Dienstag, 6. Februar 2024

Immobilienunternehmen in der Insolvenz – aus Bankensicht

Aufgrund des langjährigen Immobilienbooms ist die wirtschaftliche Fallhöhe der Baubranche enorm. Bauvorhaben bleiben unvollendet – es häufen sich Insolvenzanmeldungen

Prof. Dr. Artur M. Swierczok, LLM (UCL), MSt. (Oxford), Banking & Finance, Baker McKenzie Rechtsanwaltsgesellschaft mbH von Rechtsanwälten und Steuerberatern, Frankfurt am Main

Die Immobilienbranche hat es derzeit nicht leicht. Hohe Zinsen, erhöhte Energie- und Materialkosten, Überregulierung, Fachkräftemangel usw. setzen ihr stark zu. Zahlreiche Immobilienunternehmen haben in den letzten Monaten und Wochen Insolvenz angemeldet. Prominente Beispiele sind: Development Partner, Euroboden, Gerchgroup, Omega, Signa usw. Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Trend fortsetzen wird.

Alle Beteiligten – aber insbesondere finanzierende Banken – stellt diese vor erhebliche Herausforderungen. In den letzten gut 15 Jahren des Aufschwungs ist hier sowohl auf betriebswirtschaftlicher als auch auf rechtlicher Ebene viel Expertise verloren gegangen. Der vorliegende Beitrag soll einen zusammenfassenden Überblick insbesondere über die wesentlichen, rechtlichen Fallstricke im Zusammenhang mit der Insolvenz eines Immobilienunternehmens aus Sicht der finanzierenden Bank geben (wobei der Focus auf der aktuell häufig anzutreffenden Situation einer unfertigen und unvermieteten Immobilie liegt).  

Ausgangslage/Interessen

Zeichnet sich eine Insolvenz ab bzw. wurde ein Insolvenzantrag bereits gestellt, sollte die Bank als „Eilmaßnahme“ zunächst eine summarische Prüfung ihres Sicherheitenpakets (insb. Grundschuld, Kontopfandrecht usw.) vornehmen. Hierdurch lassen sich unnötige Verzögerungen bei der Verwertung im (eröffneten) Insolvenzverfahren vermeiden und potenzielle Insolvenzanfechtungsrisiken (§§ 129 ff. InsO) reduzieren. Die (anstehende) Insolvenz wird der Bank regelmäßig die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung (§ 490 BGB) geben. Macht die Bank hiervon nicht ausdrücklich Gebrauch, gilt ihre restliche Kreditforderung im eröffneten Insolvenzverfahren dennoch als fällig (§§ 41a, 38 InsO). Ihre (besicherte) Insolvenzforderung kann die Bank regelmäßig zur Insolvenztabelle „für den Ausfall“ anmelden (§§ 38, 52 S. 2 InsO).

Insolvenzantragsstellung

Nach Schuldnerinsolvenzanträgen sollte die Bank den eingesetzten (vorläufigen) Insolvenzverwalter kontaktieren, um ein Gespür für die Kooperationsbereitschaft zu bekommen. Andernfalls kann auch versucht werden, auf einen Austausch des Insolvenzverwalters hinzuwirken. Bei örtlich verstreuten Immobilienportfolien sollte sie weiter darauf hinwirken, dass ein einheitlicher Insolvenzverwalter bestellt wird, um Reibungsverluste zu vermeiden. Liegen die Voraussetzungen für einen (vorläufigen) Gläubigerausschuss vor (vgl. §§ 22a InsO), sollte sich die Bank frühzeitig als Mitglied in Position bringen.

Ob sich für die Bank ein Fremdinsolvenzantrag anbietet, hängt sehr stark von den Umständen des Einzelfalls ab. Sinnvoll kann dies sein, wenn bei weiterem Abwarten ein Risiko für die Sicherheiten besteht. Ein solcher Antrag erfordert häufig vertiefte Einblicke in die finanzielle Situation des Schuldners (insbesondere muss die Bank in der Lage sein, einen Insolvenzgrund glaubhaft darzulegen). Oft ist dies auch mit einem enormen internen Dokumentations- und Rechtfertigungsaufwand verbunden. Zudem bestehen aufgrund der grundpfandrechtlichen Besicherung neben der Insolvenzantragsstellung ggf. bessere Optionen: Zwangsverwaltung (§§ 146 ff. ZVG, ZwVwV) und Zwangsversteigerung (ZVG).

