Sarah De Blasi, Syndikusrechtsanwältin, Leitung Aufsichtsrecht, DekaBank Deutsche Girozentrale
I. Einleitung
Der Einsatz von Blockchain-Technologien im Bankengeschäft zielt nicht nur auf das Angebot neuer Produkte und Dienstleistungen ab, sondern auch auf die Optimierung existierender Prozesse.[1] Ein besonders hohes Potential wird in diesem Zusammenhang dem Einsatz von Blockchain-Technologien in der Abwicklung von Zahlungs- und traditionellen Wertpapiergeschäften zugeschrieben. Dieses Potential haben Zentralbanken bereits frühzeitig erkannt und im Laufe der Jahre unterschiedliche Studien zur Möglichkeit DLT-basierter Abwicklung von Zahlungs- und Wertpapiergeschäften ins Leben gerufen.[2] Diese Studien finden in der Schaffung von digitalem Zentralbankgeld für Finanzintermediäre (wholesale central bank digital currency, abgekürzt „wCBDC“) zumindest konzeptionell ihre Vollendung.
Gelingt es, liquide Vermögenswerte auf einem verteilten Datensystem verlässlich abzubilden und zu übertragen, liegen die potentiellen Effizienzvorteile auf der Hand. Es würde beispielsweise ermöglichen, das Liquiditätsmanagement von Finanzmarktteilnehmern zu optimieren und dadurch Liquiditätspuffer aufzulösen. Wenn Sicherheiten einfacher mobilisiert werden können, können etwa vorübergehend nicht benötigte Wertpapiere temporär verliehen werden und so Erträge generieren.[3] Daher verwundert es nicht, dass bereits vor dem Digital Finance Package der Europäische Kommission[4] viele DLT-Projekte im Finanzmarkt vor allem im Nachhandelsbereich angesiedelt waren.[5]
Ziel dieses Beitrags ist es, die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine DLT-basierte Abwicklung von Wertpapiergeschäften aufzuzeigen. Die jeweils zur Anwendung kommenden digitalen Abbildungen auf der Blockchain werden in einem gesonderten Beitrag aufsichtsrechtlich untersucht und zwar im Lichte der neuen Regulierung, die in Deutschland zuletzt mit dem Entwurf eines Finanzmarktdigitalisierungsgesetzes vervollständigt wurde.
II. Rechtliche Rahmenbedingungen für eine DLT-basierte Abwicklung von Wertpapiergeschäften
Wenn Aufträge für den Kauf oder Verkauf von Wertpapieren ausgeführt werden, wird noch kein Eigentum an diesen Wertpapieren übertragen. Die eigentliche Übertragung von Wertpapieren findet in der Regel in den Depotkonten der Depotbanken statt und kommt erst nach dem Abschluss des Handelsgeschäfts ins Spiel. Daher wird die Lieferung des Wertpapiers (Settlement) dem sog. Nachhandel zugeordnet.
Die Abläufe im Nachhandel sind ausgesprochen arbeitsteilig und erfassen komplexe Prozessschritte zwischen einer Vielzahl an Intermediären, die alle am Lebenszyklus eines Wertpapiers beteiligt sind: Emittenten, registerführende Stellen, Emissionsstellen, Übertragungsstellen, Verwahrer und Zwischenverwahrer, Handelsplätze und Broker, Clearinghäuser oder Zentrale Kontrahenten.
Traditionelle Finanzmarktinfrastrukturen sind so organisiert, dass eine zentrale Institution Konten mit den jeweiligen Intermediären unterhält, die Wertüberträge an die zentrale Instanz melden, die ein System zentral betreibt.[6] Dies verursacht einen hohen Abstimmungsbedarf unter den besagten Intermediären. Führt man sich vor Augen, dass ein „Distributed Ledger“ im Grunde eine verteilte Datenbank ist, die Teilnehmern eines Netzwerks eine gemeinsame Schreib, Lese- und Speicherberechtigung erlaubt, liegt es nahe, dass eine gemeinsame Datenhaltung das Potential hat, diese Abstimmungsprozesse wesentlich zu verschlanken.[7]
Im Folgenden werden rechtliche Rahmenbedingungen für eine DLT-basierte Abwicklung von Wertpapiergeschäften aufgezeigt. Dabei werden unterschiedliche Ansätze dargestellt, die sich vor allem hinsichtlich des unterschiedlichen Grades an Dezentralität unterscheiden. Auch wird danach differenziert, ob Finanzinstrumente an Handelsplätzen gehandelt werden oder außerhalb davon. [...]
Beitragsnummer: 22417