Prof. Dr. Wolfgang Portisch, Bank- und Finanzmanagement an der Hochschule Emden/Leer,
Dr. iur. Friedrich L. Cranshaw, Rechtsanwalt, vorm. Banksyndikus/Direktor, Mannheim/Mutterstadt, Depré RECHTSANWALTS AG, Mannheim.[1]
I. Einleitung
Die in China bestehende Immobilienkrise hat jedenfalls in den Anfängen ein Pendant auch in Deutschland. Das erhöhte Zinsniveau und gestiegene Baukosten verteuern die Vorfinanzierung von Immobilienprojekten, die Endfinanzierung sowie die Gesamtkosten bei Kunden. Die Nachfrage nach jeglicher Art von Immobilie ist regelrecht eingebrochen, teilweise geben bereits die Preise stark nach. Im Alternativenvergleich zu anderen Vermögensanlagen sind Renditen von Immobilieninvestments über laufende Mieterträge in Relation zum Kapitaleinsatz nicht mehr interessant. Chancen, attraktive Renditen über Wertsteigerungen zu realisieren, sind ebenfalls weitgehend dahin. Aufgrund des Diskontierungseffekts laufender Mieterträge müssen die Objektpreise weiter sinken. Dies betrifft Privatimmobilien wie auch gewerbliche Einheiten, im Gewerbe- wie im Wohnungsimmobiliensegment. Bei alternativen Anlagen in Termingeldern und Kapitalmarktanleihen werden mittlerweile attraktive Zinsen geboten, bei einschätzbaren Risiken, planbaren Fälligkeiten auf liquiden Märkten wie bei Anleihen, die einen Ein- und Ausstieg aus dem Investment zu geringen Transaktionskosten gewährleisten. Auch offene oder geschlossene Fonds sind von Krisenanzeichen betroffen. Indizien für eine Abkühlung zeigen sich in einer Reihe ganz unterschiedlicher Staaten.
II. Mehr als nur erste Anzeichen einer Immobilienkrise auch in Deutschland
Die Signale einer Schieflage im Immobiliensektor in allen Teilsegmenten mehren sich seit Beginn des Jahres 2023 zusehends.[2] In Deutschland haben die ersten Immobilienentwickler wie Development Partner, Project-Gruppe, Euroboden[3] und Gerch[4] Insolvenzantrag gestellt. Auch die international tätige Adler Group befindet sich seit längerer Zeit in der Krise und hatte erhebliche Schwierigkeiten, einen Abschlussprüfer für den Konzernjahresabschluss 2022 zu finden.[5] Die Prüfung ist aber Grundlage für Kreditprolongationen und die Einigung mit Anleihegläubigern.
Das aktuelle Beispiel im Herbst 2023 ist die international agierende Signa-Gruppe um den österreichischen Akteur René Benko,[6] die in einer außerordentlich verschachtelten Unternehmensstruktur in meist attraktiven Lagen deutscher Großstädte, auch über ihre einzelnen Gesellschaften, prägende Immobilien bewirtschaftet bzw. errichtet(e),[7] man denke etwa an dem Hamburger Elbtower, aber auch an den erneuten Zusammenbruch von Galeria Kaufhof (Signa-Gruppe).[8]
Jüngst (November 2023) wurde von der Abwertung der Immobilien eines großen offenen Immobilienfonds mit Positionen insbesondere in Deutschland und europaweit sowie in den USA um elf Prozent des Verkehrswertes durch die dortigen Gutachter berichtet. Das lässt sich, da ein Einzelfall, ebenso wie andere Krisenfälle der großen Immobilienbranche, nicht generalisieren, aber die allgemeinen Krisensymptome häufen sich.[9]
Der chinesische Immobilienmarkt mit erheblicher Bedeutung für die dortige Gesamtwirtschaft ist in einer tiefen Krise, die Regierung möchte, wie der deutschen Presse zu entnehmen ist, 50 Konzerne durch staatliche Mittel stützen.[10] Die Unternehmensnamen „Evergrande“[11] und „Country Garden“[12] sind Symbole der Krise geworden. Anknüpfungspunkte für ausländische Gläubiger sind insbesondere Auslandsanleihen dieser Unternehmen und Fremdwährungsfinanzierungen, die Ausstrahlungen gegebenenfalls auch international zeigen können.
Der türkische Immobilienmarkt, um ein Beispiel aus einem anderen Staat mit Immobilienkrise anzuführen, sei in einer „verheerenden Lage“, er sei „leer gefegt, aber umso stärker angespannt“ mit einer erheblichen Teuerungswelle für inländische Kunden des Landes.[13] [...]
Beitragsnummer: 22403