Donnerstag, 30. November 2023

Fachkräftemangel – nur Problem oder auch Chance?

Klagen über Fachkräftemangel sind alltäglich geworden. Die aktuelle Situation kann aber auch Chancen bieten, die Institute neu aufzustellen und zukunftssicher zu machen.

Thomas Maurer, Leiter Interne Revision, Münchner Bank eG

 

Der Fachkräftemangel trifft mittlerweile nahezu die gesamte Wirtschaft. Wir alle merken es im Alltag in verschiedenen Situationen, sei es in der Arztpraxis, die telefonisch kaum noch zu erreichen ist oder im Nahverkehr, wenn mal wieder der Bus oder die Bahn mit dem Hinweis auf Personalmangel nicht planmäßig fahren. In der Bankenbranche wird es ebenfalls immer schwieriger, freie Stellen zu besetzen, auch wenn diese durchaus attraktiv und ordentlich vergütet sind. Hinzu kommt ein immer härterer Wettbewerb um die wenigen Menschen, die sich überhaupt noch für eine Bankkarriere interessieren. Dies alles führt zu einer deutlich erhöhten Fluktuation unter den Mitarbeitenden, die die Banken bislang in dieser Dimension nicht kannten. Selbst langjährige Kolleginnen und Kollegen zeigen sich plötzlich offen für Stellenangebote. Das Alter oder die Gehaltsvorstellungen, bislang die Kriterien schlechthin, spielen immer weniger eine Rolle beim Rennen um die spärlichen Bewerber. In der Folge steigen tendenziell auch die Personalkosten an. Neben höheren Gehältern müssen auch höhere Personalbeschaffungs- und Ausbildungskosten einkalkuliert werden. Richtig kritisch wird es dann, wenn bestimmte Schlüsselpositionen nicht oder nicht rechtzeitig nachbesetzt werden können. Dies beginnt im Filialbetrieb, wenn die aus Sicherheitsgründen vorgegebene Mindestbesetzung nicht mehr gewährleistet werden kann und im Extremfall Filialen temporär geschlossen werden müssen und setzt sich in den Spezialistenpositionen im Betriebsbereich fort, dort insbesondere ganz aktuell im Meldewesen oder dem IT-Bereich. Temporär können solche Engpässe durch Mehrarbeit und Zukauf von Leistungen kompensiert werden, auf Dauer jedoch kann daraus ein wirtschaftlicher Schaden entstehen, der die Ertrags- und Eigenkapitalsituation belastet. 

Die Gründe für die Misere sind vielfältig. Beispielhaft können ein jahrelanger übertriebener Sparkurs der Institute, Rückstände in der Digitalisierung, starre Hierarchien und verkrustete Strukturen genannt werden. Verändert haben sich auch das Verhalten und die Erwartung der Kunden und die Lebenseinstellung der Bevölkerung, insbesondere in den nachrückenden Generationen. Vielfach steht die Arbeit als Selbstzweck nicht mehr im Mittelpunkt der Lebens- und Karriereplanung. Plötzlich geistert der Begriff der „Work-Life-Balance“ durch die Medien und die Vorstellungsgespräche. Damit können viele Personaler und Führungskräfte oft nur wenig anfangen und tun sich in der Folge entsprechend schwer, die ausgeschriebenen Stellen adäquat zu besetzen. Das dürfte auch in den kommenden Jahren nicht einfacher werden. Betrachtet man die dynamische Entwicklung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben und die Erwartungshaltung hinsichtlich der detailgenauen Umsetzung in den Instituten, werden die Anforderungen an die Qualifikation und die praktische Erfahrung der Mitarbeitenden wohl weiter steigen und tendenziell mehr und besseres Personal bedingen. Hinzu kommt die Entwicklung der Bevölkerungspyramide. Viele der aktuellen Leistungsträger in den Banken werden sich in den nächsten Jahren in den Ruhestand verabschieden. Dies häufig auch vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze. Der Handlungsdruck dürfte somit weiter zunehmen. 

Die Problemstellung ist so weit hinreichend bekannt und beschrieben, bleibt die Frage, was zu tun ist, um einen dauerhaften Ausweg aus dem Dilemma zu finden. 

Die Fokussierung allein auf die Gehaltsfrage wird dem Problem sicher nicht gerecht. Natürlich gehört ein angemessenes Gehalt nebst einer leistungsorientierten Komponente zu den Grundvoraussetzungen, um Mitarbeiter zu halten und zu gewinnen. Viel wichtiger erscheint die Frage, wie eine für beide Seiten förderliches Arbeitsumfeld geschaffen werden kann. Dies beginnt mit der noch häufig vorherrschenden Erwartung, dass selbstverständlich die Bereitschaft zu regelmäßigen Überstunden vorausgesetzt wird. Mitarbeitende, die pünktlich Feierabend machen und die Gleitzeitregelungen voll ausnutzen, werden nicht selten argwöhnisch betrachtet und als leistungsunwillig eingestuft und haben es bei Beförderungen schwer. Hier sollten Personalleiter und Führungskräfte dringend umdenken, wenn sie am Arbeitsmarkt erfolgreich agieren wollen. Auch die Führung mit, oft unrealistischen, Zielen und jährlichen Beurteilungsgesprächen macht die Sache nicht besser. Zielvereinbarungsprozesse außerhalb der Vertriebsbereiche sind häufig schwierig und meist auch sinnlos. Führungskräfte und Mitarbeitende suchen händeringend nach irgendwie messbaren Zielen, die man vereinbaren kann. Ob eine Erreichung dieser Ziele zur Erfüllung der strategischen Ziele des Instituts beträgt, spielt dabei häufig nur eine sehr untergeordnete Rolle. Auch das von vielen gefürchtete Jahresgespräch zur Zielerreichung und Beurteilung bringt die Unternehmen nur selten wirklich weiter. Dies sollte schleunigst auf den Prüfstand.

Flexible und großzügige Möglichkeiten zum mobilen Arbeiten, bei Bedarf auch aus dem Ausland, die Möglichkeit zur Umwandlung von Gehalt in Freizeit, Angebote zur Kinderbetreuung, Teilzeitmodelle, angemessene Fahrtkostenzuschüsse kombiniert mit einer umweltverträglichen Dienstwagenregelung sind darüber hinaus nur einige wenige Beispiele, mit denen eine echte Motivation der Mitarbeitenden erreicht werden kann. Wichtig sind darüber hinaus eine offene Kommunikation im Unternehmen, eine konstruktive Fehlerkultur und durchlässige Karrierewege. Unabdingbare Basis für eine erfolgreiche Personalpolitik ist aber die Abkehr von einer hierarchisch orientierten Misstrauenskultur mit umfassender Kontrolle, wie sie leider in nicht wenigen Unternehmen noch vorherrscht. Hier ist Kreativität von allen Beteiligten gefordert. Werden die Veränderungen aber konsequent und zeitnah in die Wege geleitet, wird der Erfolg nicht lange auf sich warten lassen.

 

PRAXISTIPPS

  • Stellen Sie ihre aktuellen Personal- und Führungsstrukturen auf den Prüfstand
  • Überprüfen Sie Arbeitszeitmodelle, Vergütungsstrukturen und Anreizsysteme
  • Nutzen Sie intensiv die sozialen Medien im Personalbereich

Beitragsnummer: 22398

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