Montag, 22. Mai 2023

AGB-Urteil und Entgeltrückforderungsansprüche

Nichtigkeit der Abtretung von Auskunfts- und Entgeltrückforderungsansprüchen an gewinnorientierte Unternehmen (Cobult, Spreefels, Conny & Co)

Prof. Dr. Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart

 

(1)       Nach Ergehen der Fiktionsänderungsentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.04.2021, XI ZR 26/20, haben sich einige „Verbraucherschützer“ dazu entschieden, ein neues „Gewinnmaximierungsmodell" zu schaffen, mit welchem sie dachten, ohne großen Aufwand viel Geld verdienen zu können. Ohne sich um die Beschaffung jedweder konkreter Informationen über die Geschäftsbeziehung von Bank und Kunde zu bemühen und ohne auch nur ansatzweise eine rechtliche Prüfung dahingehend vorzunehmen, ob den Kunden überhaupt jemals etwaige Entgeltrückforderungsansprüche gegen ihre Bank aufgrund der Fiktionsänderungsentscheidung des Bundesgerichtshofs zugestanden hätten, wurden Unternehmen im In- und Ausland gegründet, welche sich angabegemäß von einer Vielzahl von Kunden unterschiedlicher Kreditinstitute deren Auskunfts- und Entgeltrückforderungsansprüche aus der Geschäftsbeziehung zur Bank gegen ein „Trinkgeld" umfassend abtreten ließen, um diese Ansprüche im eigenen Namen und auf eigenes Risiko gegen die Kreditinstitute geltend zu machen.

Nach Abtretung der Auskunfts- und Entgeltrückforderungsansprüche wandten sich diese so gegründeten Unternehmen dann tausendfach an unterschiedliche Kreditinstitute und baten zunächst um Auskunft über die Geschäftsbeziehung und insbesondere um Auskunft über etwaige von den Banken ihren Kunden in Rechnung gestellten Entgelte; dies allein zu dem Zweck, um etwaige bestehende Entgeltrückforderungsansprüche spezifizieren zu können. Dabei wurde bis auf wenige Ausnahmefälle von keinem der die Ansprüche geltend machenden Unternehmen jemals eine mit Originalunterschrift der Kunden versehene Abtretungsurkunde vorgelegt; dies obwohl die Kreditinstitute mehrfach um Übersendung solcher mit Originalunterschriften versehenen Abtretungsurkunden gebeten hatten (§ 410 BGB). Ganz im Gegenteil: Trotz dieser Mehrfachaufforderungen wurden nur in ganz seltenen vereinzelten Fällen entsprechende Dokumente vorgelegt, was allein schon gewisse Zweifel an einer ordnungsgemäßen und wirksamen Abtretung aufkommen ließ. Da es sich darüber hinaus bei den auf den Abtretungsurkunden enthaltenen Unterschriften nahezu ausschließlich um solche auf beliebige Dokumente eingescannte, wie auch immer hergestellte Unterschriften nicht mehr identifizierbarer Personen handelte, bei welchen zudem nicht ersichtlich war, ob diese überhaupt von den Kunden der Kreditinstitute stammen und ob die Kunden überhaupt Kenntnis vom Inhalt der Dokumente haben, auf denen ihre vermeintlichen Unterschriften auftauchten, die eingescannten Unterschriften auf den Abtretungsurkunden wiederum von den bei den Kreditinstituten hinterlegten Unterschriften ihrer Kunden so sehr abwichen, dass eine Zuordnung der Unterschriften zu den Kunden seriöserweise nicht mehr möglich war, konnten die Kreditinstitute schon allein aus diesem Grunde auf die geltend gemachten Ansprüche dieser Unternehmen nicht ohne Eingehen eines erheblichen Risikos eingehen. Dies gilt umso mehr, als diese Auskunfts- und Entgeltrückforderungsansprüche selbst in den Fällen von den Unternehmen gegenüber den Kreditinstituten geltend gemacht wurden, in welchen die Kreditinstitute gegenüber ihren Kunden schon lange die gewünschten Auskünfte erteilt und etwaig geschuldete zu viel vereinnahmte Entgelte zurückerstattet hatten.

