmen greifen zunächst auf vorhandene Barmittel zurück, um Finanzierungslücken zu schließen. Das bedeutet, zunächst vorhandene Bargeldbestände zu nutzen. Im Anschluss oder parallel dazu folgt der Abbau von Working Capital, um interne Liquidität freizusetzen. Denn bei steigenden bzw. anhaltend hohen Fremdkapitalkosten (unter der Annahme konstanter Verschuldung) im aktuellen Hochzinsumfeld sowie drohender Ertragsrückgänge dürfte die Cashflow-Generierungskraft ohnehin schwächer ausfallen. Darüber hinaus ist auch aus Kreditgebersicht in Gesprächen mit Unternehmen kritisch zu hinterfragen, ob die Ausschüttungspolitik sowie entsprechende nicht zwingend erforderliche Investitionen (einschließlich Unternehmensübernahmen) temporär zurückgestellt werden können. Aus Gläubigerperspektive ist außerdem der Blick auf die kurzfristige Liquidität der Unternehmen wichtiger denn je.


PRAXISTIPPS

  • Transparenz herstellen: Wie viele liquide Mittel sind vorhanden und in welchem Umfang gibt es fest zugesagte Kreditlinien, die kurzfristig gezogen werden können? Diese Zahlen sollten dann mit dem kurzfristigen Cash-Bedarf abgeglichen werden.
  • Szenarien planen: Im zweiten Schritt sollte das Unternehmen unterschiedliche Szenarien erstellen und deren Folgen für den Cashflow durchrechnen. Ausgangspunkt dafür bildet das Extremszenario: Wie lange reicht das Geld, wenn die Einnahmen wegen der Krise komplett wegbrechen, die Ausgaben aber normal weiterlaufen?
  • Liquiditätsmanagement forcieren und Externe Finanzierung einbinden: Working Capital Management forcieren (Bestände im Umlaufvermögen an die aktuelle Auftragslage anpassen, im Zweifel herunterfahren); striktes Debitoren- und Kreditorenmanagement. Wenn der Liquiditätsbedarf klar ist und interne Cash-Quellen gehoben sind, geht es im letzten Schritt darum, neue externe Quellen anzuzapfen. Dazu gehören neben Bankfinanzierungen auch staatliche Förderprogramme.

Beitragsnummer: 22619

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