Mittwoch, 12. Juli 2023

BaFin konsultiert FAQs zur Institutsvergütungsverordnung

Zahlreiche Änderungen im regulatorischen Leitbild führen zu Anpassungsbedarf von Vertragsvereinbarungen, Vergütungsgrundsätzen und Governance-Regeln.

Dr. Matthias Merkelbach, Partner, Flick Gocke Schaumburg 

 

Verhältnis zur Auslegungshilfe zur IVV vom 16.02.2018

Wenngleich die Auslegungshilfe durch die neuen FAQ zur IVV formal ersetzt werden soll, soll die in der Auslegungshilfe beschriebene Verwaltungspraxis gleichwohl beibehalten werden, sofern sie in den FAQs keine Aktualisierung erfährt. Anders als nach der Auslegungshilfe, bei der die Vorgaben der EBA Guidelines für eine solide Vergütungspolitik lediglich berücksichtigt wurden, sollen die EBA Guidelines nunmehr neben den FAQ (und der Auslegungshilfe) unmittelbar von den Instituten angewendet werden. Die Komplexität des regulatorischen Rahmens nimmt damit weiter zu.

 

Leistungsanerkennungsprämien

Explizit äußern sich die FAQ zu variablen Vergütungen in Form von Leistungsanerkennungsprämien („Recognition Awards“), die regelmäßig an einen kleinen, wechselnden Kreis an Mitarbeitern vorgesehen werden, um deren außerordentliches Engagement – unabhängig von einer Zielvereinbarung – zu honorieren. Für Risikoträger in bedeutenden Instituten sollen entsprechende Prämienzahlungen nach den FAQ zur IVV generell unzulässig sein. Für die übrigen Mitarbeiter stellen die FAQ detaillierte Anforderungen an die Zulässigkeit auf. Dazu zählt insbesondere, dass der Ermessensspielraum für die Prämiengewährung eingeschränkt sein muss, insbesondere müssen Höhe und Häufigkeit geregelt sein. Zudem muss es klar definierte Vorgaben bzw. Kriterien für die möglichen Gründe und Anlässe der Gewährung einer solchen Prämie geben, anhand derer Vorgesetzte bestimmen können, welche Mitarbeiter für eine solche Prämie aufgrund ihrer Leistung in Frage kommen. 


Ruhegehälter bei Nichtverlängerung der Bestellung als Geschäftsleiter

Vereinbarungen über Ruhegehälter sollen unter engen Voraussetzungen zulässig sein. Voraussetzung ist, dass sie sich ausdrücklich auf einen sehr begrenzten Übergangszeitraum beschränken, das Ruhegehalt unter den Bonuspoolvorbehalt des § 7 IVV gestellt wird und ein ausdrücklicher Vorbehalt für den Fall eines negativen Erfolgsbeitrags vorgesehen wird, damit die Vereinbarungen keine unangemessene Ausgestaltung des Vergütungssystems gem. § 3 Abs. 1 und 2 IVV darstellen.

 

Negative Erfolgsbeiträge, Malus und Clawback

Die bei der Gestaltung von Organisationsrichtlinien und von Vergütungssystemen (sowohl von Risikoträgern als auch Nicht-Risikoträgern) und der Gewährung von Abfindungen zu berücksichtigenden „negativen Erfolgsbeiträge“ umfassen insbesondere Verstöße gegen selbstauferlegte Ethikkodizes, Vertragsverstöße und Verletzungen gegen die institutsinternen Organisationsrichtlinien. Das Vorliegen negativer Erfolgsbeiträge muss eine teilweise Reduzierung der Vergütung und bei gravierenden negativen Erfolgsbeiträgen eine vollständige Streichung der variablen Vergütung zur Folge haben. Dabei werden die diesbezüglichen Tatbestandsvoraussetzungen zum Teil abgeändert und neu gefasst.

Eine „maßgebliche Beteiligung“ im Sinne des für bedeutende Institute geltenden § 18 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 IVV soll vorliegen, wenn der Risikoträger durch sein Verhalten oder seine Entscheidungen eine Gefahr geschaffen oder erhöht hat, die sich in einem eingetretenen Misserfolg realisiert hat. Grundsätzlich ist ein Verschulden des Risikoträgers in Form von mindestens grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz erforderlich, wobei in extremen Ausnahmefällen aufgrund der Erheblichkeit des Verlustes kein Verschulden des Risikoträgers vorgelegen haben muss. Näher konkretisiert wird auch der in der Vorschrift enthaltene Begriff des „erheblichen Verlustes“. Eine Erheblichkeit soll demnach etwa indiziert sein, wenn der Verlust mindestens 1 % des vom Institut tatsächlich vorgehaltenen Eigenkapitals entspricht und der Risikoträger zu einem Exposure, dem ein unerwarteter Verlust von mindestens 1 % des Eigenkapitals zuzuordnen ist, durch zumindest grobe Fahrlässigkeit maßgeblich beigetragen hat. Weitere Vorgaben werden für die Ermittlung des Verlusts, die Zuordnung des negativen Erfolgsbeitrags zu einem Bemessungszeitraum und die Zusammenrechnung mehrerer einem Bemessungszeitraum zuzuordnender Verluste aufgestellt.

 

Berücksichtigung von ESG-Risiken bei der Vergütung

ESG-Risiken, die ein Institut wegen seiner strategischen Ausrichtung in den jeweiligen Risikoarten verankert hat, sind in den Vergütungssystemen zu berücksichtigen.

