Dr. Daniel Baumgarten, Abteilungsleiter Risiko-Governance, Sparkasse KölnBonn
Sanierungsplanung als Vorbereitung zum Meistern einer Krise aus eigener Kraft
Das Ziel des Sanierungsplans eines Kreditinstituts liegt darin, dieses auf eine mögliche Krisensituation vorzubereiten und anhand eines bereits zuvor vorbereitenden und detaillierten Maßnahmensets sowie der Beseitigung von Umsetzungshindernissen die Sanierungsfähigkeit des Instituts aus eigener Kraft zu ermöglichen und zu sichern.
Als integraler Bestandteil des Krisenmanagements fokussiert sich der Sanierungsplan dabei insbesondere auf die Identifizierung, Prüfung und Beschreibung von geeigneten Handlungsoptionen, die es dem jeweiligen Institut im Krisenfall ermöglichen, die finanzielle Solidität (Kapital und Liquidität) nachhaltig wiederherzustellen und somit den Fortbestand des Instituts – ohne erhebliche negative Auswirkungen auf das Finanzsystem – zu sichern.
Ergänzende aufsichtliche Vorgaben zur Darstellung einer Gesamtsanierungskapazität
Die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (European Banking Authority – EBA) hat 2023 Leitlinien zur Bewertung und Darstellung der sog. Gesamtsanierungskapazität (Overall Recovery Capacity – ORC) in Sanierungsplänen veröffentlicht, die seit dem 11. Januar 2024 auch durch die BaFin verbindlich angewendet werden. Die Leitlinien sollen harmonisierte Vorgaben für die Institute festlegen, damit sie die ORC in ihren Sanierungsplänen angemessen bestimmen können. Daneben schaffen sie Maßstäbe für die Aufsicht, um die ORC der Institute in ihren Sanierungsplänen konkret zu bewerten.
Ziel der Veröffentlichung der ergänzenden Vorgaben ist ein konsistenter Rahmen für die Bestimmung der ORC zur Überwindung der in den Instituten vorliegenden großen Spanne verschiedener Praktiken, die sich nach Einschätzung der Aufsicht aufgrund bisher nicht ausreichend konkreter Vorgaben entwickelt hat.
Gesamtsanierungskapazität als Spannbreite der Wirkung der Handlungsoptionen
Die Gesamtsanierungskapazität beschreibt, inwieweit das Institut zuvor identifizierte Handlungsoptionen nutzen kann, um verschiedene Belastungsszenarien erfolgreich zu bewältigen. Dementsprechend sind die Leitlinien nur für Institute relevant und anzuwenden, deren Sanierungsplan eine Belastungsanalyse mit entsprechenden Szenarien enthält („Sanierungsplan nach vollen Anforderungen“).
Konkret ermittelt die ORC die Spannbreite der minimalen und maximalen Handlungsoptionspotenziale in den einzelnen Belastungsszenarien für die Dimensionen Kapital (CET1, TCR, LR) und Liquidität (LCR, NSFR). Die Ausgangsbasis bildet dabei zum einen eine Liste glaubwürdiger und durchführbarer Handlungsoptionen und zum anderen ein Set von ausreichend schwerwiegenden Belastungsszenarien. Bei der Ermittlung müssen die Institute bei den Kapitalindikatoren einen Zeithorizont von 18 Monaten und bei den Liquiditätsindikatoren einen Zeitraum von sechs Monaten zugrunde legen. Dieser beginnt, sobald die Schwellenwerte der Indikatoren unterschritten werden.
Mit der Einführung der Vorgaben zur ORC ergeben sich folglich ergänzende operative Aufwände in den betroffenen Instituten, die bei der Zeitplanung des Erstellungsprozesses des Sanierungsplans zu berücksichtigen sind. Aus Sicht der Aufsicht liefert die ORC einen inhaltlichen Mehrwert zur Einschätzung des konkreten Genesungspotenzials eines Instituts aus eigener Kraft, indem Indikationen geliefert werden, bis zu welcher Höhe eine bedeutende Verschlechterung der finanziellen Lage ausgleichbar ist.
PRAXISTIPPS
- Frühzeitige Auseinandersetzung mit den neuen Vorgaben zur Gesamtsanierungskapazität und Berücksichtigung bei der zeitlichen Planung des Aktualisierungsprozesses 2024
- Verwendung grafischer und tabellarischer Darstellungen zur Erhöhung der Übersichtlichkeit
- Berücksichtigung von Wechselwirkungen und Haircuts bei den Handlungsoptionen
Beitragsnummer: 22438