Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart
In seiner Entscheidung vom 10.01.2024, III ZR 57/23 (WM 2024, 206), musste der Bundesgerichtshof prüfen, ob die BaFin im Zeitraum April 2015 bis Juni 2020 Amtspflichten verletzt hat, die zu Schadensersatzansprüchen der betroffenen Anleger führen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte als Berufungsgericht einen Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG ebenso abgelehnt wie einen Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs.
Der Bundesgerichtshof weist zunächst darauf hin, dass es der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entspricht, dass staatsanwaltliche Handlungen, bei welchen ein Beurteilungsspielraum des Entscheidungsträgers besteht (z. B. Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, Erhebung der öffentlichen Klage, Beantragung eines Haftbefehls oder einer Durchsuchungs- und Beschlagnahmeandrohung), im Amtshaftungsprozess nicht auf ihre Richtigkeit, sondern nur auf ihre Vertretbarkeit zu prüfen sind, wobei die Vertretbarkeit nur dann verneint werden darf und kann, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege die betreffende Entscheidung nicht mehr verständlich ist (Rn. 12).
Sodann führt der Bundesgerichtshof aus, dass bei der Prüfung, ob die BaFin ihre Pflichten verletzt hat, kein anderer Prüfungsmaßstab anzulegen ist, weswegen die Frage, ob die BaFin Pflichten verletzt habe, allein anhand des Maßstabs der Vertretbarkeit unter Berücksichtigung der Belange einer effektiven Bilanzkontrolle zu beurteilen ist (Rn. 13).
Was wiederum den Zeitpunkt der gerichtlichen Beurteilung der fachlichen und rechtlichen Vertretbarkeit anbelangt, so erinnert der Bundesgerichtshof daran, dass es ausschließlich auf die Ex-ante-Perspektive ankommt und dass das Gericht sich daher nicht von einer rückschauenden Ex-Post-Wertung leiten lassen darf, welche auf späteren Erkenntnissen beruht (Rn. 14).
Ausgehend von diesen Grundsätzen stellt der Bundesgerichtshof dann ausführlich dar, dass und aus welchen Gründen die von der BaFin getroffenen Maßnahmen im Zeitraum von April 2015 bis Juni 2020 vertretbar waren und gelangt so zum Ergebnis, dass die BaFin von Anlegern aus Amtshaftungsgrundsätzen nicht auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden kann.
PRAXISTIPP
Vor dem Hintergrund der vielfach zur Haftung der BaFin ergangenen Entscheidungen der Instanzgerichte (vgl. hierzu Edelmann, BTS Ausgabe Juni 2023, S. 51 sowie BTS Ausgabe Dezember 2022/Januar 2023, S. 110 f.) war damit zu rechnen, dass der Bundesgerichtshof Schadensersatzansprüche aus Amtshaftung gegenüber der BaFin ablehnt. Dies gilt erst recht, wenn man die vom Bundesgerichtshof zutreffender Weise dargelegten Amtshaftungsgrundsätze im Zusammenhang mit Amtshaftungsprozessen bei staatsanwaltlichen Handlungen zugrunde legt, bei welchen schon seit jeher anerkannt ist, dass diese Handlungen nur auf ihre Vertretbarkeit geprüft werden können, wobei die Vertretbarkeit nur dann verneint werden kann/darf, wenn bei voller Würdigung auch der Belange einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege die betreffende Entscheidung nicht mehr verständlich ist.
Beitragsnummer: 22514