Donnerstag, 16. November 2023

Wirksamkeit der alten Bedingungsänderungsklausel der Bausparkassen

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

 

In seiner Entscheidung vom 20.10.2023, 2 – 27 O 307/22, hat das Landgericht Frankfurt am Main die alte Bedingungsänderungsklausel der Bausparkassen als AGB-rechtlich wirksam angesehen, welche all diejenigen Bestimmungen der Zustimmungsfiktion unterworfen hat, welche die Bausparkassen nicht mit Zustimmung der BaFin einseitig ändern können. Dabei hat das Landgericht die Vermutung unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners im Wesentlichen mit folgender Argumentation als widerlegt angesehen:

Zunächst läuft die Klausel nicht auf eine umfassende Änderung des Vertragsgefüges hinaus. Weitreichende, die Grundlagen der rechtlichen Beziehungen der Parteien betreffende Änderungen können nicht über die Zustimmungsfiktion herbeigeführt werden. Insbesondere die Hauptleistungspflichten der Parteien, Klauseln etwa über Sparzahlungen, Verzinsung des Bausparguthabens, Zuteilung des Bausparvertrages, Bereitstellung von Bausparguthaben und Bauspardarlehen, Darlehensvoraussetzungen/Sicherheiten, Auszahlung des Bauspardarlehens sowie Verzinsung und Tilgung des Bauspardarlehens sowie Kündigungsvoraussetzungen sind ausgenommen. Die verbleibenden Klauseln mögen auch „wichtig“ sein, betreffen aber keine Grundlagen des Vertragsgefüges. Überdies unterliegen sie ihrerseits der gerichtlichen Klauselkontrolle. Bei Klauseln, die nicht die Grundlagen des Vertrages betreffen, gleicht die mögliche Ausübungskontrolle die fehlende ausdrückliche Zustimmung des Verbrauchers aus. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 27.04.2021 – XI ZR 26/20 – den Bankhäusern auch nicht generell untersagt, Klauseln zu verwenden, mit denen Allgemeine Geschäftsbedingungen über eine Zustimmungsfiktion geändert werden können. Vielmehr wird in der Entscheidung ausgeführt, dass dem „legitimen organisatorischen Bedürfnis des Unternehmers nach einer einfachen Vertragsabwicklung (Bollenberger, ÖBA 2017, 741, 744 ff.; Schopper, VbR 2017, 75; auch Hölldampf, WuB 2021, 107 f.; Hornberger, EWiR 2019, 227, 228; Zährte, BKR 2021, 79, 83; Osburg, VuR 2019, 465, 467 zu einer entsprechenden Regelung der Bausparkassen), deren es ohnehin stets bedarf, um ein berechtigtes Interesse des Verwenders an der Erklärungsfiktion zu begründen (Senatsurteil vom 28.01.2014 – XI ZR 424/12, BGHZ 200, 121 Rn. 22 m. w. N.), [...] durch eine einschränkend-konkretisierende Formulierung der Klausel Rechnung getragen werden“ könne (BGH, Urteil vom 27.04.2021 – XI ZR 26/20, BGHZ 229, 344–358, Rn. 32). Eine solch einschränkend konkretisierende Formulierung hat die Beklagte aber gerade verwendet.

 

PRAXISTIPP

Was die AGB-rechtliche Wirksamkeit der Bedingungsänderungs-klausel/Fiktionsänderungsklausel der Bausparkassen anbelangt, so ist zunächst daran zu erinnern, dass der Bundesgerichtsgerichtshof das als Ausnahme vom in § 308 Nr. 5 BGB, in § 675g Abs. 2 BGB sowie in Art. 52 Nr. 6a, 54 ZDRL II gesetzlich vorgegebene Leitbild des Erlaubtseins von Änderungen per Zustimmungsfiktion anzusehende Verbot von Änderungen per Zustimmungsfiktion gerade nicht auf Änderungen von unwesentlichen, nicht in das Vertragsgefüge besonders tief eingreifenden und das Äquivalenzverhältnis nicht in einer erheblichen, die Position des Vertrags nicht entwertenden Art und Weise statuiert, sondern das Verbot vielmehr nur auf besonders schwere Eingriffe in das Vertragsgefüge beschränkt hat (so ausdrücklich BGH, Urteil v. 27.04.2021, XI ZR 26/20, Rn. 27, 30, 32 und. 38; vgl. auch Casper, in MünchKomm zum BGB, 9. Auflage 2023, § 675g Rn. 10; Schmalenbach, BeckOK BGB, Hau/Poseck, 67. Edition, Stand 01.08.2023; § 675g Rn. 10, wo Schmalenbach klarstellt, dass sich der BGH mit seiner Entscheidung v. 27.04.2021 der Auffassung des EuGH angeschlossen hat und nunmehr bei der Bestimmung der Zulässigkeit von Vertragsänderungen per Zustimmungsfiktion zwischen wesentlichen und unwesentlichen Vertragsänderungen unterscheidet).

Dass dies so ist, hat der Bundesgerichtshof nach hiesiger Auffassung in seiner Entscheidung vom 27.04.2021 auch unmissverständlich klargestellt. Denn der Bundesgerichtshof will ausweislich seiner Entscheidungsgründe von der nach dem gesetzlichen Leitbild der vorstehend erwähnten Normen des § 308 Nr. 5 BGB, des § 675 g Abs. 2 BGB sowie des Art. 52 Nr. 6 a, 54 ZDRL II erlaubten Möglichkeit der Vertragsänderung per Zustimmungsfiktion, der vom EuGH vertretenen Auffassung folgend, nur und allein dann abweichen und ein Zustimmungsfiktionsverbot statuieren, wenn

  • besonders tiefgreifend in das Vertragsgefüge eingegriffen wird (Rn. 27),
  • weitreichende, die Grundlagen der rechtlichen Beziehung der Parteien betreffenden Änderungen betroffen sind, die dem Abschluss eines neuen Vertrages gleichkommen (Rn. 27),
  • Änderungen besonders weitreichend sind (Rn. 30),
  • das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung so erheblich zulasten des anderen Vertragspartners verschoben wird, dass eine Entwertung der Position des Vertragspartners einhergeht (Rn. 39).

Legt man diese Grundsätze des BGH zugrunde und bedenkt man, dass die Bausparkassen entsprechend den Vorgaben des BGH ihre per Zustimmungsfiktion vorzunehmenden Änderungen auf solche unwesentlichen, weniger gravierende Änderungen beschränkt haben, durch welche weder besonders tiefgreifend in das Vertragsgefüge eingegriffen noch das Äquivalenzverhältnis erheblich i. S. einer Entwertung der Rechtsposition des Vertragspartners verschoben wird, dann muss die Bedingungsänderungsklausel der Bausparkassen, welche Inhalt der Entscheidung des LG Frankfurt war, im Lichte der Grundsatzentscheidung des BGH vom 27.04.2021 als rechtswirksam angesehen werden. Dies gilt erst recht für die neue einschränkend-konkretisierende Bedingungsklausel der Bausparkassen, welche nach der Entscheidung des BGH v. 27.04.2021 in den ABB aufgenommen wurde und welche die Änderung per Fiktionsklausel auf einige wenige, noch „unwesentlichere“ ABB-Klauseln beschränkt.


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