Montag, 20. Februar 2023

Verlustfreie Bewertung des Bankbuchs: Herausforderungen im Controlling

Ideen für methodische Ansätze zur sachgerechten Herleitung der relevanten Parameter und Annahmen

Tim-Oliver Engelke, M. Sc., ist bei der Kreissparkasse Düsseldorf als Spezialist Gesamtbanksteuerung beschäftigt und ist stellvertretender Leiter der Risikocontrolling-Funktion

 

Kaum ein Thema der Banksteuerung hat sich in den letzten Monaten, bezogen auf die Bedeutung, so verändert wie die verlustfreie Bewertung des Bankbuches (BFA 3). Dies liegt zum einen an der gestiegenen Zinsentwicklung, welche zu einer deutlichen Verringerung der Barwerte in den Zinsbüchern der Banken geführt hat und zum anderen an veralteten Parameterannahmen, welche allein aus Vereinfachungsgründen eingeführt wurden und teilweise bis auf das Jahr 2013 zurückzuführen sind. Seitens der Institute sollte demnach vor dem Hintergrund der veränderten Rahmenbedingungen eine fachliche Neubewertung durchgeführt werden. Um der gestiegenen Relevanz gerecht zu werden, wurde zudem am 08.12.22 seitens der Bundesbank ein institutsübergreifendes Auskunftsersuchen zu den Auswirkungen des BFA 3 auf den deutschen Bankensektor durchgeführt[1].

Die Bedeutung des Themas wird zudem über die möglichen Auswirkungen bestimmt, da eine Drohverlustrückstellung dann zu bilden ist, wenn der Buchwert des Zinsbuches den Barwert übersteigt. Da die eine Drohverlustrückstellung im Bewertungsergebnis zu berücksichtigen ist ergibt sich eine direkte Auswirkung auf den Jahresüberschuss. Da die FinRep zudem der Logik eines fiktiven Jahresabschlusses auch unterjährig folgt wäre die Bildung einer Drohverlustrückstellung auch quartalsweise im Rahmen der FinRep anzuzeigen.

Hinsichtlich der Komplexität der fachlichen Überarbeitung der Annahmen kommt zudem erschwerend hinzu, dass das Thema mehrere Bereiche in Form von Rechnungswesen, Meldewesen und Risikocontrolling gleichsam berührt. Dies erfordert in jedem Fall eine Überarbeitung des Workflows und eine Sensibilisierung für die Bedeutung des Themas. Die letztendliche Ermittlung des BFA 3 wird in der Praxis jedoch primär im Risikocontrolling angesiedelt. Demnach ergibt sich auch hier die fachliche Evaluation der nachfolgenden Parameter und Annahmen, welche einen maßgeblichen Einfluss auf die Höhe der stillen Reserve bzw. Last ausüben.

Zunächst sei hier auf den Verwaltungskostenbarwert hinzuweisen, welcher im Schema der Ermittlung der verlustfreien Bewertung des Zinsbuches eine maßgebliche Abzugsposition darstellt. Determiniert wird dieser über die festgelegte Verwaltungskostenquote. Diese Quote drückt aus, welcher Teil der Verwaltungsaufwendungen auf das Zinsbuch und das Bestandsgeschäft gleichsam entfällt. Gemäß Tz. 47 des IDW BFA 3 wird für die Ermittlung des Anteils eine „vereinfachte, auf pauschalen Annahmen basierende Ermittlung der Verwaltungs- und Risikokosten […] grundsätzlich als zulässig erachtet, wenn diese Kosten tendenziell überzeichnet werden“[2]. Aus Vereinfachungsgründen und den Niedrigzinsbedingt hohen Reserven wurde bislang auf eine Quote von pauschal 50 % abgestellt. Aufgrund der Annahme des „Auslaufens“ des Bestandsgeschäftes fallen demnach unter anderem folgende Aufwendungen weg: Vorbereitung bis Nachbereitung von Neugeschäft, Leerkosten aus Überkapazitäten, Kosten für den Vertrieb und Marketing, IT-Kosten für neue Projekte. Bezüglich der Overheadkosten wie Kosten der allgemeinen Verwaltung ist festzustellen, dass diese nur dann zu berücksichtigen sind, wenn diese am Abschlussstichtag konkret der Bestandsverwaltung des Zinsbuches zugerechnet werden können[3].

