Dienstag, 2. April 2024

Prüfung des Managements von Immobilienrisiken

Einbindung der Immobilienrisiken in die ökonomische Risikosteuerung unter Berücksichtigung von BTO 3 MaRisk

Thomas Maurer, Leiter Interne Revision, Münchner Bank eG

 

Mit der nach Beginn des Ukraine-Kriegs im Jahr 2022 eingeleiteten Zinswende hat sich die Situation am Immobilienmarkt diametral verändert. Kannten die Immobilienpreise im Jahrzehnt davor nur noch eine Richtung, nämlich die nach oben, so mussten die Institute feststellen, dass es auch im Immobiliensegment wieder Risiken gibt, die gemessen und gesteuert werden müssen. Mit Veröffentlichung der MaRisk am 29.06.2023 kamen dann auch noch umfassende aufsichtsrechtliche Vorgaben hinzu.

Immobilienrisiken sind somit (wieder) eine wesentliche Herausforderung für die Kreditinstitute. Die Zukunftsfähigkeit und der Geschäftserfolg können von Immobilienrisiken maßgeblich beeinflusst werden. Auch im Bereich der Eigenanlagen (z. B. Fonds) können sich Immobilienrisiken materialisieren. Ein effektives Risikomanagement und Einhaltung regulatorischer Anforderungen sind daher von entscheidender Bedeutung. Eine kontinuierliche Überwachung des Immobilienmarktes ist vor diesem Hintergrund unerlässlich, ebenso wie eine Überprüfung und Anpassung der Risikostrategien. Mittelbar wirken sich die Immobilienrisiken auf diverse andere Risikoarten aus. Beim Adressenausfallrisiko können Kreditausfälle und Zahlungsschwierigkeiten bei Kreditnehmern risikoerhöhend wirken. Wertverluste von Immobilien bei Marktschwankungen erhöhen tendenziell das Marktpreisrisiko der Institute. Liquiditätsrisiken sind unter Umständen durch Schwierigkeiten, Immobilienkredite in kurzfristige Liquidität umzuwandeln, tangiert. Bereits deutlich sichtbar ist eine weitere Auswirkung des Immobilienrisikos, nämlich der Rückgang des Volumens bei Baufinanzierungen, Bauträgern und Baugewerbe. Damit einhergehend reduzieren sich auch die Möglichkeiten, Cross-Selling-Geschäfte abzuschließen. Von besonderer Bedeutung ist der Zusammenhang von Immobilienrisiken und ESG-Risiken. Der energetische Zustand einer Immobilie hat erheblichen Einfluss auf den Marktwert. Erforderliche energetische Sanierungen können die Kostensituation belasten, ebenso wie hohe Betriebskosten aus ineffizienten Immobilien. Insgesamt dürften energetisch nicht sanierte Immobilien mittelfristig eine deutlich reduzierte Marktgängigkeit haben.

Vor diesem Hintergrund sollten sich in der Geschäftsstrategie Aussagen zum Immobilienportfolio nebst der Formulierung eines strategischen Ziels für diesen Geschäftsbereich wiederfinden. Dieses Ziel sollte mit hinreichend konkreten Maßnahmen zur Zielerreichung unterlegt werden. Auch zum Management der Risiken aus Immobiliengeschäften und zum Umgang mit sich hieraus ergebenden Risikokonzentrationen und Wechselwirkungen mit anderen Risikoarten sollte Stellung bezogen werden. Um die Geschäftsstrategie zum Immobiliengeschäft fundiert erstellen zu können, sind im Vorfeld im Rahmen der Risikoinventur die verschiedenen Ausprägungen des Immobilienrisikos anhand der konkreten Vermögenswerte des Instituts umfassend zu analysieren und zu bewerten. Grundsätzlich teilt sich das Immobilienrisiko in die Komponenten Wertänderungsrisiko, Ertragsrisiko und Mietausfallrisiko auf. Das Immobilienrisiko entsteht aus einer nachteiligen Entwicklung des Objektwerts und Erträgen von Immobilienpositionen (d. h. Direktanlagen, Fonds, Immobilienbeteiligungen und eigengenutzte Immobilien) in Bezug zu ihrem Erwartungs- bzw. Planungswert. Sollte sich im Rahmen der Risikoinventur herausstellen, dass das Immobilienrisiko als wesentlich für das Haus einzustufen ist, so ist eine Einbindung dieser Risikoart in den ICAAP sowie das ökonomische Risikomanagement geboten. Die Bewertung kann grundsätzlich nach dem Value-at-Risk-Ansatz vorgenommen werden. Ist dieser nicht vorhanden, kann auch auf angemessene alternative Verfahren zurückgegriffen werden. Zu berücksichtigen ist das Immobilienrisiko nebst eventuell vorhandenen Intra-Risikokonzentrationen darüber hinaus auch im adversen Szenario und im Stresstestprogramm. Dabei sind sowohl der Direktbestand an Immobilien als auch die Bestände in Fonds und Beteiligungen zu erfassen. Eine Erleichterung besteht darin, dass bei selbst genutzten Immobilien kein Ertrags- und Mietausfallrisiko berechnet werden muss. Bei gemischt genutzten Objekten ist nach den neuen MaRisk der Anteil der Fläche entscheidend, ob das Objekt überwiegen eigen- oder fremdgenutzt ist. Bei der Risikoermittlung ist der mögliche ökonomische Verlust für einen bestimmten Betrachtungshorizont (z.B. ein Jahr) zu bestimmen. Dabei sind erwartete und unerwartete Verluste zu berücksichtigen. Basis ist das Bestandsgeschäft. Bei den eingesetzten Modellen ist darauf zu achten, dass eine valide Datengrundlage mit hoher Datenqualität und Repräsentativität vorhanden ist. Ziel ist eine konservative, zukunftsorientierte Risikomessung inklusive der Konzentrationsrisiken. Wichtig ist ebenfalls, dass Regelungen zur Angemessenheit, Transparenz und Konsistenz zu anderen in der Banksteuerung verwendeten Verfahren, erstellt werden.

Bei in Fonds gehaltenen Immobilienbeständen ist grundsätzlich eine Durchschau erforderlich. Die Bestände sind im Risikomanagement so zu erfassen, als ob sie von der Bank direkt gehalten würden. Dabei kann grundsätzlich auch auf Daten der Fondsgesellschaft zurückgegriffen werden. Dabei ist aber nachweislich zu prüfen, dass diese mit den Steuerungsansätzen der Bank kompatibel sind. Eine Durchschau sollte bei Fonds-in-Fonds-Konstruktionen mindestens bis zur zweiten Ebene erfolgen. Ist dies mangels verfügbarer Daten nicht möglich, sind alternative Verfahren anzuwenden. Bei Misch- und Dachfonds sind die Risiken aus anderen Assetklassen nicht bei der Ermittlung des Immobilienrisikos zu berücksichtigen.

 

PRAXISTIPPS

  • Prüfen Sie die Zusammensetzung des eigenen Immobilienportfolios hinsichtlich der möglichen Auswirkungen der aktuellen Situation
  • Beziehen Sie auch Fondsbestände und Beteiligungen mit Immobiliencharakter ein
  • Achten Sie auf eine konsistente Behandlung des Immobilienrisikos in Risikoinventur, Strategie, Risikomanagement und Risikoberichterstattung
  • Prüfen Sie die verwendeten Parameter auf Konsistenz und Angemessenheit

 


Beitragsnummer: 22564

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