Dienstag, 25. Juli 2023

Besonderheiten bei Kreditentscheidungen: Problem- vs. Normalkredite

Im Vergleich zu Kreditentscheidungen, die im Normalbereich getroffen werden, weisen die, die im Problemkreditbereich getroffen werden, Besonderheiten auf.

Uwe Schumacher, Sparkasse Märkisch – Oderland, Vorstandsvorsitzender i.R., Dozent für Kreditanalyse

 

Willkommen in der faszinierenden Welt der Kreditentscheidungen in Banken! Hier arbeiten Kundenbetreuer täglich mit einer Vielzahl von Kunden, um deren Finanzbedürfnisse zu erfüllen. Doch zwischen der normalen Kreditbetreuung und der Herausforderung der Problemkreditbewältigung gibt es entscheidende Unterschiede. In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf die Tücken und Besonderheiten beider Welten.

 

Die Normalbetreuung – Jonglieren mit hunderten Kunden

In der Normalbetreuung stehen Kundenbetreuer vor einem anspruchsvollen Balanceakt: Sie müssen die Bedürfnisse und Anfragen von 300 bis 400 Kunden gleichzeitig bewältigen. Die Zeit ist begrenzt, und so bleibt oft nur wenig Raum, um sich intensiv mit jedem einzelnen Kunden auseinanderzusetzen. Die Normalbetreuung ist eine Kunst der Effizienz – die Anliegen der Kunden müssen schnell und zielführend bearbeitet werden. 


Problemkreditbewältigung – Die sorgfältige Analyse

In der Welt der Kreditentscheidungen wird die Problemkreditbewältigung als eine besondere Herausforderung angesehen. Hier stehen die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse der Kunden besonders im Fokus, insbesondere wenn es bereits zu Zahlungsschwierigkeiten oder anderen Problemen gekommen ist.

Der erste Schritt besteht darin, die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen des Kunden genau zu untersuchen. Einnahmen, Ausgaben, Rentabilität und Liquidität sind nur einige der Aspekte, die in die Analyse einfließen. Und schließlich muss bei einer vollständigen Betrachtung des Kreditengagements auch das Geschäftsmodell und seine Zukunftsfähigkeit auf den Prüfstand gestellt werden. In diesem Zusammenhang wird der Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken eine immer wichtigere Rolle einnehmen – siehe dazu auch: Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken der BaFin.

Die Kundenbetreuer müssen ein tiefes Verständnis für die Situation des Kunden entwickeln, um Schwachstellen und Risiken zu erkennen. 

Eine sorgfältige Analyse der strategischen und finanziellen Lage des Kunden ist entscheidend, um die Wurzel des Problems zu finden. Unvorhergesehene Ereignisse, schlechte Planung oder Marktveränderungen können sich über die Zeit zu ernsten Herausforderungen entwickeln.

Die Kunst besteht darin, diese Probleme aufzudecken und Lösungsansätze zu finden, um die Kredite wieder auf einen soliden Kurs zu bringen. Es erfordert Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl, um die richtigen Fragen zu stellen und Lösungsvorschläge anschlußfähig zu kommunizieren. Der Kundenbetreuer muss sich bewusst sein, dass die Kunden in einer solchen Situation Existenzängste haben und daher unter starkem Stress stehen.

Die Beratung erfordert somit nicht nur fundierte Kenntnisse der betriebswirtschaftlichen Zusammenhänge, sondern auch eine menschliche Komponente. Die Kundenbetreuer müssen die persönlichen Bedürfnisse, Ängste und Sorgen der Kunden verstehen, um passgenaue Lösungen zu finden. Jeder Fall ist individuell und erfordert eine maßgeschneiderte Herangehensweise.

Die erfolgreiche Bewältigung einer Unternehmenskrise ist nicht nur ein Erfolg für die Bank, sondern auch für den Kunden, der dadurch eine Chance auf einen Neuanfang erhält. Bei Kreditentscheidungen ist die Problemkreditbewältigung ein Bereich, der viel Expertise, Einfühlungsvermögen Engagement und strategisches Geschick erfordert. Die Kundenbetreuer tragen eine große Verantwortung und müssen sich bewusst, sein, dass sie einen bedeutenden Einfluss auf das Leben ihrer Kunden haben. Die sorgfältige Analyse und individuelle Herangehensweise sind der Schlüssel zum Erfolg, um gemeinsam mit den Kunden Lösungen zu finden und den Weg in eine erfolgreiche finanzielle Zukunft zu ebnen.

 

Der Unterschied in der Herangehensweise

In der Normalbetreuung geht es um eine schnelle Abwicklung und das Finden von passenden Kreditlösungen. Kundenbetreuer müssen sich auf das Gesamtbild des Kunden verlassen und schnell entscheiden. Eine Tiefenanalyse ist häufig nicht nötig und auch betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll – bei der Zusammenstellung eines “Normalkreditportfolios“ sollte die Frage nach der Kreditwürdigkeit im Wesentlichen durch eine profunde Datenanalyse gelöst sein.

