Claudia Drangmeister und Julia Müller-Siekmann, Sector Analystinnen Real Estate, NORD/LB Research
I. Einleitung
Shopping-Center befinden sich im Spannungsfeld zwischen konjunkturellen und strukturellen Herausforderungen. Die Krisenjahre der Corona-Pandemie sind noch nicht vergessen, in welchen der stationäre Handel durch den Boom des Online-Handels auf eine harte Probe gestellt und der Strukturwandel im Einzelhandel zusätzlich beschleunigt wurde. Mit dem Angriffs-Krieg auf die Ukraine und den wirtschaftlichen Folgen wie Rekordinflation sowie rasanter Zinsanstieg verschlechterten sich die fundamentalen Rahmenbedingungen für den Einzelhandel erneut. Bis heute agieren die Konsumenten aufgrund der anhaltenden Unsicherheiten äußerst zurückhaltend und es fehlen die konjunkturellen Impulse, um den privaten Konsum nachhaltig wieder zu mehr Schwung zu verhelfen.
An die wirtschaftlichen Herausforderungen schließen sich die strukturellen Veränderungen an. Das Kundenverhalten hat sich massiv gewandelt. Eine erfolgsversprechende Strategie zur Stärkung der Besucherfrequenzen in den Centern und zur Verhinderung von Leerstand liegt in der Anpassung der Center an die Bedürfnisse der modernen Gesellschaft nach Erlebnissen, Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Die ursprüngliche Funktion von Shopping-Centern für den reinen Konsum hat sich zu einem flexiblen Konzept des „Mixed-Use“ gewandelt. Shopping-Center werden von den Konsumenten immer häufiger gezielt zur Freizeitbeschäftigung aufgesucht. Diese Veränderung bringt zweifellos Herausforderungen und zugleich Chancen mit sich, die es zu meistern gilt. Vor dem Hintergrund, dass der deutsche Shopping-Center-Markt weitgehend gesättigt zu sein scheint, liegt der Fokus in der Repositionierung bestehender Center. Je nach Beschaffenheit und Lage der Center bedarf es dabei individueller Lösungsansätze. In letzter Konsequenz kann auch eine Transformation in alternative Nutzungen in Frage kommen. Klar ist, dass sich Shopping-Center in einem dynamischen Wettbewerbsumfeld befinden. Es stellt sich uns die Frage: Ist der Shopping-Center-Markt gut positioniert und fit für die Zukunft?
II. Aktuelle Marktlage im Einzelhandel
Die Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren waren herausfordernd für den deutschen Einzelhandel. Nachdem die Corona-Pandemie die Ausweitung des Online-Handels massiv beschleunigte und die Konsumstimmung einbrechen ließ, folgte der Ukraine-Krieg mit einer sprunghaft angestiegenen Rekordinflation. Der Einzelhandel wurde durch die hohen Energiekosten, inflationsbedingten Mieterhöhungen und steigenden Arbeitskosten in Kombination mit einer ausgeprägten Konsumzurückhaltung erheblich belastet. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im Handel ist im vergangenen Jahr um 26 % auf 3.490 Fälle gestiegen, wobei auch zahlreiche namhafte Unternehmen der Branche betroffen waren.[1] Angesichts der herausfordernden Lage stieg die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im Handel auch in der ersten Jahreshälfte 2024 (+ 20,4 % gegenüber dem ersten Halbjahr 2023) weiter an.[2] [...]
Beitragsnummer: 22537