Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart
Im Anschluss an sein Grundsatzurteil vom 14.05.2019, XI ZR 345/18, hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 17.10.2023, XI ZR 72/22, die Entscheidung der Berufungsinstanz (OLG Nürnberg) aufgehoben und nochmals daran erinnert, dass bei einem Prämiensparvertrag, bei dem die Prämien auf die Sparbeiträge stufenweise bis zu einem bestimmten Sparjahr steigen, das Recht der Sparkasse zur ordentlichen Kündigung nach Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen nur bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe ausgeschlossen ist; dies selbst dann, wenn in der Vertragsurkunde die Sparpläne auch für Folgejahre ausdrücklich aufgeführt sind.
Damit schließt sich der Bundesgerichtshof entgegen einem Teil der Literatur sowie einem Teil der Instanzrechtsprechung der weitaus überwiegenden Ansicht in Literatur und Rechtsprechung an (vgl. hierzu die Hinweise in Rn. 32) welche trotz Erwähnung der Folgejahre bei Erreichen der höchsten Prämienstufe die Möglichkeit der Kündigung nach Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen bejahen. Dies mit dem Kernargument, dass bei gleichbleibender Prämienhöhe der allein den Ausschluss des Kündigungsrechts rechtfertigende besondere Bonusanreiz ganz offenkundig nicht mehr besteht (vgl. Rn. 34 ff.). In diesem Zusammenhang erinnert der Bundesgerichtshof schließlich daran, dass in dem veränderten Zinsumfeld ein sachlicher Grund i. S. v. Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen zu sehen ist (Rn. 39 ff.) und dass die Kündigung der Sparkasse auch nicht nach dem Grundsatz von Treu und Glauben unwirksam ist (Rn. 43 f.).
PRAXISTIPP
Es ist zu begrüßen, dass der Bundesgerichtshof dem von manchen Instanzgerichten und sowie von einem Teil der Literaturmeinungen unternommenen Versuch, das Kündigungsrecht der Sparkassen bei langfristigen Prämien-Sparverträgen noch mehr einzuschränken, ein Ende gesetzt und klargestellt hat, dass die Kündigung eines langfristigen Prämien-Sparvertrages nur und ausschließlich bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe ausgeschlossen ist, da ab diesem Zeitpunkt im Hinblick auf die gleichbleibende Prämienhöhe der den konkludenten Kündigungsausschluss allein rechtfertigende besondere Bonusanreiz nicht mehr besteht (so der BGH in seinem Urteil vom 25.07.2023, XI ZR 221/22, auch zur „Verhältnisprämienstaffel“).
Nunmehr bleibt abzuwarten, ob die im Rahmen der IT-Umstellung bei den Sparkassen automatisch eingefügte Angabe „1188 Monate" tatsächlich, wie von manchen Instanzgerichten vertreten (vgl. nur OLG Nürnberg, WM 2022, 665), dazu führt, dass man bei langfristigen unbefristeten Prämien-Sparverträgen während dieser Dauer einen Kündigungsausschluss unabhängig vom Bonusanreiz bejahen kann, wofür wenig spricht (vgl. hierzu Herresthal, WUB 2022, 233, 238 sowie Edelmann, WUB 2022, 285, 286).
Diesen Streit wird der Bundesgerichtshof am 14.11.2023, XI ZR 88/23, nach entsprechender Verhandlung entscheiden, wobei es aus hiesiger Sicht kaum wahrscheinlich erscheint, dass der Bundesgerichtshof in der nicht bei Abschluss des Prämiensparvertrages, sondern bei der IT-Umstellung automatisch in die laufenden Verträge aufgenommenen Angabe der „1188 Monate" ein Kündigungsausschluss sehen wird.
Beitragsnummer: 22376