Nachdem aus vorstehenden Gründen der weit überwiegende Anteil der Kreditinstitute auf die außergerichtlichen Schreiben der Unternehmen mangels Vorlage von mit Originalunterschriften versehenen Dokumenten ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr reagierten, entschieden sich die Unternehmen dazu, in mehreren 1.000 Fällen Einzelklagen vor unterschiedlichen Amtsgerichten gegen unterschiedliche Kreditinstitute rechtshängig zu machen, in welchen im Wege der Stufenklage zunächst Auskunfts- und hieran anschließend Entgeltrückforderungsansprüche geltend gemacht wurden.


(2)       Diesem „Gewinnmaximierungsmodell" haben zwischenzeitlich unterschiedliche Gerichte vorerst einen Riegel vorgeschoben.


(a)       So hat das Amtsgericht Duisburg in seinem Teilurteil vom 04.07.2022, 505 C 2948/21, BeckRS 2022, 27038, die vermeintliche Abtretung der Auskunftsansprüche der Bankkunden an die gewinnorientierten Unternehmen für nichtig erklärt. Dies deshalb, weil einer solchen Abtretung ein Abtretungsverbot gemäß § 399 BGB entgegenstünde. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass eine Forderung gemäß § 399 BGB nicht abgetreten werden könne, wenn die Leistung an einen anderen als den ursprünglichen Gläubiger nicht ohne Veränderung ihres Inhalts erfolgen kann oder wenn die Abtretung durch Vereinbarung mit dem Schuldner ausgeschlossen ist. Dabei wurde klargestellt, dass insbesondere Forderungen nicht abtretbar sind, deren Inhalt an die Person des Gläubigers gebunden ist. Zugleich wurde festgehalten, dass sich eine solche inhaltliche Personenbindung insbesondere aus der sozialen Natur der Leistung bzw. des Rechts oder aus einer normativen Wertung ergeben kann.

Dies zugrunde legend stellt das Amtsgericht Duisburg sodann klar, dass die abgetretenen Auskunftsansprüche sowohl nach dem ZKG als auch nach § 675 d BGB allein dem Verbraucherschutz sowie der Transparenz dienen und dem Kunden die Vergleichbarkeit von Konten und Kontoentgelten ermöglichen sollen. Werde daher der Auskunftsanspruch – wie in den betroffenen Fällen – abgetreten und von einer Kapitalgesellschaft geltend gemacht, die ganz vordergründig nur den Zweck verfolge, Gewinne mit eventuellen Ansprüchen der Verbraucher gegen die Bank zu erzielen, so diene die Auskunft nicht mehr dem Verbraucherschutz sondern allein dem Gewinnstreben der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft und den die Ansprüche für diese Gesellschaft verfolgenden Rechtsanwälten, was eine Inhaltsänderung der Auskunftsansprüche zur Folge habe, was wiederum einen Verstoß gegen § 399 BGB darstelle.


(b)       Dieser Auffassung hat sich das Amtsgericht Frankfurt am Main in einer Vielzahl von Entscheidungen mit umfassender und überzeugender Begründung angeschlossen (vgl. beispielsweise AG Frankfurt, Urteil vom 22.11.2022, 29 C 2873/22 (40), WM 2023,879 f.; AG Frankfurt, Urteil vom 27.10.2022, 32 C 2310/22 (70) sowie Urteil des Amtsgericht Frankfurt vom 25.11.2022, 32 C 2278/22 (22)). 

Ergänzend hat das Amtsgericht Frankfurt am Main in seiner vorstehend zitierten Entscheidung vom 22.11.2022 den hiermit verbundenen Entgeltrückforderungsanspruch für nichtig erachtet. Zur Begründung hat das Amtsgericht Frankfurt am Main überzeugend ausgeführt, dass die Nichtigkeit des Auskunftsteils der Abtretung zu einer Nichtigkeit der gesamten Abtretung nach § 139 BGB führt, weswegen das auf Gewinn orientierte Unternehmen auch für den Anspruch auf Entgeltrückerstattung nicht aktivlegitimiert sei.


(c)        Auch das Landgericht Bonn hat sich in dem, soweit ersichtlich, ersten Berufungsurteil vom 09.05.2023, 5 S 75/22 dieser Rechtsauffassung des Amtsgerichts Frankfurt am Main sowie des Amtsgerichts Duisburg angeschlossen und im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage sowie im Hinblick auf die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Revision zugelassen.

