Montag, 19. Juni 2023

Rechtsmissbräuchlichkeit des Widerspruchs

Auswirkungen einer Nachbelehrung

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

 

Im Anschluss an seine Entscheidung vom 15.02.2023, IV ZR 353/21 (vgl. hierzu Edelmann/Löchel, Banken-Times SPEZIAL, April 2023, S. 25 f.) stellt der Bundesgerichtshof ungeachtet der hierzu ergangenen Kritik (vgl. hierzu Böffel, BKR 2023, 309 ff.) nochmals klar, dass ein Bereicherungsanspruch nach § 242 BGB wegen rechtsmissbräuchlicher Ausübung des Widerspruchsrechts ausgeschlossen ist, wenn dem Versicherungsnehmer durch eine fehlerhafte Information in der Widerspruchsbelehrung nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben (Rn. 12).

Dies zugrundlegend führt der Bundesgerichtshof sodann aus, dass dann, wenn die Widerspruchsbelehrung, wie im konkreten Fall, keinen Hinweis auf die nach § 5a Abs. 1 S. 1 VVG in der ab 01.08.2001 gültigen Fassung erforderliche, aber auch ausreichende Textform des Widerspruchs enthält, der Versicherungsnehmer im Unklaren darüber bleibt, in welcher Form er die Widerrufserklärung abzugeben hat, was eine nicht unerhebliche Erschwernis der Ausübung des Widerspruchsrechts gegenüber einem ordnungsgemäß belehrten Versicherungsnehmer darstellt. Dies hat wiederum, so der BGH, zur Folge, dass dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit genommen wird, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben (Rn. 13 ff.). Dies deshalb, weil aus dem in der Belehrung enthaltenen Hinweis, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs genüge, der Versicherungsnehmer nicht entnehmen kann, dass ein Widerspruch in Textform erforderlich, aber auch ausreichend ist. Vielmehr wird er annehmen, dass ein formloser Widerspruch ebenfalls genügt (Rn. 16).

Nachdem sich das Berufungsgericht, von seinem Standpunkt aus folgerichtig, nicht mit dem Einwand befasst hat, der Versicherungsnehmer könne sein Widerspruchsrecht nicht mehr ausüben, nachdem dieser im Jahr 2015 eine ordnungsgemäße Nachbelehrung erhalten und in Kenntnis dieses Rechts zunächst über längere Zeit am Vertrag festgehalten habe, musste die Angelegenheit an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. In diesem Zusammenhang weist der Bundesgerichtshof darauf hin, dass unabhängig davon, ob eine erst nach jahrelanger Vertragsdurchführung erteilte Nachbelehrung geeignet ist, die Widerspruchsfrist noch in Gang zu setzen, eine solche Nachbelehrung als besonders gravierender Umstand gewertet werden kann, welcher dem Versicherungsnehmer die Geltendmachung eines auf sein Widerspruchsrecht gestützten Bereicherungsanspruchs nach § 242 BGB verwehrt. Allerdings setze dies voraus, dass die Nachbelehrung die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Belehrung erfüllt und einen hinreichend deutlichen Bezug zu dem Vertrag enthält, dessen Abschluss der Versicherungsnehmer noch widersprechen konnte (Rn. 24).

Abschließend stellt der Bundesgerichtshof noch klar, dass eine Vorlage an den EuGH (derzeit) nicht veranlasst ist. Dies deshalb, weil der Senat im konkreten Fall keine abschließende Entscheidung getroffen hat und derzeit noch offen ist, ob es auf den Einwand von Treu und Glauben für eine abschließende Entscheidung überhaupt ankommt (Rn. 25).

 

PRAXISTIPP

Nachdem der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in seiner Entscheidung vom 15.02.2023 ausgeführt hat, dass seine Rechtsprechung zum Eingreifen des Rechtsmissbrauchseinwands bei nur geringfügigen Belehrungsfehlern aus unterschiedlichen Belehrungen heraus keinen direkten Widerspruch zur Rechtsprechung des XI. Zivilsenat darstellt (Rn. 17 f.) und der IV. Zivilsenat bereits mehrfach festgehalten hat, dass er diesbezüglich eine EuGH-Vorlagepflicht nicht sieht (vgl. auch Rn. 28 ff. der Entscheidung vom 15.02.2023), bleibt abzuwarten, ob sich der XI. Zivilsenat von dieser Rechtsprechung beeinflussen und einen Rechtsmissbrauch des Darlehens-Widerrufsrechts auch dann bejaht, wenn die Widerrufsinformation (nur) einen geringfügigen Belehrungsfehler ausweist, durch den dem Darlehensnehmer nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Widerrufsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben, was wünschenswert wäre. Denn bei einer Vielzahl von Belehrungsfehlern ist offenkundig, dass der Darlehensnehmer auch bei zutreffender Widerrufsbelehrung von seinem Widerrufsrecht keinen Gebrauch gemacht hätte.


Beitragsnummer: 22178

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