Dr. Robert M. Reuß, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart
In seinem Hinweisbeschluss vom 22.09.2023, 3 U 84/23, setzt sich das OLG Frankfurt am Main mit der Frage auseinander, wann im Rahmen des Online-Bankings von einem grob fahrlässigen Verhalten des Nutzers i. S. d. § 675v Abs. 3 S. 2 BGB auszugehen ist.
Dabei verweist das OLG Frankfurt am Main, wie auch bereits das OLG München in seinem Hinweisbeschluss vom 22.09.2022, 19 U 2204/22 (BeckRS 2022, 36075), darauf, dass es als allgemeines Wissen vorauszusetzen ist, dass Kunden durch betrügerische Briefe und Anrufe vorgeblicher Bankmitarbeiter zur Preisgabe von Zugangsdaten zum Online-Banking veranlasst werden sollen, weshalb der Kunde aus Sicht des OLG Frankfurt am Main hierüber von der Bank schon nicht informiert werden müsse. Insbesondere sei die Bank nicht zu einer diesbezüglichen gesonderten postalischen Warnung (aller Kunden) verpflichtet, da es demjenigen, der das über die Website der Bank erreichbare Online-Banking nutzt, zuzumuten ist, auch die Sicherheitshinweise der Bank auf deren Website zur Kenntnis zu nehmen.
Aus Sicht des Senats müsse daher auch ein Anruf eines vermeintlichen Bankmitarbeiters, in welchem der Nutzer zur Freischaltung eines Sicherheitsverfahrens aufgefordert wird, ohne weiteres das Misstrauen und den Argwohn des Kunden hervorrufen. Ein Anruf solchen Inhalts stellt aus Sicht des Senats bereits ein derartiges Alarmzeichen dar, dass schon bei hierdurch nicht erwecktem Argwohn auf Seiten des Nutzers nachfolgend von grober Fahrlässigkeit des Kunden auszugehen sei. Hieran gebe es aus Sicht des Senats jedenfalls dann keinen Zweifel mehr, wenn der Nutzer einen ihm postalisch von der Bank übermittelten Freischaltcode für das Online-Banking an den Anrufer weitergibt.
PRAXISTIPP
Das OLG Frankfurt am Main stellt unmissverständlich und völlig zu Recht darauf ab, dass, nachdem das kriminelle Phänomen des Phishings jedenfalls bereits seit dem Jahr 2006 öffentlich breit diskutiert wird, es bei einem Nutzer des Online-Bankings als allgemeines Wissen vorauszusetzen ist, dass betrügerische Briefe und Anrufe vorgeblicher Bankmitarbeiter mit dem Ziel, an die Zugangsdaten zum Online-Banking zu gelangen, immer wieder erfolgen und es insoweit bereits keines gesonderten Hinweises durch die Bank mehr bedarf. In aller Deutlichkeit erklärt das OLG Frankfurt am Main dabei auch grundsätzlich der Erforderlichkeit einer postalischen Erteilung von Sicherheitshinweisen zum Online-Banking eine Absage, da dem Online-Banking-Nutzer die Kenntnisnahme von Sicherheitshinweisen auf der Website der Bank ohne weiteres zuzumuten sei. Schließlich kommt das OLG Frankfurt am Main auch wiederum völlig zu Recht zu dem Ergebnis, dass es jedenfalls bei (telefonischer) Weitergabe eines dem Nutzer von der Bank übermittelten Aktivierungscodes an einen vermeintlichen Bankmitarbeiter, der den Kunden zur Freischaltung eines Sicherheitsverfahrens auffordert, keinen Zweifel an einem grob fahrlässigen Handeln des Nutzers i. S. d. § 675v Abs. 3 S. 2 BGB geben kann.
Beitragsnummer: 22328