Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart
Der Bundesgerichtshof hat zwar am 14.11.2023, XI ZR 88/23, entschieden, dass die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Vertrages unter „Vertragsdauer" festgehaltene Laufzeit von 1.188 Monaten, mithin 99 Jahre, vom Wortlaut her dafürspricht, dass die Parteien eine feste Vertragslaufzeit von 99 Jahren vereinbart haben (Rn. 39–42). Allerdings hat der Bundesgerichtshof zugleich festgehalten, dass das Berufungsgericht durch nochmalige Anhörung der Klägerin als Sparerin sowie durch Vernehmung der von der Sparkasse benannten Zeugen hätte prüfen müssen, ob die Parteien der vom Wortlaut klaren Regelung übereinstimmend eine von ihrem objektiven Sinn abweichende Bedeutung dahingehend beigemessen haben, dass die Angabe der 1.188 Monate keinerlei rechtsverbindlichen Charakter für die Parteien haben sollte (Rn. 44–45). Immerhin habe nämlich das Amtsgericht als Ausgangsgericht allein aufgrund der Angaben der Klägerin festgehalten, dass die Parteien hinsichtlich der Laufzeit von 1.188 Monaten keinen Rechtsbindungswillen hatten, die Angabe der 1.188 Monaten vielmehr, weil IT-technisch bedingt, keine praktische Auswirkung auf die Laufzeit des Vertrages haben sollte (Rn. 48).
Wegen dieser fehlerhaften prozessualen Vorgehensweise des Berufungsgerichts wurde das zu Gunsten der Sparerin ergangene Urteil des LG Nürnberg aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Beweisaufnahme zurückverwiesen (Rn. 51).
PRAXISTIPP
Vorstehende BGH-Entscheidung hat zur Folge, dass nicht nur das Berufungsgericht, sondern die mit ähnlichen Fällen befassten Gerichte nunmehr in jedem Einzelfall separat werden prüfen und entscheiden müssen, ob die Parteien eine vom Wortlaut (Vertragslaufzeit 1.188 Monate) abweichende Vereinbarung getroffen haben, was die Sparkasse zu beweisen hat. Es wird also vor allem darauf ankommen, wie „gut“ die Sparer von ihren Anwälten in Bezug auf die von ihnen zu tätigende Parteiaussage „vorbereitet“ werden, und ob die Sparkasse die an sich nachvollziehbare Gegebenheit durch Zeugen und/oder Dokumente belegen kann, wonach die Aufnahme der 1.188 Monate bei der Umstellung der Verträge reine IT-technische Gründe hatte und an der bereits früher vereinbarten Laufzeit nichts verändern sollte.
Beitragsnummer: 22432