Dienstag, 14. Mai 2024

Wirksamkeit der Fiktionsänderungsklausel und Bauspar-Jahresentgelt

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

 

Das Landgericht Stuttgart hat in seiner Entscheidung vom 16.12.2022, 53 O 165/22, nicht nur das in der Ansparphase des Bausparvertrages „für den Bausparvertrag" eingenommene „jährliche Entgelt (Jahresentgelt)" für unwirksam erklärt, sondern auch die in § 20 Abs. 3a) ABB enthaltene und ausschließlich die Änderung der ABB-Regelungen über den Kontoabschluss (§ 15 Abs. 2), über die Aufrechnung und das Zurückbehaltungsrecht (§ 17), über die Verfügungsberechtigung nach dem Tod des Bausparers (§ 18), über die Einlagensicherung (§ 19 Abs. 1) sowie über die Präambel betreffende sog. Zustimmungsfiktionsänderungsklausel. Das Oberlandesgericht Stuttgart hat nunmehr als Berufungsgericht in seinem Urteil vom 28.03.2024, 2 U 207/22 (BeckRS 2024, 7140), zwar die Entscheidung des Landgerichts Stuttgart in Bezug auf die Unwirksamkeit der Jahresentgeltklausel bestätigt, die Fiktionsänderungsklausel wiederum entgegen der vom Landgericht Stuttgart vertretenen Auffassung für rechtswirksam erklärt (so auch LG Frankfurt, Urteil vom 20.10.2023, WM 2023, 2324, 2326 mit Anm. (Edelmann, BTS,  November 2023, 93 f. zu einer vergleichbaren Klausel); vgl. hierzu auch Edelmann/Kruis, WM 2024, 105, 110 ff.).

 

Was die Jahresentgeltklausel anbelangt, so bestätigt das OLG Stuttgart zwar, dass ein Entgelt für die Verschaffung eines Rechtsanspruchs auf Gewährung eines niedrig verzinslichen Bauspardarlehens aus der Zuteilungsmasse in Betracht kommt, weil es sich hierbei um eine Hauptleistung in der Ansparphase handelt (Rn. 83; so auch ausführlich Freise, BKR 2024, 381 ff. m. w. N. sowie LG München, Urteil v. 27.11.2023, 22 O 877/23; zur Wirksamkeit des Jahresentgelts bei Riester-Bausparverträgen vgl. Herresthal, ZIP 2024, 909 ff. sowie Edelmann/Kruis WM 2024, 105 ff.). Nachdem sich jedoch aus der Jahresentgeltklausel keinerlei Anhaltspunkte dafür ergaben, dass das Jahresentgelt gerade für die Verschaffung der Option auf ein späteres zinsgünstiges Bauspardarlehen eingenommen wird (Rn. 87, 91, 92), wurde das Jahresentgelt für unwirksam erklärt (Rn. 72–98).

 

Was wiederum die AGB-rechtliche Wirksamkeit der Fiktionsänderungsklausel anbelangt, so ist zunächst daran zu erinnern, dass der Bundesgerichtshof das als Ausnahme vom in § 308 Nr. 5 BGB, in § 675 g Abs. 2 BGB sowie in Art. 52 Nr. 6 a, 54 ZDRL II gesetzlich verankerten Leitbild des Erlaubtsein von Änderungen per Zustimmungsfiktion anzusehende Verbot von Änderungen per Zustimmungsfiktion gerade nicht auf Änderungen von unwesentlichen, nicht in das Vertragsgefüge besonders tief eingreifenden und das Äquivalenzverhältnis nicht in einer erheblichen, die Position des Vertrages entwertenden Art und Weise angewendet wissen wollte, sondern ausschließlich auf besonders schwere Eingriffe in das Vertragsgefüge (so ausdrücklich BGH, Urteil vom 27.04.2021, XI ZR 26/20, Rn. 27, 30, 32 und 38; vgl. hierzu umfassend Edelmann/Kruis, WM 2024, 105, 110 ff.).

 

Hierauf Bezug nehmend und darauf hinweisend, dass selbst nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.04.2021 eine, eine einschränkend-konkretisierende Formulierung enthaltende Fiktionsänderungsklausel rechtswirksam vereinbart werden könne (Rn. 109), gelangt das Oberlandesgericht Stuttgart zum Ergebnis, dass die Ausgestaltung der konkret zu beurteilenden Fiktionsänderungsklausel den Anforderungen des Bundesgerichtshofs genügt. Dies deshalb, weil die von der Zustimmungsfiktionsklausel betroffenen Regelungen thematisch beschränkte Punkte betreffen, die im Verhältnis zu den Essentialia des Geschäfts nur untergeordnete Bedeutung haben und gerade keine Hauptleistungspflichten betreffen (Rn. 110). Was wiederum die Änderung der Präambel anbelangt, so hält das Oberlandesgericht Stuttgart fest, dass entgegen den Behauptungen des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen sowie entgegen den Ausführungen des LG Stuttgart die Bausparkasse durch eine Änderung der Präambel weder den Vertragszweck ändern noch in die absoluten Kernrechte des Bausparers eingreifen könne. Denn diese Kernrechte würden zwar in der Präambel beschrieben. Rechtlich bindend seien diese Regelungen in der Präambel jedoch erst in den nachfolgenden Bestimmungen beschrieben und geregelt, so dass die alleinige Änderung der Regelungen in der Präambel an den der Präambel nachfolgenden und allein Rechtsverbindlichkeit entfaltenden ABB-Regelungen nichts zu ändern vermag (Rn. 111).