Vorläufiges Insolvenzverfahren

Besonders herausfordernd für die Bank ist der Zeitraum des vorläufigen Insolvenzverfahrens. Die Antragsstellung führt nicht selten zu einem (kompletten) Baustopp. Bereits die allgemeine Verkehrssicherung der Immobilie gestaltet sich schwierig. Oft fehlt dem Schuldner bereits hierfür die nötige Liquidität. Es sollte jedoch regelmäßig im Interesse der Bank sein, einen (weiteren) Verfall der Immobilie zu vermeiden. Notwendige Verkehrssicherungs- sowie werterhaltende Instandsetzungsmaßnahmen sollten vorgenommen werden. Hier kann die Bank z.B. in Form eines Massekredits Abhilfe schaffen. U. U. ist sie gezwungen, die Kosten sogar aus eigener Tasche zu bezahlen. In Ausnahmefällen kann auch ein „Notverkauf“ der Immobile bereits im vorläufigen Verfahren angezeigt sein.

Hauptverfahren

Im Hauptverfahren bestehen für die Bank regelmäßig folgende Handlungsoptionen (oder Mischungen hiervon):

  • Übernahme des Bauvorhabens in den Eigenbestand;
  • Begleitung Fortführung/Fertigstellung des Bauvorhabens durch Schuldner auf Basis einer sog. „Fortführungsvereinbarung“;
  • Fremdverwaltung/Verkaufslösung

Eine Übernahme in den Eigenbestand dürfte nur selten in Betracht kommen. Sie erfordert umfassende Expertise innerhalb der Bank, die oft nicht vorhanden ist; zudem bindet sie unnötig Ressourcen und Kosten.

Regelmäßig dürfte die Fertigstellung des Bauvorhabens für alle Beteiligten die (wirtschaftlich) attraktivste Lösung sein. Die rechtliche Umsetzung und Abwicklung erfolgen dabei wie folgt:

  • Vereinbarung zwischen Schuldner/Insolvenzverwalter und Erwerber bzgl. Fertigstellung, Übereignung und Lastenfreistellung usw. (Masseverbindlichkeit);
  • Vereinbarung zwischen Insolvenzverwalter und Bank (Masseverbindlichkeit);
  • Gelegentlich: Vereinbarung zwischen Erwerber und Bank

Scheidet die Fortführung/Fertigstellung des Bauvorhabens aus, stellen sich dagegen komplizierte Rückabwicklungsfragen zwischen Bank und Erwerber (vgl. § 3 MaBV).

Schließlich stehen der Bank eine Reihe an gesetzlichen (insb. Zwangsverwaltung/Zwangsversteigerung) bzw. von der Praxis entwickelten (z. B. „Kalte Zwangsverfahren“) Optionen zur Verfügung. Während die gesetzlich geregelten Verfahren eine hohe Rechtssicherheit aufweisen, sind sie oft weniger „flexibel“ und mit hohen Kosten und langen Verfahrensdauern verbunden. „Private“ Verfahren schneiden hier deutlich besser ab, weisen aber tendenziell weniger Rechtssicherheit auf.

Fazit/Empfehlung

Die Insolvenz eines Immobilienunternehmens stellt die finanzierende Bank vor erhebliche Herausforderungen (insb. bei unfertigen/unvermieteten Immobilien). Sie erfordert vertiefte kredit-, bau-, vollstreckungs-, und insolvenzrechtliche Expertise, die über die letzten Jahre stetig verloren gegangen ist. Umso wichtiger ist es, dass Banken sich wieder intensiv mit dem Thema auseinandersetzen, um im Insolvenzfall schnell und effizient reagieren zu können.

PRAXISTIPPS

  • Im Zuge einer (sich abzeichnenden) Insolvenz sollte die Sicherheitensituation nochmals geprüft werden, um im Falle eines (eröffneten) Insolvenzverfahrens bei Bedarf zeitnah verwerten zu können.
  • Handelt es sich um ein überregional tätiges Immobilienunternehmen, empfiehlt es sich, auf die Einsetzung eines einheitlichen Insolvenzverwalters zu insistieren.
  • Kommt es z. B. bei einem vorläufigen Insolvenzverfahren zu einem Baustopp, sollten notwendige Verkehrssicherungs- sowie werterhaltende Instandsetzungsmaßnahmen ergriffen werden.
  • Eine Übernahme in den eigenen Bestand sollte aufgrund der hierfür benötigten Expertise und den Ressourcen auch mit Blick auf die MaRisk, BTO 3, eher als „Ultima Ratio“ zu werten sein.

Beitragsnummer: 22477

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