Mittwoch, 4. Oktober 2023

Spezialgesetzliche Prospekthaftung

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

 

In seiner Entscheidung vom 11.07.2023, XI. ZB 20/21 (WM 2023, 16 92) bestätigt der Bankensenat des Bundesgerichtshofs die auch vom II. Gesellschaftssenat des Bundesgerichtshofs vertretene Rechtsauffassung, wonach eine Haftung eines Gründungsgesellschafters nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB neben der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31.05.2012 geltenden Fassung dann in Betracht kommt, wenn der Gründungsgesellschafter dadurch einen zusätzlichen Vertrauenstatbestand setzt, dass er entweder selbst den Vertrieb der Beteiligungen an Anleger übernimmt oder in sonstiger Weise für den von einem anderen übernommenen Vertrieb die Verantwortung trägt.

In Abgrenzung zur Rechtsprechung des II. Gesellschaftssenats des Bundesgerichtshofs führt der Bankensenat des Bundesgerichtshofs sodann aus, dass die spezialgesetzliche Prospekthaftung gemäß §§ 20, 21 VermAnlG, §§ 9, 10, 14 WpPG (Vorgänger-Fassung: §§ 21f ff. WpPG) sowie § 127 InvG in der bis zum 21.07.2013 geltenden Fassung und § 306 KAGB in ihrem Anwendungsbereich eine Haftung eines Prospektverantwortlichen unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung gemäß § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB auch dann ausschließt, wenn dieser den Vertrieb der Beteiligungen an Anleger übernimmt oder in sonstiger Weise für den von einem anderen übernommenen Vertrieb Verantwortung trägt. In diesem Zusammenhang führt der Bundesgerichtshof noch aus, dass eine Haftung aus anderen Gründen als durch Verwenden einer Kapitalmarktinformation als Mittel der schriftlichen Aufklärung – etwa wegen unrichtiger mündlicher Zusicherungen – nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB demgegenüber nicht ausgeschlossen ist (vgl. Rn. 41–45).

Interessant in diesem Zusammenhang ist auch, dass der XI. Bankensenat des Bundesgerichtshofs seine diesbezügliche Rechtsprechung in ähnlicher Weise wie dies der II. Gesellschaftssenat des Bundesgerichtshof in seinen Beschlüssen vom 27.06.2023 getan hat (vgl. hierzu Edelmann, BTS Bankrecht, Ausgabe Juli/August 2023, S. 64) zur Absicherung seiner diesbezüglichen Rechtsprechung beim II. Gesellschaftssenat des Bundesgerichtshofs angefragt und dieser sich mit der dahingehenden „Abgrenzungsrechtsprechung“ des XI. Zivilsenat wohl einverstanden erklärt hat (Rn. 46).


PRAXISTIPP

Sowohl vorstehende Entscheidung des XI. Zivilsenates des Bundesgerichtshofs als auch die vorstehend zitierten Beschlüsse des II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs vom 27.06.2023 machen deutlich, dass beide Senate sich auf eine einheitliche Auffassung in Bezug auf die Problematik des Vorrangs der spezialgesetzlichen Prospekthaftung zu einigen versuchen bzw. wohl abschließend geeinigt haben, was sehr zu begrüßen ist. Allerdings bleibt nach hiesiger Auffassung schleierhaft, in welchen konkreten Fällen Prospektverantwortliche bei der Verwendung von Prospekten beim Vertrieb der Kapitalanlage neben der spezialgesetzlichen Prospekthaftung haften können sollen. Denn selbst der beispielhaft aufgeführte Ausnahmefall der „unrichtigen mündlichen Zusicherung“ dürfte kaum zu einer Haftung nach §§ 280, 241, 311 BGB führen, da solche mündlichen Zusicherungen ihre Grundlage in der Regel auf Angaben und Informationen im Prospekt beruhen und somit auf einen Tatbestand, welcher die spezialgesetzliche Prospekthaftung eröffnet.


Beitragsnummer: 22304

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