Mittwoch, 22. Februar 2023

§ 502 BGB auf Nichtabnahmeentschädigung nicht anwendbar

OLG Thüringen zur Nichtanwendbarkeit von § 502 BGB auf die Nichtabnahmeentschädigung

Carsten Sieper, Rechtsanwalt, Thümmel, Schütze & Partner, Frankfurt

 

Immer wieder wird von Darlehensnehmerseite bei verweigerter Abnahme des Darlehens und der Geltendmachung einer Nichtabnahmeentschädigung eingewandt, dass die Angaben im Vertrag zur Vertragslaufzeit, zum Kündigungsrecht des Darlehensnehmers und zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend wären und deshalb in (analoger) Anwendung von § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB auch keine Nichtabnahmeentschädigung zu leisten (gewesen) sei.

Die ersichtliche Rechtsprechung und Kommentierung hierzu steht dieser Ansicht ablehnend gegenüber (vgl. z. B. OLG Köln, Beschluss vom 24.08.2020 – 13 U 57/20; LG Landshut, Urteil vom 04.01.2023 – 24 O 2160/22, n. v.; LG Bonn, Urteil vom 24.03.2022 – 17 O 209/21; LG Köln, Urteil vom 27.02.2020, Az. 15 O 379/19; BeckOK BGB/Möller, 64. Ed. 1.5.2022, BGB § 502 Rn. 8; kritischer Knops in BeckOGK, 15.01.2023 § 502, Rn. 63, der einen Hinweis auf die Nichtabnahmeentschädigung im Vertrag fordert). 

Begründet wird das unter anderem damit, dass die direkte Anwendung von § 502 BGB auf die Nichtabnahmeentschädigung nicht mit dem Wortlaut der Norm vereinbar sei und es an einer planwidrigen Regelungslücke für eine analoge Anwendung von § 502 BGB fehle. Bei der Nichtabnahmeentschädigung handelt es sich regelmäßig um einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung gem. §§ 280 Abs. 1 u. 3, 281 Abs. 1 BGB.

Nun hat das OLG Thüringen in einem nicht veröffentlichten Hinweisbeschluss vom 08.12.2022 – 5 U 858/22 – ebenfalls ausgeführt, dass die dortige erste Instanz zu Recht § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB nicht auf die Nichtabnahmeentschädigung angewandt habe. Bei der Nichtabnahmeentschädigung handele es sich um einen Schadensersatzanspruch, der bei der verweigerten Abnahme schon dem Grunde nach bestehe. Eine Allgemeine Geschäftsbedingung, welche die Zahlung einer Nichtabnahmeentschädigung vorsehe, könne daher auch nicht den wesentlichen Grundlagen der gesetzlichen Regelung widersprechen, so das Oberlandesgericht Thüringen. 

Die Berufung wurde im weiteren Verlauf vom Berufungsführer zurückgenommen. Das Verfahren ist rechtskräftig beendet.

 

PRAXISTIPP

Das Oberlandesgericht Thüringen bestätigt die soweit ersichtliche sonstige Rechtsprechung, dass sich ein Anspruch auf Nichtabnahmeentschädigung nicht an den von § 502 BGB aufgestellten Hürden messen lassen muss. Im Hinblick auf die gerade obergerichtlich rare Rechtsprechung zu dieser Thematik stellt der Hinweisbeschuss des OLG Thüringen trotz seiner diesbezüglichen Kürze und der in dieser Allgemeinheit im Hinblick auf eine AGB-Wirksamkeit einer Vertragsklausel sicherlich zu überdenkenden Formulierung dennoch eine nützliche weitere Argumentationsgrundlage dar, wenn sich ein Kreditinstitut wieder einmal mit der hierzu gegenläufigen Rechtsansicht konfrontiert sieht.


Beitragsnummer: 22039

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