Dienstag, 16. Januar 2024

Berücksichtigung von Modellrisiken in der Risikotragfähigkeitsanalyse

Dominik Leichinger, Prüfungsleiter, Referat Bankgeschäftliche Prüfungen 2, Hauptverwaltung in NRW, Deutsche Bundesbank

Die in diesem Beitrag vertretenen Auffassungen geben die persönliche Meinung des Autors wieder und sind nicht notwendigerweise Positionen der Deutschen Bundesbank oder einer anderen Bankenaufsichtsbehörde.

Mit Wegfall des „Annex“[1] zum 01.01.2023 hat ein Großteil der LSI-Institute ihre Risikotragfähigkeitskonzepte auf die normative und ökonomische Perspektive umgestellt. Damit einher ging eine Umstellung bzw. Neueinführung verschiedener Modelle, insbesondere in der ökonomischen Perspektive. Ursächlich hierfür ist die barwertige bzw. bartwertnahe Ausgestaltung, die eine entsprechende Ableitung des Risikodeckungspotentials und Quantifizierung von Risikopotentialen erforderlich macht.

Darüber hinaus wurde mit der am 29.06.2023 veröffentlichten MaRisk-Novelle ein neues Modul (AT 4.3.5) aufgenommen, welches explizit Anforderungen zur Verwendung von Modellen in der Säule II zum Gegenstand hat.[2] Ein zentraler Aspekt in diesem Zusammenhang betrifft die Sicherstellung der Angemessenheit der verwendeten Modelle seitens der Institute. Gemäß AT 4.3.5 Tz. 5 hat sich ein Institut „mit den Grenzen und Beschränkungen, die sich aus den eingesetzten Modellen, den ihnen zugrundeliegenden Annahmen und den darin einfließenden Daten ergeben, kritisch auseinanderzusetzen und eine regelmäßige Validierung der Modelle vorzunehmen.“[3]

Diese umfassende Anforderung, die sich nunmehr auf alle in der Säule II eingesetzten Modelle bezieht, galt mit Bezug zu Methoden und Verfahren im Kontext der Risikotragfähigkeit spätestens mit Inkrafttreten der MaRisk-Novelle aus Ende 2012.[4] Entsprechende Anforderungen des seinerzeitigen AT 4.1 Tz. 8 sollten Institute „den Grenzen und Beschränkungen, die sich aus den eingesetzten Methoden und Verfahren, den ihnen zugrunde liegenden Annahmen und den in die Risikoquantifizierung einfließenden Daten ergeben, hinreichend Rechnung tragen“[5] und eine mindestens jährliche Angemessenheitsüberprüfung vornehmen. 

Während für interne Modelle innerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (CRR) überwiegend dezidierte Vorgaben zur Berücksichtigung von Modellschwächen bestehen, beinhalten die MaRisk keine diesbezüglichen konkreten Anforderungen. Im Kontext von IRB-Verfahren sehen beispielsweise die EBA/GL/2017/16[6] die Ermittlung und Anwendung einer Sicherheitsspanne vor, um Modellmängeln (u. a. Daten- und methodische Mängel) bei der Bestimmung der Eigenkapitalanforderungen konservativ zu begegnen.[7] Die Sicherheitsspannen sind in Form von Zuschlägen auf die Risikoparameter (PD, LGD und CCF) anzuwenden.

Auch bei internen Marktpreisrisikomodellen besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Modellschwächen und zusätzlichen Eigenmittelanforderungen. In Abhängigkeit von der Anzahl von Überschreitungen im Zusammenhang mit aufsichtlichen Rückvergleichen nimmt der vorgesehene Aufschlag bei Ermittlung der Eigenkapitalanforderungen zu.[8] 

Im Kontext der Risikotragfähigkeit sind Modellrisiken unter die operationellen Risiken zu subsumieren.[9] Nach AT 2.2 Tz. 1 MaRisk sind operationelle Risiken grundsätzlich als wesentlich einzustufen. In der Folge sollten sich Institute mit sämtlichen Facetten der operationellen Risiken (inkl. Modellrisiken) im Rahmen der Risikoinventur auseinandersetzen und wesentliche Modellrisiken bei der Analyse der Risikotragfähigkeit berücksichtigen. 

