Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart
In seinen drei Hinweisbeschlüssen vom 27.06.2023, II ZR 57, 58 und 59/21 (II ZR 57/21, ZIP 2023, 1588) weist der II. Zivilsenat zunächst darauf hin, dass er beabsichtige, an seiner Rechtsprechung festzuhalten, wonach im Anwendungsbereich der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31.05.2012 geltenden Fassung eine Haftung der Altgesellschafter wegen Verletzung von Aufklärungspflichten gem. § 280 Abs. 1 und 3, §§ 282, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB nicht ausgeschlossen wird. Im Hinblick auf die bisher diesbezüglich ergangene und anders lautende Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (vgl. hierzu Edelmann BTS, Ausgabe Februar 2023, S. 5 sowie Ausgabe November 2022 S. 97 f.) ist der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs jedoch der Auffassung, dass diese Rechtsprechung des XI. Zivilsenates eine neue Ausrichtung der nach der bisherigen Rechtsprechung des II. Zivilsenates bestehenden allgemeinen Aufklärungspflichten der Altgesellschafter dahingehend erfordert, dass eine vorvertragliche Aufklärungspflicht nur noch solche Altgesellschafter trifft, die entweder selbst den Vertrieb der Beteiligungen an Anleger übernehmen oder in sonstiger Weise für den von einem anderen übernommenen Vertrieb Verantwortung tragen. Vertriebsverantwortung würden wiederum, soweit der Vertriebsauftrag von der Fondgesellschaft erteilt wurde, die geschäftsführungsbefugten Altgesellschafter tragen.
In diesem Zusammenhang stellt der II. Zivilsenate des Bundesgerichtshofs noch klar, dass ein Altgesellschafter die Verantwortung für eine ordnungsgemäße Aufklärung der Beteiligungsinteressen nicht schon allein deswegen trägt, weil dessen Alleingesellschafter aufgrund eines von der Fondgesellschaft erteilten Auftrags den Vertrieb der Beteiligung übernommen hat. Auch eine bloße personelle Verflechtung eines Altgesellschafters mit der Vertriebsgesellschaft begründe keine Verantwortung für den Vertrieb.
Abschließend weist der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs noch darauf hin, dass er sich mit dem XI. Zivilsenates Bundesgerichtshofs abgestimmt und dieser auf Anfrage mitgeteilt habe, dass seine Rechtsprechung einer an die Vertriebsverantwortung anknüpfenden Haftung der Altgesellschafter gem. § 280 Abs. 1, 3, §§ 282, 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats nicht entgegenstehe.
Praxistipp:
Vorstehende Entscheidung des II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs sowie dessen Abstimmung mit dem XI. Zivilsenat verdeutlichen, dass auch im Rahmen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung dann eine Haftung nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne in Betracht kommt, wenn bei dieser Haftung auf andere Anknüpfungspunkte abgestellt wird als an die Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung.
Beitragsnummer: 22257