In der Problemkreditbewältigung ist eine andere Herangehensweise erforderlich. Hier stehen individuelle betriebswirtschaftliche und strategische Analysen im Fokus. Kundenbetreuer graben tiefer, um mögliche Ursachen für Probleme zu identifizieren und die Kredite entsprechend anzupassen. Diese Maßnahmen greifen in manchen Fällen sehr tief in die Selbständigkeit und Kompetenzen der Kunden ein – insbesondere, wenn in einem über Jahrzehnte etablierten Betrieb nicht nur betriebswirtschaftliche Defizite angesprochen werden, sondern auch noch die Sinnfrage des Geschäftsmodells gestellt wird. Die Banken werden zukünftig nicht umhinkommen die Kernfrage nach der Zukunftsfähigkeit des Betriebes nicht nur mit einem realistischen, betriebswirtschaftlichen Szenario zu beantworten; sie werden auch die Anforderungen von ESG nachvollziehbar darlegen müssen. Hier werden die Kreditinstitute sich mit Rücksicht auf die MaRisk 8.0 in den nächsten Jahren weiterentwickeln müssen.

 

 

Die Bedeutung der Kommunikation

Kommunikation ist der Schlüssel in beiden Bereichen. In der Normalbetreuung müssen Kundenbetreuer sicherstellen, dass sie stets erreichbar sind und die Bedürfnisse ihrer Kunden im Blick behalten. Ein guter Draht zum Kunden ist unerlässlich, um schnell und effizient reagieren zu können.

In der Problemkreditbetreuung ist die Kommunikation noch entscheidender. Kundenbetreuer müssen eine vertrauensvolle Beziehung aufbauen und offen über mögliche Probleme sprechen. Offene Gespräche ermöglichen es, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten und den Kunden wieder auf einen erfolgreichen Weg zu führen. 

 

 

Was geht noch besser?

Aus – und Weiterbildung

Ein Kundenbetreuer kann in beiden Kategorien besser performen, indem er sich kontinuierlich weiterbildet und seine Fähigkeiten und Kenntnisse weiterentwickelt. Zusätzlich zur fachlichen Weiterbildung ist auch die Entwicklung von Soft Skills entscheidend. Eine offene Kommunikation, Empathie und Konfliktlösungsfähigkeiten sind in beiden Kategorien von entscheidender Bedeutung, um Kundenbeziehungen zu stärken und erfolgreich Probleme zu bewältigen.

In einer sich ständig verändernden Finanzwelt ist es wichtig, immer auf dem neuesten Stand zu sein und neue Trends und Entwicklungen zu verstehen – denn nicht nur die Kunden müssen sich dem Problem eines immer härter werdenden Wettbewerbes stellen.

 

Differenzierte Organisation

Für das Kreditgeschäft gilt das Gleiche wie für die Gesundheit: Die Früherkennung ist immer noch das wirksamste Mittel gegen Probleme jeder Art.

Die Definition der Schnittstelle zwischen Normalität und Problembereich verdient daher allerhöchste Aufmerksamkeit. Die Verbesserung der Früherkennung durch intelligente Systeme ist ein wertvolles Instrument zur Erhöhung der Ertragskraft.

 

 

Fazit: Die Kunst der Kreditentscheidungen

Die Welt der Kreditentscheidungen in Banken ist eine faszinierende Herausforderung. Kundenbetreuer jonglieren zwischen Normalbetreuung und Problemkreditbewältigung und bringen dabei die Kunst der Effizienz und der sorgfältigen Analyse zum Einsatz. 

Die bedachte Herangehensweise in der Problemkreditbewältigung und die Wichtigkeit der Kommunikation in beiden Bereichen sind die Schlüssel zum Erfolg. 

Ob Normalbetreuung oder Problemkreditbewältigung – beide Welten erfordern ein geschicktes Händchen und einen klaren Blick. Die Kunst der Kreditentscheidungen liegt darin, die unterschiedlichen Herausforderungen zu meistern und gemeinsam mit den Kunden die richtigen Lösungen zu finden.

 

 

PRAXISTIPPS

  • Unterschiedliche Auswertungstiefe in Abhängigkeit der Betreuungsart festlegen: Normalbetreuung – Intensivbetreuung – Problemkreditbetreuung
  • Implementierung eines „erweiterten Fragenkatalogs“ in das Kreditprotokoll, um die kritischere Auseinandersetzung klar dokumentiert zu haben
  • Sicherstellung der laufenden fachlichen/persönlichen Fortbildung der Kundenbetreuer.

Beitragsnummer: 22218

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