Montag, 19. Juni 2023

Hemmung der Verjährung durch Klageerhebung (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB)

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

 

In seiner Entscheidung vom 24.02.2022, VII ZR 13/20, stellt der Bundesgerichtshof klar, dass eine Hemmung der Verjährung durch Klageerhebung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB eine Klage des Berechtigten voraussetzt, obwohl dies, anders als zuvor noch in § 209 Abs. 1 BGB aF, im Gesetzeswortlaut nicht zum Ausdruck kommt (Rn. 24). Sodann erinnert der Bundesgerichtshof daran, dass für die Berechtigung die materiell-rechtliche Verfügungsbefugnis maßgebend ist, weswegen Berechtigter i. S. v. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB neben dem Rechtsinhaber und seinem Rechtsnachfolger auch der gesetzliche oder gewillkürte Prozessstandschafter ist, weswegen im Falle der Klageerhebung in gewillkürter Prozessstandschaft für die Berechtigung wesentlich ist, dass der Kläger wirksam zur Durchsetzung der Forderung ermächtigt ist. Das Fehlen der für die Zulässigkeit der gewillkürten Prozessstandschaft zudem notwendige schutzwürdige rechtliche Interesse des Klägers hindere demgegenüber die Hemmung der Verjährung nicht (Rn. 25). In diesem Zusammenhang erinnert der Bundesgerichtshof noch daran, dass im Falle einer gewillkürten Prozessstandschaft die Befugnis, das fremde Recht im eigenen Namen geltend zu machen, in Verbindung mit der Klageerhebung allein noch nicht genügt, um eine Unterbrechung der Verjährung herbeizuführen. Vielmehr könne die Verjährung nur dann unterbrochen werden, wenn der Kläger sich im Rechtsstreit auch auf die ihm erteilte Ermächtigung beruft und zum Ausdruck bringt, dessen Recht geltend zu machen (Rn. 28).

Auch wenn der Senat deutlich zum Ausdruck bringt, dass er gewisse Zweifel an seiner eigenen diesbezüglichen früheren Rechtsprechung hat (Rn. 29), lässt er im Hinblick darauf offen, dass er im konkreten Fall auf das Erfordernis der Offenlegung der Abtretung mit Einziehungsermächtigung verzichtet (Rn. 30 ff.), ob er auch noch in Zukunft an seiner diesbezüglichen Rechtsprechung festzuhalten gedenkt. Hieran bestehen allerdings auf Grund des dahingehenden Hinweises des Senats in Rn. 29 gewisse Zweifel.

Hieran anschließend erinnert der Bundesgerichtshof daran, dass nach seiner Rechtsprechung die Erhebung der Klage nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Verjährung nur für Ansprüche in der Gestalt und in dem Umfang hemmt, wie sie mit der Klage geltend gemacht werden, also nur für die streitgegenständlichen prozessualen Ansprüche, welche sich grundsätzlich durch den Klageantrag und den Klagegrund bestimmen lassen (Rn. 44). In diesem Zusammenhang stellt der Bundesgerichtshof noch klar, dass ein andere Klagegrund und damit ein anderer Streitgegenstand dann vorliegt, wenn durch neue Tatsachen der Kern des in der Klage angeführten Lebenssachverhalts verändert wird, d. h. im Kern verschiedene Lebenssachverhalte gelten gemacht werden, was u. a. dann der Fall ist, wenn die materiell-rechtliche Regelung die zusammentreffenden Ansprüche durch eine Verselbstständigung der einzelnen Lebensvorgänge unterschiedlich ausgestaltet (Rn. 44 f.).


PRAXISTIPP

Auch wenn der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs ausweislich seiner Rn. 29 gewisse Zweifel daran geäußert hat, ob er in zukünftigen Fällen am Erfordernis der Offenlegung der Abtretung mit Einziehungsermächtigung festhalten wird, sollte jeder in zukünftigen Klagefällen rechtzeitig, d. h. bei Klageerhebung, seine materiell-rechtliche Verfügungsbefugnis nachweisen, wenn er rechtssicher die Hemmung der Verjährung herbeiführen möchte.


Beitragsnummer: 22181

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