Montag, 5. Februar 2024

Durchsuchung in Ihrer Bank

Was erwartet Sie aus der Sicht der Staatsanwaltschaft?

Dr. Hans Richter, OStA a. D., ehem. Hauptabteilungsleiter der Schwerpunktabteilungen für Wirtschaftsstraftaten der Staatsanwaltschaft Stuttgart

Liebe Leserinnen und Leser, in unserem neuen Format der Strafrechtskolumne wollen wir, wie Frau Rechtsanwältin Kamp als erfahrene Strafverteidigerin in Wirtschaftsstrafsachen in ihrem Beitrag (BP 12-01/2024) angekündigt hat, „im Wechsel des Blickwinkels“ Probleme bei der Aufklärung eines Straftatverdachtes aufgreifen, soweit Banken involviert werden. Wir wollen Reaktionsmöglichkeiten der betroffenen Mitarbeiter aufzeigen und Compliance-Verantwortlichen Schulungs-Hinweise bei „Strafrechtsnähe“ geben. Frau Kamp hat den Anfang mit dem stets aktuellen Thema einer Durchsuchung einer Bank gemacht – ich will nun dazu die Sicht der Staatsanwaltschaft und die Denk-/Handlungsweise der eingeschalteten Kriminalpolizei verdeutlichen.

Leser meiner Kolumne werden sich daran erinnern, dass ich die Feststellung eines (strafrechtlichen) Anfangsverdachtes, der den von Frau Kamp geschilderten strafprozessualen Maßnahmen vorausgehen muss, ebenso geschildert habe, wie die dabei zu beachtende Verhältnismäßigkeit solcher Eingriffe in die Rechtssphäre der betroffenen Menschen und wirtschaftlichen Organisationen. Auch die (Verdachts-)Relevanz der Beweismittel, deren Auffindungswahrscheinlichkeit und die hierauf bezogene Prüfung durch den Ermittlungsrichter sind dort (BP 10/2022) unter den Stichwörtern Verschleierungs-/Offenlegungspraxis, Aussagepflichten/-verhalten und im Hinblick auf sachgerechte Behandlung der Auskunftsverlangen von Justiz und Polizei (BP 11/2022) dargestellt (speziell zum Kapitalmarktstrafrecht in BP 07-08/2023). Auch Reaktionsmöglichkeiten der Betroffenen sind dort bereits aufgezeigt. Sie haben sicher auch erkannt, wie nah die Empfehlungen der Verteidigung und die der Strafverfolgung beieinander liegen. Ich kann Ihnen dabei versichern, dass die Staatsanwaltschaft eine Eskalation bis hin zu dem von Frau Kamp geschilderten Extremreaktionen ebenso vermeiden möchte, wie die Betroffenen und ihre Verteidigung. Den Weg dazu hat Frau Kamp aus Sicht der Verteidigung aufgezeigt: Bewusstsein der Anspannung auf beiden Seiten und Klärung der Rechtmäßigkeit der Amtshandlung zu Beginn ihrer Ausführung. Letzteres sollten die Betroffenen nicht erst verlangen müssen – es ist vielmehr eine Bringschuld der Strafverfolgung.

Gerade dabei kommt es aber immer wieder – auch trotz anleitenden „Verhaltensmerkblättern“ betroffener Banken und gelegentlich bei Anwesenheit von (wirtschafts)strafrechtlich nicht hinreichend erfahrenen Rechtsanwälten – zu Missverständnissen. Diese gilt es zu vermeiden oder doch zu reduzieren, weshalb ich die – immer zutreffenden – Erläuterungen von Frau RAin Kamp in einigen Punkten um die staatsanwaltschaftliche Sicht ergänzen will:

