Mittwoch, 31. Mai 2023

Zwischenbilanz zum StaRUG-Verfahren

Funktionierendes Sanierungsinstrument – aber am Markt vorbei

Dieter Holtkötter, Diplom-Kaufmann, Gruppenleiter Restrukturierung bei einem Kreditinstitut

 

Über zwei Jahre sind seit dem Inkrafttreten des Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) vergangen. Die Einführung der Regelungen erfolgte seinerzeit im Lichte der Corona-Pandemie im Rahmen eines schnellen gesetzgeberischen Verfahrens. Nunmehr ist Zeit für eine erste Zwischenbilanz. 

Eine öffentliche Zählung der Verfahren, z. B. durch das Statistische Bundesamt, erfolgt nicht. Gleichwohl erfolgen statistische Erhebungen der betroffenen Fälle durch unmittelbare Befragungen der 24 Restrukturierungsgerichte in Deutschland. Für das Jahr 2021 erfolgte eine Befragung durch den Fachverlag INDat, einem Spezialverlag für Restrukturierung, Sanierung und Insolvenz. Für das Jahr 2022 übernahm in Abstimmung mit INDat das Zentrum für Insolvenzrecht und Sanierungspraxis (ZEFIS), einem wissenschaftlichen Institut der Universität Trier, diese Aufgabe und erweiterte die Befragung. Alle 24 Restrukturierungsgerichte beantworteten in beiden Jahren die Fragen vollständig. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Ergebnisse für das StaRUG-Verfahren ernüchternd sind. 

 

Verfahrenszahlen insgesamt

Es ergeben sich folgende Zahlen: In 2022 wurden 27 Restrukturierungsvorhaben (2021: 22) angezeigt. Sieben Verfahren endeten in 2022 mit Zustimmung der Planbetroffenen zum Plan. In allen sieben Fällen erfolgte eine gerichtliche Planbestätigung (2021: vier gerichtliche Planbestätigungen). Am 31.12.2022 waren noch zwölf Verfahren rechtshängig, könnten somit die Zahl der erfolgreichen Verfahren noch erhöhen (31.12.2021: vier rechtshängige Verfahren). 

Sanierungsmoderationen wurden in 2022 drei gezählt (2021: sechs), von denen eine mit einem Sanierungsvergleich erfolgreich abgeschlossen werden konnte (2021: drei).

 

Sonstige Verfahrenszahlen für 2022

Die Befragung der 24 Restrukturierungsgerichte war in 2022 im Vergleich zu 2021 – wie oben beschrieben – inhaltlich umfassender. Für 2022 konnten daher weitergehende Erkenntnisse ermitteln werden. So wurden in den 27 angezeigten Restrukturierungsverfahren 16 Restrukturierungsbeauftrage bestellt. Die Möglichkeit einer gerichtlichen Vorprüfung wurde nur bei einem Restrukturierungsgericht in zwei Fällen vorgenommen. Lediglich ein Verfahren wurde in 2022 öffentlich bekannt gemacht. Die öffentliche Bekanntmachung wird insoweit faktisch nicht genutzt. Nur Verfahren mit Anleihen, die einer Publizitätspflicht unterliegen, wurden bislang öffentlich bekannt gemacht (so etwa das StaRUG-Verfahren „Eterna“ in 2021).

 

Fazit

Positiv anzumerken ist, dass der Gesetzgeber mit dem StaRUG ein grundsätzlich funktionsfähiges Verfahren geschaffen hat. Es gibt einige – wenn auch wenige – Verfahren, die durch einen Restrukturierungsplan oder Sanierungsvergleich zum Abschluss gebracht werden konnten. 

Gleichwohl sind die Verfahrenszahlen äußerst niedrig. Die ursprüngliche Befürchtung gerade vieler finanzierenden Banken, Kreditnehmer könnten sich über diesen Weg einfach und schnell von wesentlichen Teilen ihrer Finanzverbindlichkeiten trennen, war insoweit unbegründet. Es stellt sich auf Dauer aber die Frage, ob StaRUG – genauso wie das vormalige Vergleichsverfahren gem. Vergleichsordnung (VerglO) – in der Bedeutungslosigkeit versinken wird. Die Vergleichsordnung wurde bekanntlich mit der Einführung des Insolvenzordnung 1999 gestrichen.

Teile der Sanierungspraxis argumentieren in diesem Zusammenhang mit dem „Drohpotenzial“ von StaRUG-Verfahren. Danach können konsensuale Lösungen durch Mehrheitsentscheidungen ersetzt werden, was die Verhandlungsbereitschaft opponierender Gläubiger erhöhe. Das Ausbleiben von StaRUG-Fällen sei insoweit als Erfolg des Verfahrens zu werten. 

Verkannt wird dabei, dass es auch ohne StaRUG in der Sanierungspraxis Möglichkeiten gibt, opponierende Gläubiger durch eine einvernehmliche Regelung zu einem konsensualen Sanierungsverhalten zu bewegen. Zwar führt dies zu einer (temporären) Ungleichbehandlung unter den Gläubigern, die aber im Einzelfall leichter umzusetzen ist als ein umfassendes StaRUG-Verfahren und insoweit für Schuldner und Gläubiger akzeptabel ist.

Eine umfangreiche Ursachenanalyse der gegenwärtigen Situation wird daher absehbar unabdingbar sein, will der Gesetzgeber das StaRUG-Verfahren nicht der völligen Bedeutungslosigkeit preisgeben.

 

PRAXISTIPPS

  • Klare Regeln und Zuständigkeiten für den internen Umgang mit StaRUG-Verfahren auf Grundlage aufsichtsrechtlicher Vorgaben sollten frühzeitig in den Richtlinien der Bank verankert werden. Hierdurch können interne Abstimmungs- und Entscheidungsprozesse beschleunigt und Handlungsmöglichkeiten im Rahmen von Planabstimmungen optimal genutzt werden.
  • Da die Abläufe dieses Verfahrens sehr komplex sind und die zeitlichen Reaktionsmöglichkeiten insbesondere im Rahmen von Planabstimmungen sehr begrenzt sein können, hat die Bank entsprechendes Spezial-Know-how in der einzubindenden Problemkreditbearbeitung vorzuhalten. Da die Anzahl der Verfahren generell sehr gering sind sollte auch die Einbindung eines Dienstleisters (z. B. hierauf spezialisierte Rechtsanwaltkanzlei) erwogen werden.

Beitragsnummer: 22138

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