Montag, 31. Juli 2023

Erhöhung des Adressrisikos bei gewerblichen Immobilienfinanzierungen

Ist die Blase geplatzt? Gestiegene Zinsen und Baukosten führen zu einer Senkung der Rentabilität und damit zu einer Erhöhung des Ausfallrisikos bei Immobilienprojekten.

Christian Zapf, Fachverantwortlicher Kreditrisiko, Kreditorganisation, Volksbank Main-Tauber eG


In den vergangenen Jahren war der Bereich der gewerblichen Immobilienfinanzierung aufgrund der Niedrigzinssituation ein stark wachsendes Geschäftsfeld im Bankenbereich. Aufgrund dessen wurden vonseiten der Aufsicht die Risiken für den Bereich aufgezeigt und speziell im Bauträgergeschäft eine Klarstellung bezüglich der Einstufung von spekulativen Immobilienfinanzierungen als Hochrisikoposition bei der Belastung der Eigenmittel am 30.10.2020 veröffentlicht.[1] In ihrer Veröffentlichung vom 23.01.2023 für die Fokusrisiken 2023 hatte sie vor den Risiken für Banken aufgrund der Korrekturen an Immobilienmärkten und Ausfällen von Krediten an Unternehmen gewarnt.[2] Speziell durch den starken Zinsanstieg befürchtet die BaFin in ihrer Mitteilung vom 22.06.2023 einen Anstieg der Risikovorsorge im Bereich der Finanzierung von gewerblichen Immobilien.[3]

Doch sind diese Sorgen begründet? Drohen der Finanzwirtschaft durch die Entwicklungen südeuropäische Verhältnisse, welche unter anderem zu den von der EU veröffentlichten Leitlinien EBA/GL/2018/06 management of non-performing and forborne exposures geführt hatten?


Was sind die Gründe für die Situation?

Durch die jahrelange Niedrigzinsphase sahen Banken in der Finanzierung von gewerblichen Immobilien mit kurzen Laufzeiten und hohen Erträgen eine Möglichkeit, die Einbußen bei der gesunkenen Zinsmarge auszugleichen. Das Thema Risiko spielte hierbei aufgrund der hohen Fungibilität und Preissteigerung der Immobilien durch die Nachfrage von privaten und institutionellen Anlegern eine untergeordnete Rolle.

Neben des Zinsanstieges und der Inflation haben auch die Vorgaben aufgrund der EU-Taxonomie und die Berücksichtigung von ESG-Standards bestehende Geschäftsmodelle von Immobilienunternehmen in eine Strategiekrise gebracht. Durch den Zinsanstieg ist die Nachfrage nach Immobilien als Geldanlage aufgrund der gesunkenen Rentabilität und der Wiederkehr von alternativen Geldanlagen eingebrochen. Für die Immobilienentwickler und Bauträger haben sich bei bereits begonnenen Projekten zusätzlich die Gestehungskosten weiter erhöht. Projektierungen von bestehenden Gebäuden oder unbebauten Grundstücken sind zu den ursprünglich kalkulierten Kosten und notwendigen Erlösen nicht mehr durchführbar. Durch die stark verringerten Transaktionen besteht ein technisches Marktversagen, was sich gemäß des vdp-Immobilenindex in manchen Segmenten bereits in sinkenden Preisen bemerkbar macht.[4]

Bezogen auf die am Markt tätigen Unternehmen, welche sich durch einen hohen Einsatz an Fremdkapital durch klassische Bankdarlehen und Mezzaninekapital refinanziert hatten, führt die Situation zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Aus der Strategiekrise ist somit bereits eine Ertragskrise geworden. Aufgrund der für die Branche niedrigen Eigenkapitalquoten drohen Unternehmen bilanzielle Überschuldungen und Schwierigkeiten bei der Liquidität.


Wir die Anzahl der Forebearancemaßnahmen steigen?

Aus diesem Grund sehen sich Banken derzeit mit Anfragen zu Zugeständnissen in Form von Laufzeitenverlängerungen, Zinsreduktionen und Aufvalutierungen von Kreditnehmern aus diesen Bereichen konfrontiert. Bei diesen Arten von Zugeständnissen, verbunden mit den vorhandenen wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Kunden, ist die Frage nach einer vorhandenen Forbearancemaßnahme grundsätzlich mit „Ja“ zu beantworten. Bei Berücksichtigung der Leitlinie der BaFin zur Anwendung der Ausfalldefinition können diese unter eine krisenbedingte Restrukturierung fallen, wodurch eine Einstufung in eine ausgefallene Risikoposition erfolgt und die Notwendigkeit zur Bildung einer Risikovorsorge überprüft werden muss.[5] 

Selbst bei vollbesicherten Krediten wird sich dies aufgrund der Anrechnung zur NPL-Quote, der 100–150 % Anrechnung bei der risikogewichteten Aktiva und zusätzlich durch die Folgen des NPL-Backstops bei einer fehlenden Wiedergesundung oder Rückführung innerhalb von zwei Jahren negativ auswirken. 

Weiterhin wird die Bearbeitung der Kunden erhöht werden müssen, was sich aufgrund der vorhandenen Facharbeiterproblematik als schwierig erweisen dürfte.


Was ist jetzt zu tun?

Um die aufgezeigten negativen Entwicklungen zu vermeiden, gilt es jetzt innerhalb der Risikofrüherkennung beim bestehenden Kreditportfolio intensive Untersuchungen durchzuführen, um betroffene Kunden zu identifizieren und Maßnahmen einzuleiten, damit eine Liquiditätskrise vermieden werden kann. Speziell Kredite mit derzeit variablen Zinsbindungen, kurzfristig auslaufenden Zinsbindungen und Projektfinanzierungen in der Gestehungsphase mit offenen Kreditzusagen sollten hierbei eine besondere Überprüfung erfahren. Die bereits erwähnten spekulativen Immobilienfinanzierungen sind aufgrund der Tatsache, dass die Rückführung nicht aus den direkten Einnahmen wie einer langfristigen Vermietung, sondern aus dem Verkauf dieser erfolgen soll, besonders gefährdet. Zur Beurteilung des Neu- wie auch des Bestandsgeschäftes können hierbei die neuen Vorgaben aus der 7. MaRisk-Novelle hilfreich sein.[6] Speziell die Leitlinien für die Kreditvergabe und -überwachung können durch den Einsatz von Sensitivitätsanalysen und der Anforderungen an die Prozesse der Kreditgewährung für Finanzierungen von Gewerbeimmobilien, Immobilienentwicklungen und Projektentwicklungen dazu beitragen, Risiken durch Ablehnung von Krediten zu vermeiden oder bestehende Risiken zu identifizieren, um sie zu reduzieren.

 

PRAXISTIPPS

  • Untersuchen Sie Ihr Kreditportfolio auf die beschriebenen Risiken – speziell spekulative Immobilienfinanzierungen und Darlehen mit variablen oder nur noch kurzfristigen Zinsbindungen.
  • Überprüfen Sie mögliche Auswirkungen von Ausfällen auf die Themen NPL-Quote, Eigenmittelanrechnung und NPL-Backstop.
  • Gehen Sie aktiv auf identifizierte Kunden zu und vermitteln Sie Ihren Firmenkundenbetreuern hierbei die Wichtigkeit ihrer Funktion im Rahmen des Kundenkontaktes für die Risikofrüherkennung.
  • Sehen Sie die Einbindung der 7. MaRisk-Novelle in Ihre Ablauforganisation nicht als Last, sondern als Chance bestehende Risiken zu identifizieren und zukünftige Risiken zu vermeiden. 




Beitragsnummer: 22225

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