Donnerstag, 16. November 2023

Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung & Beweislast

Carsten Sieper, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Frankfurt a. M.

 

Im Rahmen von Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen sind oftmals Sondertilgungsmöglichkeiten für den Darlehensnehmer vereinbart. Diese schmälern die geschützte Zinserwartung des Darlehensgebers im Rahmen der Ermittlung einer Vorfälligkeitsentschädigung. Denn zukünftige Sondertilgungsmöglichkeiten sind dabei zugunsten des Darlehensnehmers als in vollem Umfang ausgeübt zu unterstellen (BGH, Urteil vom 19.01.2016 – XI ZR 288/14).

Indessen steht oft im Streit, ob die Berücksichtigung von (vereinbarten) Sondertilgungsmöglichkeiten auch im Rahmen der Angaben gem. Art. 247 § 7 Abs. 2 Satz 1 EGBGB i. V. m. 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB erwähnt werden muss, mithin es sich um „wesentliche Parameter“ der Berechnung handelt, die auch bei einer Darstellung in „groben Zügen“ nicht unerwähnt bleiben dürfen (allgemein dazu: BGH, Urteil vom 05.11.2019 – XI ZR 650/18).

Die obergerichtliche Rechtsprechung ist hierzu uneinheitlich. Während in Entscheidungen des OLG Stuttgart (Urteil vom 23.02.2022 – 9 U 168/21) oder des OLG Frankfurt/M. (Urteil vom 13.08.2021 – 24 U 270/20) Angaben zur Berücksichtigung von Sondertilgungsmöglichkeiten bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung als entbehrlich angesehen worden sind, gibt es Entscheidungen, die das anders beurteilen (z. B. OLG Saarbrücken, Urteil vom 26.01.2023 – 4 U 134/21).

Ein weiterer Senat des OLG Frankfurt/M. hat sich nun aktuell mit Beschluss vom 23.08.2023 zu 3 U 117/23 der erstgenannten Sichtweise angeschlossen beziehungsweise diese bestätigt und ausgeführt, dass das Fehlen der Berücksichtigung der Sondertilgungsmöglichkeit keinen Fehler durch eine unvollständige und widersprüchliche Darstellung der Berechnungsmethode darstelle.

In dem erwähnten Beschluss, dem ein Verfahren auf Rückforderung geleisteter Vorfälligkeitsentschädigung zugrunde lag, führte der Senat zudem aus, dass im Rückforderungsprozess der Kläger für eine angeblich unrichtige Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung darlegungs- und beweisbelastet sei (so auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.01.2016 – 7 U 21/15). Ohne konkrete Darlegungen sei über die Richtigkeit der Berechnung kein Sachverständigenbeweis einzuholen, da dieses nur der Ausforschung dienen würde.

In dem Zusammenhang sei auch nicht erkennbar, dass ein von der dortigen Bank angenommener und vom Gericht der ersten Instanz gem. § 287 ZPO ebenso geschätzter Abschlag für ersparte Risikokosten von 0,06 % p.a. auf Bedenken stoßen soll. Abweichungen hiervon seien nur zu machen, wenn der Darlehensnehmer beispielsweise über eine besonders schlechte Bonität verfügt habe, wozu schon nichts vorgetragen wurde.

 

PRAXISTIPP

Der besprochene Beschluss reiht sich in die Linie der Entscheidungen ein, die an das Maß der Tiefe der Angaben zur Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung im Darlehensvertrag keine überspannten Anforderungen treffen.

Erfreulich ist auch, dass dem oft zu beobachtendem Tun, ohne konkrete Anhaltspunkte die Richtigkeit der tatsächlich erstellten Berechnung zu bestreiten, um ein Sachverständigengutachten zu erzwingen, mangels substantiierten Vortrags zu vermeintlichen Fehlern eine Absage erteilt wurde.

Dass des Weiteren dem zuletzt ebenso immer wieder beobachteten Versuch, den gem. § 287 ZPO im Prozess vom Gericht zu schätzenden Abschlag für ersparte Risikokosten im Rahmen der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung als erheblich höher als üblich zu bewerten, ebenso eine Absage erteilt wurde, ist gleichfalls zu begrüßen. Ein erheblich höherer Abschlag für ersparte Risikokosten bedarf beispielsweise des Vortrags erheblich schlechterer Bonität des Darlehensnehmers als durchschnittlich. Diesen erheblich höheren Abschlag für ersparte Risikokosten indessen – wie des Öfteren beobachtet – mit vermeintlichen Zinsmargen zu begründen bzw. damit gleichzusetzen, verfängt nicht.


Beitragsnummer: 22379

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