  • Zwar betreffen Informationsbedürfnisse der StA gegenüber Bankmitarbeiter diese in aller Regel nicht als „Beschuldigte“, sondern als „Zeugen“, weshalb ein Durchsuchungsbeschluss gegen sie nicht auf § 102 StPO, sondern auf § 103 StPO (beim „Dritten“, also dem Unverdächtigen) gestützt werden muss. Das gilt auch für Beschlüsse, die sich nicht gegen Menschen (nur diese können Täter unseres deutschen Strafrechts sein), sondern gegen Juristische Personen (Unternehmen, wie auch Banken) richten. Beantragung, Erlass und Durchführung dieser Beschlüsse bedingt die besondere Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Damit müssen neben der von Frau Kamp erwähnten Beweismittelrelevanz und Auffindungswahrscheinlichkeit Gründe vorliegen, nach denen der (vorrangige) Einsatz milderer Mittel die Gefahr des/der Beweismittelverlustes/-beeinträchtigung begründen würde. Deshalb wird die StA (oder schon die insofern von ihr beauftragte Polizei) die Herausgabe der Beweismittel und Abgabe entsprechender Zeugenaussagen mit schriftlichem Auskunfts-/Herausgabeersuchen (BP 09/2022 u. 10/2022) erbitten. Wählt sie diesen Weg nicht, sondern hat einen „Beschlusses“ erwirkt, kann dies einen Hinweis darauf geben, dass entweder Mitarbeiter/Verantwortliche in Verdacht stehen oder im kommunikativen Vorfeld etwas misslungen ist. Insoweit reichen aber vorangegangene „schlechte Erfahrungen“ der StA nicht aus – die Gefahr der Beweismittelbeeinträchtigung bei Wahl des Auskunfts-/Herausgabeverlangens muss durch konkrete Anhaltspunkte belegt sein. In diesem Fall sollte ein Gerichtsbeschluss nach § 103 StPO Anlass für die Rechtsabteilung der Bank zur Kontaktaufnahme mit der StA sein, um eine Klärung des Sachverhaltes (oder Missverständnisse aus der Vergangenheit) herbeizuführen.

  • Zutreffend und wichtig ist auch der Hinweis von Frau RAin Kamp zu Beginn einer Durchsuchung übergebene Dokumente der Behörde sorgfältig zu prüfen oder diese zu verlangen, wenn sie nicht übergeben werden. Hierzu will ich Begrifflichkeiten ansprechen, die bei einem solchen Verlangen der Betroffenen gegenüber den Durchsuchungsbeamten bedeutsam sein könnten: Die Durchsuchungsanordnung ist zwar technisch eine „Anordnung des Staatsanwaltes“ (ganz ausnahmsweise auch der Polizei) zur Durchsuchung/Sicherstellung und deshalb – worauf Frau Kamp zutreffend hingewiesen hat – nur ausnahmsweise, nämlich bei „Gefahr im Verzug“ (also nur, wenn sonst eine Beweismittelbeeinträchtigung zu befürchten ist) zulässig. Ein Durchsuchungsbeschluss ist demgegenüber die Entscheidung des Richters durch gerichtlichen (regelmäßig schriftlichen) Beschluss. Dieser hat zwei Teile: Die Entscheidung und deren Begründung. Die StPO enthält zur Pflicht der Aushändigung des richterlichen Beschlusses keine (spezielle) Regelung. § 107 StPO schreibt (zwingend) die Aushändigung der Durchsuchungsbescheinigung und ggf. eines Beschlagnahmeverzeichnisses (jeweils nach Abschluss der Durchsuchung/Sicherstellung) vor. Solche Verzeichnisse sollten von Betroffenen/Zuständigen (ggf. mit Hilfe der Verteidigung) sehr sorgfältig geprüft werden, um nicht nur die spätere (vollständige) Rückgabe sicher zu stellen, sondern auch eine verlässliche Grundlage für (mögliche) Einsichtsgesuche (der Verteidigung) zu schaffen.