 

Im Hinblick auf die durch den Bundesverband der Verbraucherzentralen zitierte Entscheidung des OLG Celle vom 27.03.2019, 3 U 3/19, hält das Oberlandesgericht Stuttgart noch klarstellend fest, dass dem OLG Celle nicht darin zu folgen ist, wonach der Zweck der Fiktionsänderungsklausel im Wesentlichen darin liege, gegenüber Kunden eine Wirksamkeit zu erzielen, die der Änderung an sich nicht zustimmen würden, jedoch aus Nachlässigkeit nicht widersprechen. Zum einen sei diese Behauptung des OLG Celle durch nichts belegt. Hinzu käme, dass der Zweck der Klausel vielmehr darin liege, dass die überwiegende Mehrzahl der Kunden kein Interesse daran haben, AGB im Einzelnen zur Kenntnis zu nehmen (Rn. 120–121).

 

Entgegen der Ansicht des OLG Celle hätten auch die Bausparkassen aufgrund der Vielzahl an Verträgen, die über einen längeren Zeitraum laufen, ein hohes Interesse daran, Änderungen dieser Verträge auf möglichst kostensparende und unkomplizierte Weise durchzuführen. Schließlich sei auch das Argument des OLG Celle, wonach ohne die Zustimmungsfiktion kein die Klausel rechtfertigender Mehraufwand entstehen würde, nicht überzeugend. Richtigerweise seien nämlich § 308 Nr. 5 BGB sowie die für Zahlungsdiensterahmenverträge geltende Norm des § 675g BGB gerade dafür geschaffen worden, den Mehraufwand entfallen zu lassen, der ohne Fiktionsklausel in der Praxis unzweifelhaft anzutreffen ist (Rn. 222).

 

PRAXISTIPP

Nachdem in der Jahresentgeltklausel nicht konkret aufgeführt war, wofür das Jahresentgelt in der Ansparphase eingenommen wird und auch nicht festgelegt wurde, dass das Jahresentgelt für die Verschaffung des Rechtsanspruchs auf Gewährung eines niedrig verzinslichen Bauspardarlehens eingenommen wird, war zu erwarten, dass das Oberlandesgericht Stuttgart die vom Landgericht diesbezüglich vertretene Rechtsauffassung bestätigt.

 

Sehr erfreulich ist auf der anderen Seite, dass sich das Oberlandesgericht Stuttgart, soweit ersichtlich, als erstes obergerichtliches Instanzgericht mit der Problematik ernsthaft auseinandergesetzt und zutreffend erkannt hat, dass der Bundesgerichtshof Fiktionsänderungsklausel nicht kategorisch für unwirksam hält, der Bundesgerichtshof vielmehr einschränkend konkretisierende Klausel für durchaus zulässig erachtet. Insofern bleibt mit Spannung abzuwarten, ob der Bundesgerichtshof die vom Oberlandesgericht Stuttgart mit überzeugenden Argumenten vertretene Rechtsauffassung bestätigen wird.


Beitragsnummer: 22611

Beitrag teilen:

Produkte zum Thema:

Produkticon
Kommentar zum Kreditrecht, 4. Auflage

269,00 € inkl. 7 %

Beiträge zum Thema:

Beitragsicon
Jahresentgelt bei Riester-Bausparverträgen

Das Landgericht Frankfurt hat mit seiner Entscheidung das Jahresentgelt bei sogenannten Riester-Bausparverträgen Bausparverträgen für zulässig erachtet.

21.11.2023

Beitragsicon
Entgelt für Verschaffung des Anspruchs auf Bauspardarlehen

Die Verschaffung des Anspruchs auf Gewährung eines niedrig verzinslichen Darlehens beinhaltet eine Hauptleistungspflicht & ist entgeltpflichtig.

15.01.2024

Beitragsicon
Wirksamkeit der deutschen 3-jährigen Verjährungsfrist

Mit Spannung wird erwartet, wie der XI. Bankensenat des BGH sich zur zeitlichen Begrenzung des Rückzahlungsanspruchs auf die Dreijahreslösung positioniert.

14.05.2024

Um die Webseite so optimal und nutzerfreundlich wie möglich zu gestalten, werten wir mit Ihrer Einwilligung durch Klick auf „Annehmen“ Ihre Besucherdaten mit Google Analytics aus und speichern hierfür erforderliche Cookies auf Ihrem Gerät ab. Hierbei kommt es auch zu Datenübermittlungen an Google in den USA. Weitere Infos finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen im Abschnitt zu den Datenauswertungen mit Google Analytics.