Sollte daher gegen das Urteil Revision eingelegt werden, ist davon auszugehen, dass sich der Bundesgerichtshof demnächst mit der entsprechenden Rechtsfrage auseinandersetzt.


(3)       Unabhängig davon, dass die Abtretungen gemäß vorstehender Entscheidungen wegen Verstoß gegen § 399 BGB als nichtig anzusehen sind, steht den Auskunftsansprüchen der allein nach Gewinn strebenden Unternehmen nach Auffassung unterschiedlicher anderer Instanzgerichte auch der Rechtsmissbrauchseinwand entgegen. Zur Begründung wird diesbezüglich ausgeführt, diese Unternehmen würden Auskunft allein und ausschließlich zur Verfolgung vermeintlich zustehender Entgeltrückforderungsansprüche der Bankkunden begehren sowie ersichtlich nur darum, solche dem Bankkunden ohnehin bereits vorliegende Informationen zu erhalten, um überhaupt erstmalig prüfen zu können, ob ein solcher Anspruch bestehe, was offenkundig rechtsmissbräuchlich sei (so in ähnlich gelagerten Fällen LG Wuppertal, Urteil vom 29.07.2021, 4 O 409/20, BeckRS 2021, 25249; LG Heidelberg, Urteil vom 21.02.2020, 4 O 6/19, ZD 2020, 313).


(4)       Was darüber hinaus die aus dem Ausland tätige Gesellschaft anbelangt, (vgl. hierzu Conny LLC, AG Frankfurt, a. a. O., WM 2 023, 879), so ist ergänzend festzuhalten, dass die eine Gesellschaft mit Verwaltungssitz im Ausland durch das Amtsgericht Frankfurt am Main durch x-fache Zwischenurteile zur Erbringung einer Prozesskostensicherheit verurteilt wurde, weil es nach der hierfür maßgeblichen Norm des § 110 ZPO auf den in New York liegenden Verwaltungs- und nicht auf den satzungsmäßigen Sitz ankommt, welcher bei Conny LLC in Luxemburg liegt (so beispielhaft AG Frankfurt, Zwischenurteil vom 10.11.2022, 30 C 1580/22 (68); Zwischenurteil des AG Frankfurt vom 18.11.2022, 31 C 1824/22 (78); AG Frankfurt, Zwischenurteil vom 17.11.2022, 30 C 1676/22 (20)).

 

PRAXISTIPP

Es bleibt zu hoffen, dass der Bundesgerichtshof den bisher ergangenen und vorstehend zitierten Entscheidungen in ihrer Argumentation folgt und die Abtretung für unwirksam erklärt. Ansonsten wird nicht nur das Gewinnstreben einiger „Verbraucherschützer und Anwälte" gefördert, sondern auch die Gründung von Kapitalgesellschaften, welche allein die Gewinnmaximierung zum Zweck haben. Dies, obwohl die Tätigkeit dieser Unternehmen noch nicht einmal ansatzweise dem Interesse der Bankkunden entspricht oder diesen gar zugutekommt.


Beitragsnummer: 22150

Beitrag teilen:

Produkte zum Thema:

Produkticon
Recht des Bankkontos: AGB-Recht & (un-)zulässige Entgelte

379,00 € exkl. 19 %

13.11.2023

Produkticon
Kommentar zum Zahlungsverkehrsrecht 3. Auflage

249,00 € inkl. 7 %

Beiträge zum Thema:

Beitragsicon
Drei-Jahres-Lösung für Entgeltrückforderungsansprüche

Anwendbarkeit der Drei-Jahres-Lösung auf Entgeltrückforderungsansprüche weiter in instanzrechtsprechung umstritten.

20.04.2023

Um die Webseite so optimal und nutzerfreundlich wie möglich zu gestalten, werten wir mit Ihrer Einwilligung durch Klick auf „Annehmen“ Ihre Besucherdaten mit Google Analytics aus und speichern hierfür erforderliche Cookies auf Ihrem Gerät ab. Hierbei kommt es auch zu Datenübermittlungen an Google in den USA. Weitere Infos finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen im Abschnitt zu den Datenauswertungen mit Google Analytics.