Montag, 15. Januar 2024

Keine Verjährungshemmung bei Güteantrag

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

 

Der Bundesgerichtshof hat bereits im Jahr 2015 entschieden, dass die Einreichung eines Güteantrags i. S. v. § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB dann rechtsmissbräuchlich ist, wenn schon vor Einreichung des Güteantrags feststeht, dass der Antragsgegner nicht bereit ist, an einem Güteverfahren mitzuwirken und sich auf eine außergerichtliche Einigung einzulassen (BGH, Urteil vom 28.10.2015, IV ZR 526/14; so auch OLG München, Urteil vom 19.10.2017, 23 U 1961/16 mit Anm. Deiß/Graf, GWR 2017, 454) mit der Konsequenz, dass in einem solchen Fall die Verjährung durch die Einreichung des Güteantrages nicht gehemmt wird.

 

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat im Anschluss hieran festgehalten, dass diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann gilt, wenn der Antragsgegner anlässlich anderer Fälle hiervon Kenntnis erlangt (OLG Stuttgart, Urteil vom 23.09.2016, 6 U 90/16).

 

Nunmehr hat das Landgericht Dresden in einem noch nicht rechtskräftigen Urteil vom 01.12.2023, 9 O 2792/21 klargestellt, dass man die vom Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 28.10.2015 entwickelten Grundsätze nicht in die Richtung missverstehen dürfe, dass ein Antragsgegner im Vorfeld auch eindeutig erkennen lassen muss, nicht an einem Güteverfahren mitzuwirken. Vor dem Hintergrund des durch den Bundesgerichtshof nämlich zu entscheidenden Sachverhalts müssten die Ausführungen des Bundesgerichtshofs vielmehr so verstanden werden, dass bereits eine eindeutig zum Ausdruck gebrachte Weigerung, sich auf eine außergerichtliche Einigung einzulassen, die Weigerung in sich einschließt, an einem Güteverfahren mitzuwirken mit der Konsequenz, dass die Anrufung einer Schlichtungsstelle trotz im Vorfeld deutlich zum Ausdruck gebrachter Ablehnung des Antragsgegners eine Hemmung der Verjährung nicht zu begründen vermag (LG Dresden, Urteil vom 01.12.2023, 9 O 2792/21, S. 6 f.).

 

In diesem Zusammenhang erinnert das Landgericht Dresden noch daran, dass der Bundesgerichtshof ebenfalls bereits im Jahr 2015 klargestellt hat, dass eine Hemmung der Verjährung auch dann nicht eingreift, wenn bei Einleitung eines Güteverfahrens oder der Anrufung einer Schlichtungsstelle der Anspruch nicht ausreichend individualisiert wurde (BGH, Urteil vom 18.06.2015, III ZR 198/14 sowie BGH, Urteil vom 01.10.2020, III ZR 60/19; zur zwingend auch im Mahnverfahren zu erfolgenden Individualisierung des Anspruchs vgl. BGH, Urteil v. 07.06.2023, VII ZR 594/21 WM 2023, 2234).

 


PRAXISTIPP

 

Die Entscheidung des Landgerichts Dresden macht einmal mehr deutlich, dass sowohl das Gericht von Amts wegen als auch Parteivertreter stets genau prüfen müssen, ob bereits vor Einreichung eines Güteantrages sowie vor Anrufung einer Streitbeilegungsstelle/Schlichtungsstelle eine klare dahingehende Positionierung des Antragsgegners erfolgte, an einer außergerichtlichen Einigung kein Interesse zu haben. Zudem sollte immer wieder geprüft werden, ob der Güteantrag oder der entsprechende Schlichtungsantrag ausreichend individualisiert i. S. d. BGH-Rechtsprechung ist. Denn nur wenn Letzteres der Fall ist und keine klare Verweigerungshaltung vor Einreichung des Güteantrags sowie der Anrufung der Streitbeilegungsstelle erfolgt ist, tritt die Hemmung der Verjährung ein.


Beitragsnummer: 22427

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