Hervé Edelmann, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Thümmel, Schütze & Partner, Stuttgart
In seinem nicht rechtskräftigen und beim Bundesgerichtshof unter dem Az. XI ZR 336/22 rechtshängigen Urteil vom 25.11.2022, 1 S 69/22 (ZIP 2023, 295), setzt sich das Landgericht Trier zunächst mit der Frage auseinander, ob Entgeltrückforderungsansprüche aufgrund der Fiktionsentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.04.2021, XI ZR 26/20, aufgrund der Übertragbarkeit der energiewirtschaftlichen Drei-Jahres-Lösung lediglich für die letzten drei Jahre bestehen. Dabei gelangt das Landgericht Trier, anders als eine Vielzahl anderer Gerichte (vgl. hierzu Banken-Times SPEZIAL Bankrecht, Ausgabe Oktober 2022, 90 f. sowie Ausgabe Juli/August 2022, 62), zum Ergebnis, dass die energiewirtschaftliche Drei-Jahres-Lösung auf Entgeltrückforderungsansprüche im Bankrecht keine Anwendung findet.
Hieran anschließend prüft das Landgericht Trier die Frage, ob etwaige Entgeltrückforderungsansprüche aufgrund der dreijährigen Kenntnis abhängigen Verjährung verjährt sind.
Mit überzeugenden Argumenten legt das Landgericht Trier dar, weswegen unter Berücksichtigung der nationalen Vorschriften etwaige Entgeltrückforderungsansprüche nicht verjährt wären.
Hieran anschließend überrascht das Landgericht Trier allerdings dadurch, dass es unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach der Beginn der Verjährungsfrist voraussetzt, dass der Kunde von der Missbräuchlichkeit der Klausel Kenntnis erlangt, den Beginn der Verjährungsfrist bis zur Kenntniserlangung von der Fiktionsentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.04.2021 hinausschiebt. In diesem Zusammenhang vertritt das Landgericht Trier die Auffassung, dass die Zumutbarkeitsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch in den Fällen gelten muss, wenn zwar keine entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung existiert, jedoch ausgehend vom Meinungsstand in der Literatur und Rechtsprechung eine Klage genauso wenig Aussicht auf Erfolg hat, weil einhellig eine bestimmte, den Rückforderungsanspruch ausschließende Rechtsansicht vertreten wird, was nach Auffassung des Landgerichts Trier in Bezug auf die Entgeltrückforderungsansprüche aufgrund der Fiktionsentscheidung des Bundesgerichtshofs gilt.
PRAXISTIPP
Soweit das Landgericht Trier die Auffassung vertritt, dass die energiewirtschaftliche Drei-Jahres-Lösung auf Entgeltrückforderungsansprüche im Bankrecht nicht übertragbar ist, so mag diese Rechtsauffassung zumindest trotz der entgegenstehenden überwiegenden Instanz Rechtsprechung als vertretbar angesehen werden.
Was allerdings das Hinausschieben der Verjährung in Bezug auf etwaige bestehende Entgeltrückforderungsansprüche bis zur Kenntniserlangung von der BGH-Entscheidung vom 27.04.2021 anbelangt, so ist dem Landgericht Trier bereits vorzuwerfen, dass es sich bei seinen dahingehenden Ausführungen mit der dahingehenden dezidiert anders lautenden Literaturauffassung noch nicht einmal ansatzweise auseinandersetzt (vgl. hierzu Herresthal, ZHR 186 (2022), 373, 405; Edelmann/Schultheiß/Weil, BB 2022, 1.548, 1.549 f.). Erst recht nicht setzt sich das Landgericht Trier mit der Frage auseinander, ob die als Ausnahme geltende Zumutbarkeitsrechtsprechung überhaupt auf andere Fälle übertragen werden kann. Darüber hinaus wird nicht geprüft, ob die dreijährige Kenntnis abhängige Verjährung nicht doch mit dem Effektivitätsgrundsatz des EuGHs zu vereinbaren ist. Schließlich wird in keinster Weise geprüft, ob die die kenntnisabhängige Regelverjährung beinhaltende Norm des § 199 Abs. 1 BGB überhaupt europarechtskonform auslegungsfähig ist. Hätte sich das Landgericht Trier mit all diesen Argumenten auseinandergesetzt, dann hätte es festgestellt, dass ein Hinausschieben des Beginns der Verjährung bei Entgeltrückforderungsansprüchen aufgrund der Fiktionsentscheidung des Bundesgerichtshofs aus unterschiedlichen Gründen nicht möglich ist (vgl. hierzu Herresthal sowie Edelmann/Schultheiß/Weil, a. a. O.).
Beitragsnummer: 22042