Robin Kienitz, Rechtsanwalt, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart
Der für Banksachen zuständige XI. Zivilsenat des BGH hat mit Beschluss vom 10.10.2023, Az. XI ZB 1/23, zugunsten der Anwaltschaft entschieden, dass die Vorlage eines Screenshots grundsätzlich geeignet ist, eine vorübergehende technische Unmöglichkeit gem. § 130d S. 3 ZPO glaubhaft zu machen.
Der XI. Zivilsenat hatte im Rahmen einer Rechtsbeschwerde darüber zu befinden, ob dem Kläger und Berufungsführer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren war, weil dieser ohne Verschulden an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist verhindert gewesen sei (§ 233 ZPO). Der Rechtsmittelführer im Berufungsverfahren trug eine beA-Störung vor und ersuchte eine Fristverlängerung der Berufungsbegründungsfrist mittels Ersatzeinreichung, wobei er seinem Schriftsatz einen entsprechenden Screenshot von der beA-Störung beifügte.
Der mit der Sache befasste 11. Zivilsenat des OLG Braunschweig hatte mit der angefochtenen Entscheidung vom 20.12.2022, Az. 11 U 109/22, die Berufung wegen Verstreichens der Begründungsfrist verworfen und war insbesondere der Ansicht, dass die Zulässigkeit einer Ersatzeinreichung nach § 130d S. 2 ZPO wenigstens eine formgerechte anwaltliche Versicherung des Scheiterns der Übermittlung voraussetze, sodass der Kläger eine vorübergehende technische Unmöglichkeit gem. § 130d S. 3 ZPO nicht ausreichend glaubhaft gemacht habe. Dieser Auffassung hat der BGH nunmehr eine Absage erteilt und entschieden, dass das Berufungsgericht die Anforderungen an die Glaubhaftmachung überspannt habe. Denn bei dem Screenshot handelt es sich nach Auffassung des BGH um ein Augenscheinsobjekt gem. § 371 Abs. 1 ZPO, welches geeignet war, die beA-Störung glaubhaft zu machen. Dies deshalb, weil der Screenshot mit den Angaben in der beA-Störungsdokumentation auf der Internetseite der Bundesrechtsanwaltskammer und mit den Angaben auf der Störungsseite des Serviceportals des beA-Anwendungssupports übereinstimmt.
PRAXISTIPP
Der BGH würdigt den Screenshot in zutreffender Weise als taugliches Mittel zur Glaubhaftmachung gem. § 130d S. 3 ZPO und schafft mit der Entscheidung Rechtsklarheit, wonach eine anwaltliche Versicherung zur Glaubhaftmachung nicht zwingend erforderlich ist. Wenn auch nach der vorbezeichneten Entscheidung ein Screenshot grundsätzlich als ausreichendes Mittel zur Glaubhaftmachung anzusehen ist, so empfiehlt es sich aufgrund anwaltlicher Vorsicht dennoch, auf das Mittel der anwaltlichen Versicherung nicht zu verzichten und ggf. kumulativ vorzugehen, um jedweder Gefahr einer negativen Entscheidung des Instanzgerichts vollumfänglich entgegenzuwirken.
Beitragsnummer: 22378