 

Gewährung von Abfindungen, Anpassung von Abfindungsgrundsätzen

Die regulatorischen Anforderungen an die Gewährung von Abfindungen wurden grundlegend überarbeitet. Im Hinblick auf den Begriff der Abfindung nach § 2 Abs. 5 IVV stellen die FAQs auf einen zeitlichen und kausalen Zusammenhang einer Vergütung zur Beendigung des Arbeits-, Geschäftsbesorgungs- oder Dienstverhältnisses ab. Eine Beendigung des Vertragsverhältnisses soll dann als „vorzeitig“ anzusehen sein, wenn sie im Falle einer fehlenden Befristung vor Erreichen des Renteneintrittsalters bzw. - im Falle einer Befristung - vor Fristablauf erfolgt. Bei der Beurteilung soll die gewählte Bezeichnung der Leistung für ihre Subsumierung unter den Abfindungsbegriff nicht ausschlaggebend sein. Abfindungsvereinbarungen dürfen weder einen Fehlanreiz für den Mitarbeiter setzen noch die Entschließungsfreiheit des Instituts in Bezug auf die Fortsetzung der Zusammenarbeit unzulässig beeinträchtigen. Bei der Beurteilung sind insbesondere der Vereinbarungszeitpunkt, das auslösende Ereignis und der Abfindungsumfang zu berücksichtigen.

 

Festsetzung des Bonuspools

Es werden (weitere) Vorgaben für die Festsetzung des Bonuspools nach § 7 IVV aufgestellt, erstmals auch für Tochterinstitute im Inland, für die Kapital-Waiver nach Art. 7 CRR, § 2a Abs. 2 KWG und/oder Liquiditäts-Waiver nach Art. 8 CRR, § 2a Abs. 4 KWG bestehen.

 

Berichterstattung durch Prüfberichte und Vergütungskontrollberichte; Anforderungen an den Vergütungsbeauftragten und den Vergütungskontrollbericht

Die FAQs enthalten Klarstellungen für die Berichterstattung durch Prüfberichte nach § 12 Abs. 1 IVV und den Vergütungskontrollbericht nach § 24 Abs. 3 S. 1 IVV. Diese können unter bestimmten Voraussetzungen zusammengelegt werden.

Außerdem werden die Anforderungen an die Qualifikation und an die Unabhängigkeit des Vergütungsbeauftragten und seines Stellvertreters sowie an die Mindestbestandteile des Vergütungskontrollberichts weiter konkretisiert. Der Vergütungsbeauftragte soll insbesondere nach § 23 Abs. 1 S. 3 IVV über grundlegende Kenntnisse zum Risikocontrolling verfügen, damit er Vergütungsentscheidungen risikoseitig hinterfragen kann. Vergütungskontrollberichte haben insbesondere eine Überprüfung der Vergütungssysteme der Mitarbeiter des Instituts anhand der Vorgaben der IVV und des KWG sowie eine Stellungnahme des Vergütungsbeauftragten zur Angemessenheit der Vergütungssysteme der Mitarbeiter des Instituts zu enthalten.

 

Vorgaben an Instrumente nach § 20 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 IVV und Umsetzung der Anforderungen bei nicht-börsennotierten Instituten

Die Vorgaben für aktienbasierte oder andere gleichwertige Instrumente nach § 20 Abs. 5 Nr. 2 IVV werden – insbesondere auch für nicht-börsennotierte Institute – angepasst und konkretisiert. Unterschreitet die harte Kernkapitalquote des Instituts nach Art. 92 Abs. 1 lit. a CRR den Wert von sieben Prozent oder einen höheren vom Institut festgelegten Wert, so ist eine Abschmelzung des Instrumentenwertes in einer Höhe vorzunehmen, die für die Erreichung der harten Kernkapitalquote i. H. v. sieben Prozent (bzw. dem höher vom Institut festgelegten Wert) erforderlich ist.

 

PRAXISTIPPS

  • Vielfältiger Überprüfungs- und ggf. Anpassungsbedarf ergibt sich für Vergütungssysteme und Organisationsrichtlinien. Diese sollten frühzeitig auf ihre Vereinbarkeit mit den neuen Vorgaben über negative Erfolgsbeiträge, Abfindungen und/oder Ruhegehältern, Bonuspools überprüft und ggf. angepasst werden. Für künftige Gestaltungen sind die Vorgaben der FAQs zu berücksichtigen.
  • Überprüft werden sollte auch, ob der Vergütungsbeauftragte und sein Stellvertreter den Anforderungen der FAQs an ihre Qualifikation und Unabhängigkeit genügen. Hierbei ist insbesondere auch darauf zu achten, ob wegen einer eigenen Stellung als übergeordnetes oder teilkonsolidierendes Unternehmen verschärfte Anforderungen gelten. Die verlangten Kenntnisse sind durch geeignete Maßnahmen, etwa Schulungen, sicherzustellen.
  • Im Hinblick auf Ansprüche auf Gewährung einer variablen Vergütung ist zu beachten, dass diese unter den Vorbehalt gestellt werden müssen, dass im Auszahlungszeitpunkt die Vorgaben des § 7 IVV erfüllt sind. Bei Vorableistung einer variablen Vergütung muss diese unter einen entsprechenden Rückzahlungsvorbehalt gestellt werden.
  • Malus- und Clawback-Regelungen in Arbeits- und Dienstverträgen sowie Betriebsvereinbarungen sind an die neuen Anforderungen anzupassen.
  • Ebenso wird in der Regel eine Anpassung der Abfindungsgrundsätze notwendig werden.
  • In zeitlicher Hinsicht ist zu empfehlen, eine Anpassung der institutseigenen Vergütungsregelungen an die neuen FAQ zur IVV zum 01.01.2024 anzustreben.

 

 


Beitragsnummer: 22203

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