  • Die Pflicht der Ermittlungsbeamten, den Durchsuchungsbeschluss (auch mit vollständiger Begründung) auszuhändigen, ergibt sich aus den allgemeinen rechtsstaatlichen/verfassungsrechtlichen Begrenzungen des strafrechtlichen Eingriffs in Grundrechte nach der StPO. Damit ist klargestellt, dass die Übergabe – wie auch die Ausführung der Durchsuchung und Sicherstellung der Beweismittel – nur in den Grenzen der Notwendigkeit zur Beweismittelsicherung zulässig ist und die richterliche Nachprüfung dieser Voraussetzung gewährleistet sein muss. Dies begründet wiederum die Pflicht zur Aushändigung auch des Entscheidungsteils des Beschlusses. In Wirtschaftsstrafsachen werden aber meist mehrere Beschlüsse (die Bank, die Unternehmung, Wohnräume der Beschuldigten/Zeugen u. a.) gleichzeitig beantragt/entschieden und vollzogen oder steht zu erwarten, dass die Durchsuchungen eine Ausweitung des Programms erforderlich macht. Deshalb ist die Gefahr der Information Dritter mit der Folge von Beweismittelbeeinträchtigung meist nicht auszuschließen. Mindestens aber muss das Gericht, der Richter und das Aktenzeichen des Beschlusses sogleich genannt werden, um das Recht des Betroffenen, ein Rechtsmittel einzulegen, zu sichern. Ähnliches gilt auch für die Einschaltung des Rechtsbeistandes zu Beginn der Durchsuchung: Regelmäßig wird ein Zuwarten bis zu dessen Ankunft gefahrbegründend/-erhöhend sein – zumal bei Banken und Unternehmen, weil hier ein Außenkontakt bestenfalls sehr kurzfristig verhindert werden kann (vgl. die Beispiele in meiner Kolumne BP 10/22).

  • Heute will ich nur noch einen Punkt ansprechen: Der Rat, (stets?) „förmlich Widerspruch“ einzulegen und auf (richterliche) Beschlagnahme zu bestehen (oder Beschwerde einzulegen), kann auch zu Nachteilen der Betroffenen führen. Zu Bedenken ist, dass in diesem Fall die Beweismittel zunächst zur StA (zur erneuten Sichtung und zur Antragstellung) und sodann zum (Ermittlungs-)Richter (zur Entscheidung; ggf. danach zur Einlegung von Rechtsmittel und zu deren Entscheidung zum Rechtsmittelgericht) verbracht werden müssen. In dieser Zeit stehen die sichergestellten Beweismittel nicht nur den Ermittlungsbehörden, sondern auch der Verteidigung zur Einsicht und damit zur Konzipierung der Verteidigung nicht zur Verfügung und führen so zur Verlängerung des (vor allem Banken) belastenden (Ermittlungs-)Verfahrens.

 

Liebe Leserinnen und Leser des BankPraktiker, ich bin mir bewusst, dass wir mit unseren beiden Beiträgen (und auch mit meinen „Vorarbeiten“ in den genannten Heften des BP) die Sorgen der Verteidigung für Ihre Mandantschaft und die der zur Sachaufklärung gesetzlich verpflichteten Menschen aus dem Bereich der Strafverfolgungs-Behörden nur sehr partiell ansprechen konnten – es gäbe noch vieles nachzutragen. Mir ist aber wichtig, dass sich alle Beteiligten in dieser kritischen Phase der jeweils anderen Aufgabe bewusst sind und sich nicht von der Annahme grundsätzlichen Misstrauens leiten lassen. Ich hoffe, aufgezeigt zu haben, dass „Sicherungsmaßnahmen“ (beider Seiten!) auch nachteilige Folgen haben können.

Dazu ein letztes (natürlich nur für diese Kolumne) Beispiel: Werden die (im Beschluss/der Anordnung) benannten Beweismittel freiwillig herausgegeben, darf nicht weitergesucht werden. Dann kann bei den Durchsuchungsbeamten auch nicht die Idee aufkommen, das eine oder andere Beweisstück (Schreiben, Urkunde, gespeicherte Daten) sei zusätzlich interessant (für den zugrundeliegenden Verdacht oder einem neu gewonnenen) und es daher als Zufallsfund (§ 108 StPO) gleich zu beschlagnahmen.

Wir, Frau RAin Kamp und ich, freuen uns auf eine Diskussion mit Ihnen, insbesondere auch einem Feedback dazu, ob Ihnen unser neues Format zusagt.


Beitragsnummer: 22475

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