Montag, 15. Januar 2024

Kosten-Klausel in Riester-Sparvertrag unwirksam

Robin Kienitz, Rechtsanwalt, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

 

Der XI. Zivilsenat des BGH hat dem OLG München (Urteil vom 20.10.2022, Az. 29 U 2022/21, BeckRS 2022, 45584) sowie dem LG Dortmund (Urteil vom 28.07.2020, Az. 25 O 8/20, BeckRS 2020, 62510) folgend in seinem Urteil vom 21. 11. 2023, (Az. XI ZR 290/22 BeckRS 2023, 36451) entschieden, dass die in den Sonderbedingungen einer Sparkasse für Riester-Verträge enthaltene Klausel „Im Falle der Vereinbarung einer Leibrente werden dem Sparer ggf. Abschluss- und/oder Vermittlungskosten belastet“ eine Vertragsbedingung i. S. v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB darstellt und die Klausel gegen das Transparenzgebot verstößt, mit der Folge, dass sie im Verkehr mit Verbrauchern gem. § 307 Abs. 1 S. 1 und 2 BGB unwirksam ist.

In diesem Zusammenhang hat der BGH klargestellt, dass die Klausel nicht lediglich einen unverbindlichen Hinweis zum Zweck der Erfüllung einer Informationspflicht nach dem AltZertG darstellt, sondern eine Vertragsbedingung i. S. v. § 305 Abs. 1 BGB. Dies deshalb, weil der rechtlich nicht vorgebildete durchschnittliche Sparer, auf welchen es ankommt, die Klausel dahin verstehe, dass der Sparkasse im Fall der gewählten Leibrente das Recht eingeräumt werden soll, Abschluss- und/oder Vermittlungskosten vom Sparer zu verlangen (Rn. 17). Darüber hinaus lasse sich aus der Formulierung „ggf.“ nicht ableiten, dass die Sparkasse lediglich Informationspflichten erfüllen wolle (Rn. 17). Zudem stützt sich der BGH auf die kontextuale Einbettung der Klausel. So spreche die Bezeichnung des Klauselwerks als Sonderbedingungen dafür, dass die hierunter enthaltenen Klauseln den Vertragsinhalt regeln (Rn. 18–20). Weiter hat der BGH konsequenterweise entschieden, dass die Klausel gegen das Transparenzgebot verstößt, weil der Verbraucher die sich aus der Klausel ergebenden wirtschaftlichen Folgen nicht absehen könne (Rn. 25).

Das Urteil dürfte weit über 700.000 Sparverträge betreffen, da die beklagte Sparkasse ihre Riester-Sparverträge bundesweit anbot und davon auszugehen ist, dass weitere Kreditinstitute ähnliche Klauseln verwendet haben (vgl. Handelsblatt v. 22.11.2023, S. 28).


PRAXISTIPP

Dass eine Klausel, die weder die Voraussetzungen für den Anfall von Kosten noch konkrete Parameter für die Kostenhöhe bezeichnet, gegen das AGB-rechtliche Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 BGB verstößt, verwundert nicht und ist folgerichtig. Problematisch ist stattdessen die Frage, ob überhaupt eine kontrollfähige Klausel i. S. v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB betroffen ist oder ob die Formulierung nicht vielmehr einen bloßen unverbindlichen Hinweis darstellt, der sich mangels eines Regelungsinhalts einer AGB-Kontrolle entzieht. Die Frage stellt sich umso mehr, wenn den Klauselverwender, wie im betroffenen Fall auch aus § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 AltZertG, eine rechtliche Informationspflicht trifft, entsprechende Kosten also nur verlangt werden können, wenn der Vertragspartner zuvor hierauf hingewiesen wurde. So hat das OLG Zweibrücken in seinem Urteil vom 06.07.2022, Az. 7 U 106/20, den Regelungsgehalt der vorbezeichneten Klausel unter Heranziehung der Formulierung „ggf.“ mit überzeugender Argumentation verneint.

Der BGH stellt in ständiger Praxis bei der Abgrenzung von Regelungsinhalt zu bloßem Hinweis auf den Empfängerhorizont eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden und die dabei typischerweise gegebenen Verhältnisse ab (Rn. 14). Vor dem Hintergrund dieser verbraucherfreundlichen Maßstäbe ist zu konstatieren, dass die Rechtsprechung im Zweifelsfall dazu tendieren wird, aus Verbraucherschutzaspekten den Regelungsinhalt einer Klausel zu bejahen. Nachdem die Klausel für unwirksam erklärt wurde und so weit auch sonst keine Hinweise über zu erhebende Kosten erteilt wurden, dürfte es den betroffenen Kreditinstituten im Fall der Anwendbarkeit des AltZertG schwerfallen, vom Sparer entsprechende Kosten zu verlangen. Dies deshalb, weil solchen Ansprüchen die Vorschrift des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 AltZertG entgegenstehen dürfte. Kautelarjuristen sollten nach der vorbezeichneten Entscheidung unverbindliche Hinweise stets durch klarstellende Formulierungen kennzeichnen, um rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden. Zudem verdeutlicht die Entscheidung, dass die Rechtsprechung bei der Auslegung neben dem zuvörderst heranzuziehenden Wortlaut auch den jeweiligen Kontext, in welchen die fragliche Klausel eingebettet ist, maßgeblich heranzieht, was der Klauselverwender bei der Erstellung von AGB zukünftig zu beachten haben wird.


Beitragsnummer: 22431

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