Donnerstag, 16. November 2023

Informationsanspruch i. S. d. Folgenbeseitigungsanspruchs nach § 8 UWG

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

 

Im Zusammenhang mit durch Verbraucherverbände erhobenen Unterlassungsklagen betreffend AGB-rechtlich unwirksame Entgeltklauseln gehen Verbraucherverbände immer mehr dazu über, zu versuchen, die Kreditinstitute im Wege des Folgenbeseitigungsanspruchs nach § 8 UWG dazu zu zwingen, ihre Kunden über die Unwirksamkeit der Entgelt-Klauseln zu informieren oder gar ihren Kunden die zu Unrecht vereinnahmten Entgelte zurückzuzahlen. 

Bestehen beim Begehren nach Rückzahlung der Entgelte im Wege der Folgenbeseitigung nach § 8 UWG ganz erhebliche Bedenken (vgl. hierzu nur OLG Düsseldorf, Urteil v. 30.03.2023, 20 U 16/22 Rn. 31; Kruis, ZIP 2019, 393, 397 ff.; Schultheiß, WM 2019, 9, 15; Osburg, VuR 2019, 462, 468), scheinen Instanzgerichte dazu überzugehen, ohne große Prüfung des Vorliegens weitere Voraussetzungen bei unwirksamen Entgeltklauseln einen Anspruch auf Informationen der Kunden zu bejahen (vgl. nur OLG Celle, Beschluss v. 27.03.2019, 3 U 3/19, BeckRS 2019, 11630 Rn. 38 ff.). Diese Sichtweise begegnet erheblichen Bedenken.

 Was den geltend machten Folgenbeseitigungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG anbelangt, so ist diesbezüglich in rechtlicher Hinsicht zunächst festzustellen, dass seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.12.2017, I ZR 184/15, feststeht, dass ein solcher neben dem Unterlassungsanspruch nach § 1 UKlaG bestehen kann, § 1 UKlaG somit keine entsprechende Sperrwirkung entfaltet, sondern beide Ansprüche nebeneinanderstehen (Rn. 40–51; bestätigend BGH, Urteil vom 31.03.2021, IV ZR 221/19, Rn. 50 ff.), wobei der Bundesgerichtshof allein und ausschließlich aus § 8 UWG einen Anspruch auf Information des Verbrauchers über die Klauselunwirksamkeit bisher hergeleitet hat, (so BGH, Urteil vom 14.12.2017, a. a. O., Rn. 52 ff., wobei er den Anspruch auf Nachweis der vollständigen Versendung der Informationsschreiben abgelehnt hat; ähnlich auch BGH, Urteil vom 31.03.2021, a. a. O., Rn. 55).

Wie der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 14.12.2017 weiter hervorgehoben hat, führt die AGB-rechtliche Unwirksamkeit einer Klausel nicht automatisch zu einem Anspruch auf Folgenbeseitigung nach § 8 Abs. 1 UWG. Vielmehr muss das mit dem konkreten Fall betraute Gericht in einem solchen Fall prüfen, ob die Voraussetzungen einer unlauteren geschäftlichen Handlung gemäß § 3 Abs. 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs gemäß § 4 Nr. 11 UWG a.F., § 3 a UWG erfüllt sind, (BGH, Urteil vom 14.12.2017, a. a. O., Rn. 41). Auch die Instanz-Rechtsprechung sieht dies genauso. So hat das OLG Celle in seiner Entscheidung vom 27.03.2019, 3 U 3/19, BeckRS 2019, 11630 hervorgehoben, dass der Folgenbeseitigungsanspruch keine zwingende und erst recht keine voraussetzungslose Entscheidung bei festgestellter Unwirksamkeit von AGB darstellt (Rn. 38), weswegen die bloße Unwirksamkeit einer Klausel unter Berücksichtigung der sich vom UKlaG gegenüber dem UWG unterscheidenden Intention für einen Folgenbeseitigungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG nicht genügt, es vielmehr auf den Gebrauch der unwirksamen Klausel und dessen Folgen nebst Umfang der Beeinträchtigung ankommt, weswegen der Umfang der Beeinträchtigung zur Bejahung eines Folgenbeseitigungsanspruches eine gewisse Intensität aufweisen muss (Rn. 40; bestätigend Osburg, VuR 2019, 462468, welcher darauf hinweist, dass der erforderliche Verstoß im Sinne des § 3 a UWG auch geeignet sein muss, die Interessen der Verbraucher spürbar zu beeinträchtigen und dass demgemäß im Rahmen der Verhältnismäßigkeit eine umfassende Interessenabwägung und insbesondere das Verschulden des Beseitigungsschuldners zu berücksichtigen ist; so auch Schultheiß, WM 2019, 9, 13 f., welcher ergänzend darauf hinweist, dass ein Folgenbeseitigungsanspruch bezogen auf Entgelte dann zu verneinen ist, wenn die Vereinnahmung dieser Entgelte bis zur höchstrichterlichen Klärung rechtlich vertretbar war sowie dann, wenn, wie bei Bausparverträgen auch, die AGB-Klauseln von der Aufsichtsbehörde genehmigt und nach Prüfung unbeanstandet geblieben sind; ähnlich auch Kruis, ZIP 2019, 393 ff.; Baldus/Siedler, BKR 2018, 412, 414 f. betonen ebenfalls, dass ein Verhalten nur dann unlauter i. S. v. § 3 a UWG ist, wenn dieses Verhalten geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern spürbar zu beeinträchtigen).

Hinzukommt, dass in diesem Zusammenhang Sinn und Zweck von § 8 UWG zu berücksichtigen ist, wonach es bei diesem nicht darum geht, einen durch die Verwendung der beanstandeten Klausel verursachten Schaden zu ersetzen oder die Verbraucher von den Folgen einer von ihnen bereits getroffenen Fehlentscheidung zu schützen. Beim Folgenbeseitigungsanspruch geht es vielmehr allein darum, eine von der unwirksamen Klausel weiterhin ausgehende Gefährdung für die Zukunft zu unterbinden. Damit bezieht sich der Folgenbeseitigungsanspruch allein auf die Abwehr einer bereits eingetretenen, aber fortwirkenden Beeinträchtigung in Gestalt einer Gefährdung der Verbraucherinteressen und damit um eine Gefahrenbeseitigung und nicht um reine Folgenbeseitigung (vgl. hierzu BGH v. 31.03.2021, IV ZR 221/19 Rn. 55; NJW 2021, 2193, 2197; Köhler, WRP 2019, 269, 272 Rn. 25; ähnlich Osburg, ZBB/JBB 2019, 384, 392).

Unter Berücksichtigung vorstehender auch vom Bundesgerichtshof anerkannten Grundsätze kann bei unwirksamen Entgeltklauseln in der Regel weder von einer fortbestehenden Gefährdung des Kunden für die Zukunft noch von einer spürbaren unlauteren Beeinträchtigung des Kunden i. S. v. § 3 a UWG und,   jedenfalls in den allermeisten Fällen, erst recht nicht von einem irgendwie gearteten Verschulden des Kreditinstituts gesprochen werden, weswegen der Verbraucher, vom Sinn und Zweck des Folgenbeseitigungsanspruchs nach §8 UWG ausgehend, nicht über unwirksame Entgeltklauseln informiert werden muss; dies deshalb, weil bei solchen Klauseln eine Gefährdung für die Zukunft bereits dadurch vermieden und ausgeschlossen wird, dass die Kreditinstitute nach Ergehen einer entsprechenden BGH-Entscheidung die Entgelte nicht mehr berechnen und erheben und sich auch nicht mehr darauf berufen. 


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