Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart
- Unter Aufhebung der dahingehend anders lautenden Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 28.10.2021, 16 O 43/21 (vgl. hierzu Edelmann, BTS Ausgabe Dez. 21/ Jan. 22, S. 130 f.) gelangt das Kammergericht Berlin in seiner Entscheidung vom 09.08.2023, 26 U 129/21 zum Ergebnis, dass es sich bei der Vereinbarung eines Verwahrentgelts um eine Hauptpreisabrede handelt, welche der AGB Rechtskontrolle gem. § 307 Abs. 3 BGB entzogen ist.
Selbst wenn man einmal unterstellen wollte, dass es sich bei der Vereinbarung des Verwahrentgelts um eine der AGB-rechtlich überprüfbare Preisnebenabrede handeln würde, würde die Klausel nach Auffassung des KG Berlin insbesondere in Hinblick auf die eingeräumte Freigrenze i. H. v. 25.000,00 € einer Inhaltskontrolle standhalten, da nach einer umfassenden Interessenabwägung die Klausel den Kunden nicht unangemessen benachteiligen würde.
Auch wenn unter den Oberlandesgerichten einhellig die Auffassung vertreten wird, dass die AGB-rechtliche Vereinbarung eines Verwahrentgelts als Hauptpreisabrede der Inhaltskontrolle gem. § 307 Abs. 3 BGB entzogen ist (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 18.11.2022 sowie Urt. v. 30.03.2023, 8 U 1389/21 sowie OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2023, I-20 U 16/22), lässt das KG Berlin die Revision in Bezug auf die Frage der AGB-rechtlichen Wirksamkeit der Vereinbarung eines Verwahrentgeltes bei Guthaben auf Girokonto und Tagesgeldkonten mit der Folge zu, dass nunmehr der BGH über die Wirksamkeit eines solchen Verwahrentgelts wird entscheiden müssen.
- In seiner Entscheidung vom 20.03.2023, 22 O 2030/21 schließt sich auch das Landgericht München I der, soweit ersichtlich, einhelligen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Dresden, Düsseldorf und Berlin an (OLG Dresden, Beschluss vom 18.01.2022 sowie Urt. v. 30.03.2023, 8 U 1389/21; OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2023, I – 20 U 16/22; KG Berlin, Urt. v. 09.08.2023, 26 U 129/21, aaO, vgl. hierzu Edelmann, BTS Ausgabe April 2023, S. 22, Ausgabe Februar 2023, 3 sowie Ausgabe März 2022, 17), wonach die AGB-rechtliche Vereinbarung eines Verwahrentgelts (i. H. v. 0,5 % per annum ab einem Betrag von 5.000,01 €) als Hauptpreisabrede der AGB-Kontrolle entzogen ist.
Was die Problematik der vermeintlich unzulässigen Doppelbepreisung durch Erhebung eines Kontoführungsentgelts sowie eines Verwahrentgelts anbelangt, so führt das Landgericht München I aus, dass Kontoführung und Guthabensverwahrung keine deckungsgleichen Leistungen seien; dies deshalb, weil das Kontoführungsentgelt, anders als das Verwahrentgelt, nicht an ein Kontoguthaben anknüpfe, sondern die Möglichkeit zur Teilnahme am bargeldlosen Zahlungsverkehr bepreise. Insofern dürfte das Kreditinstitut nebeneinander sowohl ein Kontoführungsentgelt als auch ein Verwahrentgelt verlangen.
Praxistipp:
Nachdem sowohl das Oberlandesgericht Düsseldorf als auch das KG Berlin die anders lautenden Entscheidungen des Landgerichts Düsseldorf sowie des Landgerichts Berlin aufgehoben haben, das Oberlandesgerichts Dresden wiederum die Entscheidung des Landgerichts Leipzig bestätigt hat, besteht jedenfalls in der obergerichtlichen Instanzrechtsprechung nunmehr Einigkeit darüber, dass die AGB-rechtliche Vereinbarung eines Verwahrentgelts als Hauptpreisabrede AGB-rechtlich nicht überprüfbar ist. Insofern verwundert es ein wenig, dass das KG Berlin im Hinblick auf vereinzelt gebliebene Landgerichtsentscheidungen, bei welchen noch nicht einmal feststeht, dass und ob diese rechtskräftig werden, die Revision zum BGH zugelassen hat.
Erfreulich an vorstehendem Urteil des Landgerichts München ist wiederum, dass dieses klar hervorgehoben hat, dass das Verwahrentgelt neben dem Kontoführungsentgelt rechtswirksam vereinbart werden kann, da mit den unterschiedlichen Entgelten unterschiedliche Hauptleistungen bepreist werden (so auch OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.03.2023, I-20 U 16/22 Rn. 29).
Beitragsnummer: 22258