Dirk Wolff-Simon, Wirtschaftsmediator (BMWA®/QVM®), Bankdirektor Kreditrisikomanagement, Norddeutsche Landesbank – Girozentrale –
I. Einleitung
Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen – kurz ESUG – am 01.03.2012, ergaben sich für den sanierungsbereiten Unternehmer neue Möglichkeiten, Einfluss auf eine Sanierung innerhalb des Insolvenzverfahrens zu nehmen, ohne die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis aufzugeben.[1] Infolge der notwendigen Evaluierung[2] des ESUG wurde die verfahrensrechtliche Besonderheit der Eigenverwaltung durch das Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz (SanInsFoG) nachgeschärft. Erkennt die Bank bei dem von ihr finanzierten Unternehmenskunden frühzeitig die Krisensituation und ist gewillt, den Kunden aktiv bei der Sanierung zu unterstützen, stellt sich regelmäßig zunächst die Frage nach der probaten Handlungsoption: Versuch der außergerichtlichen Restrukturierung oder der Weg über die gerichtliche Sanierung – möglicherweise im Eigenverwaltungsverfahren?
Hat der Unternehmer hierzu erste Entscheidungen getroffen, stellt sich für ihn nachfolgend die Frage nach dem zu präferierenden verfahrensrechtlichen Pfad. Anhand eines an die Praxis angelehnten Beispielfalls aus der mittelständischen Sanierungspraxis werden zunächst das Eigenverwaltungsverfahren und das Schutzschirmverfahren näher vorgestellt. Anschließend werden die Chancen des Eigenverwaltungsverfahrens anhand des konkreten Sanierungsbeispiels näher beleuchtet. Am Ende des Beitrags soll, angesichts der verfahrensrechtlichen Verschärfungen durch den Gesetzgeber, ein kurzer Ausblick auf die praktische Anwendung in der Zukunft unternommen werden.
II. Das Insolvenzeröffnungsverfahren
Werfen wir zunächst einen Blick auf das Insolvenzverfahren im eigentlichen Sinne. Voraussetzung für die Einleitung des Eigenverwaltungsverfahrens ist, wie beim Regelverfahren, dass ein Insolvenzgrund nach den §§ 17–19 InsO vorliegt (Abb. 1). Das Insolvenzverfahren wird gemäß § 13 Abs.1 S. 1 InsO grundsätzlich nur auf Antrag eröffnet und teilt sich in zwei Phasen. Der erste Abschnitt, das sogenannte Insolvenzeröffnungsverfahren, bezeichnet den Zeitraum zwischen Insolvenzantragstellung und Insolvenzeröffnung. Meist beträgt dieser Zeitraum zwei, manchmal drei Monate. Die Dauer dieses Zeitraumes wird maßgeblich davon bestimmt, ob zum Zeitpunkt der Insolvenzantragstellung bereits ein mit den Gläubigern bzw. wesentlichen Gläubigern (Banken) erörtertes und abgestimmtes Restrukturierungskonzept vorliegt, auf dessen Grundlage der (vorläufige) Insolvenzverwalter sein Gutachten fertigen kann, wenn das Insolvenzgericht ihn hierzu beauftragt.
III. Außergerichtliche Sanierung versus Sanierung im Insolvenzverfahren
Grundsätzlich stellt sich bei der identifizierten Unternehmenskrise zunächst die Frage: Sanierung in Eigenregie oder Sanierung über das Insolvenzverfahren? Hierbei ist jeder Einzelfall für sich nach den ausschlaggebenden Aspekten abzuwägen. Obgleich die außergerichtliche Sanierung („freie Sanierung“) im Vergleich zur gerichtlichen Sanierung eine Reihe von positiven Aspekten bietet, wie
- eine geringe Publizitätswirkung mit der Vermeidung von störenden Einflüssen auf Kunden- und Lieferantenbeziehungen,
- die größere Flexibilität im unternehmerischen Handeln während der Restrukturierungsphase,
- die Vermeidung von ungewollter Fluktuation bei Leistungsträgern,
- die Vertrauensbildung bei (wesentlichen) Gläubigern und Geschäftspartnern mit Blick auf die Erarbeitung eines frühzeitigen Sanierungskonzeptes oder
- der Kostenvorteil zum Insolvenzverfahren, aufgrund der Vermeidung von Verfahrens- und Gerichtskosten,
überwiegen, bei näherer Betrachtung, die Vorteile einer gerichtlichen Sanierung über den Insolvenzplan, wenn die Krise bereits das Stadium der Liquiditätskrise erreicht hat: [...]
Beitragsnummer: 22156