Donnerstag, 16. März 2023

„Verschmelzung“ von Grundstücken: Grundschuld versus Dienstbarkeit

Kristin Viereck, Stellv. Fachbereichsleiterin Kredit, Immobilien, Sanierung, Insolvenz, Finanz Colloquium Heidelberg GmbH

 

Die Zuschreibung eines mit einer Grunddienstbarkeit belasteten Grundstücks zu einem grundpfandrechtlich besicherten Grundstück birgt in der gängigen Bankpraxis zahlreiche Fallen. Diese recht seltene Fallkonstellation bringt viele Fragen mit sich, u. a.: 

  • Dient das zugeschriebene Grundstück, welches NICHT über die Bank finanziert ist, künftig als Sicherheit für die Bank?
  • Geht die Grundschuld auf das zugeschriebene Grundstück über?
  • Geht eine Dienstbarkeit von dem zugeschriebenen Grundstück auf das Grundstück, welches als Kreditsicherheit dient über?
  • Ist ein neuer Sicherungsvertrag/Zweckerklärung mit dem Kunden zu schließen?
  • Ist eine anlassbezogene Wertüberprüfung oder Neubewertung des Grundstücks/der Immobilie aufgrund des ggf. vorhandenen Wertzuwachses durch die Grundstücksmehrung erforderlich, wenn hierfür kein Neukreditgewährung erforderlich war?

Die ersten der vorgenannten Fragen werden in diesem Kurzbeitrag thematisiert.  

 

Ausgangssituation

Ein mit einer Grunddienstbarkeit belasteten Grundstücks wird im Rahmen eines notariellen Kaufvertrags einem grundpfandrechtlich belasteten Grundstück zugeschrieben. Hierbei handelt es sich im Vorfeld in der Praxis in aller Regel um zwei angrenzende Grundstücke.

Alternativ zur „Verschmelzung“ der Grundstücke können auch beide Grundstücke parallel mit einer separaten Flurstücknummer bestehen, in diesem Fall greifen die nachfolgenden Ausführungen nicht!

 

Ablauf und Folgen der „Verschmelzung“ für die Gläubigerbank

Was passiert im Rahmen der Zuschreibung? Im Rahmen des Kaufvertragsschlusses, wird die Bank, welche als Gläubigerin mit Grundschuld(en) im Grundbuch eingetragen ist, um Zustimmung gebeten, dass die Dienstbarkeit künftig den – auch zeitlich früheren – eingetragenen Grundpfandrecht(en) vorgeht. 

Der Hintergrund dieser zustimmungspflichtigen Anfrage beim Grundschuldgläubiger ist, dass das Grundpfandrecht auf das zugeschriebene Grundstück übergeht. Auf dem zugeschriebenen Grundstücksteil lasten nach Vollzug des Kaufvertrages im Grundbuch sowohl die Dienstbarkeit als auch die Grundschuld.

Umgekehrt geht die Dienstbarkeit allerdings NICHT auf das Bestandsgrundstück bzw. dem mit Grundschuld(en) belasteten Grundstücks über. Auf diesem lasten weiterhin ausschließlich die Grundschuld(en). 

 

Konkrete Fallgestaltung: Beispielfall

Zukauf eines am bebauten Wohngrundstücks angrenzenden Grundstücksteils von der Gemeinde. Im Fall der Verschmelzung dieser zwei Grundstücke verhält es sich so, dass die Grunddienstbarkeit (Nießbrauchrecht bzgl. eines Abwasserkanals) vom zugekauften Grundstück NICHT auf das bebaute und durch die Bank besicherte Bestandsgrundstück übergeht. Umgekehrt geht jedoch die Grundschuld der Bank, die auf dem Bestandsgrundstück lastet und im Grundbuch eingetragen ist, nun auf das erworbene bzw. zu verschmelzende Grundstücksteil über. Somit lastet die Grundschuld auf dem gesamten, verschmolzenen Grundstück.

 

Rechtliche Einordnung zum Umgang der auseinanderfallenden Rechte

Für die rechtliche Einordnung wird nachfolgend aus dem DNotI-Report 07/2014 von April 2014 zitiert: „Nach § 890 Abs. 2 BGB kann ein Grundstück (zugeschriebenes Grundstück) einem anderen Grundstück (Hauptgrundstück) als Bestandteil zugeschrieben werden. … Die Wirkung der Bestandteilszuschreibung besteht darin, dass das zugeschriebene Grundstück Bestandteil des Hauptgrundstücks wird. Ebenso wie bei einer Vereinigung (§890 Abs. 1 BGB) entsteht ein neues Grundstück im rechtlichen Sinne. Zukünftige Belastungen erfassen das ganze Grundstück; bisherige Belastungen erfassen das ganze Grundstück; bisherige Belastungen bleiben auf jedem Teil bestehen. Die bislang nur an einem Grundstücksteil bestehenden Belastungen erstrecken sich demnach nicht etwas auf die anderen Grundstücksteile (…). Eine Ausnahme gilt nach §§ 1131 S. 1, 1192 Abs. 1 BGB für Grundpfandrechte. Grundpfandrechte, die am Hauptgrundstück lasten, erstrecken sich auf das zugeschriebene Grundstück und nehmen Rang nach den auf dem zugeschriebenen Grundstück bestehenden Belastungen ein (§ 1131 S. 2 BGB).“

Zum Vollstreckungsrecht wird hierin weiter ausgeführt: „Vollstreckungsrechtlich entstanden nach der bisher h. M.   ebenfalls keine Schwierigkeiten, weil es sich bei den Dienstbarkeiten um keine Verwertungsrechte handelt. Die vorrangigen Dienstbarkeiten fielen in das geringste Gebot und blieben nach §§ 52 Abs. 1 S. 1, 44 Abs. 1 ZVG in jedem Falle weiter bestehen.“ 

In Bezug auf die Grundbuchordnung wurde ergänzend ausgeführt: „Diese Wertungen müssen u.E. nach der Neufassung von § 5 Abs. 1 GBO weiterhin maßgeblich bleiben. Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung nämlich gerade auf die Besonderheiten von Dienstbarkeiten und § 7 Abs. 2 GBO hingewiesen. Zudem drohen keine zwangsversteigerungsrechtlichen Komplikationen, wenn die Dienstbarkeiten Rang vor den Grundpfandrechten haben. Die vorrangigen Dienstbarkeiten dürfen daher weder der Bestandsteilszuschreibung noch der katastertechnischen Verschmelzung der Flurstücke entgegenstehen und keine Verwirrung nach § 6 Abs. 2 GBO i. V. m. § 5 Abs. 1 S. 2 bzw. § 5 Abs. 1 S. 1 GBO begründen.“ 

 

PRAXISTIPPS

  • Hinterfragen Sie, ob Sie in Ihrem Kundenportfolio Grundstücksverschmelzungen haben, denen unterschiedliche Rechte zu Grunde liegen. Wie gehen Sie mit diesen um?
  • Klären Sie mit Ihrem Rechtsbereich in der Bank, ob ein neuer Sicherungsvertrag/Zweckerklärung erforderlich ist.
  • Klären Sie mit Ihrem Gutachter oder Rechtsbereich, ob einer Wertüberprüfung oder gar Neubewertung des Grundstücks/der Immobilie durch die Verschmelzung erforderlich ist.

Beitragsnummer: 22053

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