Christian Hasenclever, Lehrbeauftragter Fakultät IV Wirtschaft und Informatik, International Corporate Finance, Hochschule Hannover, und Treasury, Asset and Liability Management (ALM), Liquiditätsrisikomanagement, Norddeutsche Landesbank (NORD/LB) Hannover[1]
I. Neue Schwerpunktthemen in der aufsichtlichen Überprüfung?
Pünktlich zur 28. Klimakonferenz Anfang Dezember in Dubai hat die European Banking Authority (EBA) in einer Veröffentlichung[2] auf die komplexen und schwerwiegenden Konsequenzen des Klimawandels für die Wirtschaft und Gesellschaft hingewiesen und Folgen für die Kreditwirtschaft aufgezeigt. „[…] The transition to a climate-neutral, climate-resilient and more sustainable economy raises challenges and opportunities for the real economy and the banking sector. Fostering an orderly transition will be a key driver towards Europe’s banking sector’s resilience and financial stability. Banks have a key role to play as catalysts for the sustainability transition. They can contribute by providing the financing needed for achieving net-zero targets, by supporting their clients and counterparties in greening their activities and assets and by managing climate-related transition and physical risks. While banks in the EU have started to enhance their practices to achieve better climate-related risk management, governance and transparency, much remains to be done. Regulators and supervisors are committed to delivering a sound regulatory framework to support the transition, while ensuring that the banking sector remains robust. […]“
Typischerweise werden in der deutschen Diskussion um sog. ESG-Faktoren[3] Risikoaspekte sehr stark in den Vordergrund gestellt. Das erhebliche Gefährdungspotenzial ist unbestritten. Dennoch entstehen – wie die eingangs zitierte EBA ebenfalls betont – mit einer nachhaltigeren Wirtschaftstätigkeit betriebswirtschaftliche Chancen und eröffnen sich neue Ertragsfelder. Risiken und Ertragschancen bleiben nicht auf das Adressenausfallrisiko und neue Kreditnehmergruppen beschränkt. ESG-Faktoren spielen ebenso beim Management der Liquiditätsrisiken und der Liquiditätsbeschaffung eine gewichtige Rolle: Konzentrationen in der Liquiditätsbeschaffung, geänderte Investorenpräferenzen, Effekte auf die Refinanzierungskosten, veränderte Liquiditätsbedürfnisse und Einflüsse auf die Werthaltigkeit von als Collateral genutzten Vermögensgegenständen seien stellvertretend genannt. Sie können als Folge von ESG-Faktoren schleichend oder abrupt die Liquiditätssituation und -ausstattung eines Institutes maßgeblich oder existenziell gefährdend beeinflussen. Mit der institutsbezogenen Geschäftsmodellanalyse versucht die Aufsicht, die Robustheit, Tragfähig- und Nachhaltigkeit der Institute zu bewerten und proaktiv stabilisierend zu wirken. Das erhebliche Gefährdungspotenzial, welches Liquiditätsrisiken für ein einzelnes Institut, aber auch für den Sektor als Ganzes bergen, und die eingeschränkte Reagibilität bei der Steuerung von Liquiditätsrisiken rechtfertigen die herausgehobenere Stellung im aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozess. [...]
Beitragsnummer: 22354