Bereits in der Vergangenheit hat die deutsche Aufsicht auf deutliche Modellschwächen bei den Instituten – etwa bei der Anwendung der Methode der gleitenden Durchschnitte zur Modellierung von Positionen mit unbestimmter Kapital- und/oder Zinsbindungsfrist – hingewiesen.[10] Insbesondere mit Blick auf die ökonomische Perspektive der Risikotragfähigkeit ist die hohe Bedeutung der sachgerechten Ermittlung des Gesamtbankcashflows hervorzuheben. Die Modellierung von variablen Produkten wirkt sich hierbei sowohl auf die Höhe des Risikodeckungspotentials als auch auf die Höhe der quantifizierten Zinsänderungsrisiken aus. 

Neben methodisch/ konzeptionellen Modellschwächen, liegen Ursachen für Modellrisiken nicht selten in Qualitätsmängeln der den Modellen und Verfahren zugrunde liegenden Daten, einer unzureichenden Modell-Governance, oder fehlende bzw. zu gering umfassende Angemessenheitsanalysen seitens der Institute. Zu letzteren zählen etwa notwendige Repräsentativitätsanalysen im Zusammenhang mit verwendeten Pool-Verfahren. 

Im Rahmen des aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses – und damit auch Gegenstand von bankgeschäftlichen Prüfungen – ist die Solidität des ICAAP zu beurteilen.[11] Hierzu zählt auch die Angemessenheit der von den Instituten zur Analyse ihrer Risikotragfähigkeit eingesetzten Methoden und diesbezüglicher Annahmen.[12]

PRAXISTIPPS

  • Aufstellung eines Modell-Inventars und Beurteilung der Komplexität der eingesetzten Methoden und Verfahren
  • Regelmäßige sowie im Bedarfsfall Anlass bezogene Überprüfung der eingesetzten Modelle auf der Grundlage solider Validierungskonzepte
  • Entwicklung von Vorgaben zur (quantitativen) Berücksichtigung von Modellrisiken innerhalb der Risikotragfähigkeit


[1] Vgl. BaFin (2021.12): Aufsichtliche Beurteilung interner Risikotragfähigkeitsverfahren, - Enddatum für die Akzeptanz von Going-Concern-Ansätzen alter Prägung, AT1- und Tier-2-Instrumente in der ökonomischen Perspektive, Bonn, 03.12.2021, erhältlich auf: https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Anlage/dl_20211203_Umstellung_rtf_Verfahren.pdf;jsessionid=4D2B9F304D7817ECC341A1A32698AA8E.2_cid500?__blob=publicationFile&v=3, Abfrage vom 28.12.2023.

[2] Vgl. BaFin (2023.06a): 7. MaRisk-Novelle, Neufassung des Rundschreibens 10/2021 (BA) - Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, Anschreiben an die Spitzenverbände der Kreditwirtschaft, S. 8.

[3]BaFin (2023.06b): Rundschreiben 05/2023 (BA) vom 29.06.2023, AT 4.3.5 Tz. 5.

[4] Vgl. BaFin (2012.12): Rundschreiben 10/2012 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, AT 4.1 Tz. 8.

[5]BaFin (2012.12): Rundschreiben 10/2012 (BA) vom 14.12.2012, AT 4.1 Tz. 8.

[6] Guidelines on PD estimation, LGD estimation and the treatment of defaulted exposures, vom 20.11.2017.

[7] Vgl. EBA (2017.11): Guidelines on PD estimation, LGD estimation and the treatment of defaulted exposures, Abschnitt 4.4.

[8] Vgl. Verordnung (EU) Nr. 575/2013, in der Fassung vom 30.09.2021, Artikel 325b f.

[9] Vgl. EZB (2018.11): Leitfaden der EZB für den bankinternen Prozess zur Sicherstellung einer angemessenen Kapitalausstattung (Internal Capital Adequacy Assessment Process – ICAAP), S. 30.

[10] Vgl. Hannemann, Weigl, Zaruk (2022.05): Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) – Kommentar, 6. Auflage, S. 438.

[11] Vgl. BaFin, Bundesbank (2018.05): Aufsichtliche Beurteilung bankinterner Risikotragfähigkeitskonzepte und deren prozessualer Einbindung in die Gesamtbanksteuerung („ICAAP“) – Neuausrichtung, Rd-Nr. 2.

[12] Vgl. EBA (2022.03): Leitlinien zu gemeinsamen Verfahren und Methoden für den aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess (Supervisory Review and Evaluation Process, SREP) sowie für die aufsichtlichen Stresstests, Rd-Nr. 119a.


Beitragsnummer: 22437

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