Zur Herleitung einer sachgerechteren Quote wird bei LSI-Banken primär auf Verfahren zur Ermittlung von Standardstückkosten oder Personalkapazitäten abgestellt. Im Rahmen einer dezidierten Betrachtung der Standardstückkosten können die Geschäftsprozesse und deren Kosten identifiziert werden, welche konkret dem Zinsbuch und Bestandsgeschäft zugeordnet werden. Nach Analyse der Geschäftsprozesse ergibt sich eine Quote, welche dann auf den gesamten Plan-Verwaltungsaufwand übertragen wird. Beim Ansatz hinsichtlich der Personalkapazitäten wird betrachtet, welcher Anteil der Aufgaben und Standardprozesse einzelner Abteilungen bzw. Organisationseinheiten speziell der Bestandsführung des Zinsbuches zugeordnet werden kann[4]. Eine genaue Evaluation erfordert demnach eine konkrete Einbindung verschiedener bankinterner Abteilungen im Rahmen eines Workshops. Beide Ansätze folgen demnach der Annahme einer inhärenten Beziehung zwischen Sach- und Personalaufwendungen.

In der Praxis können durch die dargestellten Ansätze demnach deutliche Reduzierungen der Verwaltungskostenquote von ca. 40–50 % erreicht werden, welche zu einer Verringerung der potenziellen Drohverlustrückstellung führen. Entscheidend bei der Verwendung neuer Quoten ist jedoch immer eine dezidierte Analyse und ausreichende Dokumentation. Von einer unreflektierten Übernahme externer Quoten zur Verringerung der Auswirkung des BFA 3 kann nur abgeraten werden.

Einhergehend mit der Verwaltungskostenquote sollte auch die Provisionsquote eine Neubetrachtung unterzogen werden. Gemäß Aussage des IDW dürfen Provisionserträge nur in dem Maße berücksichtigt werden, wie diesen auch entsprechende Verwaltungsaufwendungen gegenüberstehen[5]. Im Rahmen einer durchgeführten Stückkostenanalyse sollte demnach nachgewiesen werden können, dass auch Kosten für Giro/KK und Zahlungsverkehr anteilig berücksichtigt werden. Eine isolierte Reduzierung der Verwaltungskostenquote bei Beibehaltung der bestehenden Provisionsquote ist vor dem Hintergrund des BFA 3 als nicht sachgerecht zu bezeichnen.

Neben der Verwaltungskosten- und der Provisionsquote sollte auch ggf. die Methodik der Ermittlung der Lückeschließung gemäß Tz. 37 BFA 3 fachlich evaluiert werden[6]. Bei der Lückeschließung sind jegliche Betrags- oder Laufzeitinkongruenzen zum Abschlussstichtag fiktiv zu schließen. Wohingegen die Aktiv-Überhange im Cashflow risikolos angelegt werden können, sind die Passiv-Überhange über eine Kurve zu schließen, welche den individuellen Refinanzierungsaufschlag des Kreditinstituts berücksichtigt[7]. Entscheidend ist dabei die Frage wie bzw. über welche Produkte sich die Bank in der Praxis refinanziert. Bei dem Großteil der LSI-Banken vollzieht sich, auf Basis des Geschäftsmodells, die Refinanzierung primär über den Kunden und nicht über den Kapitalmarkt. Demnach wird zur Schließung der Passiv-Lücken auf Produkte wie Sparkassenbriefe und Spareinlagen abgestellt. Als Möglichkeit besteht daher die Verwendung der Swap-Kurve für die Refinanzierung. Würde die Bank etwaige Refinanzierungslücken über erhöhte Konditionen im Kundengeschäft schließen, wäre im Maximalfall der Swap-Satz als Richtwert anzusetzen, da die Sparkasse bei Überschreitung des Swap-Satzes ansonsten eine negative Marge erzielen würde. Bezüglich der Herleitung ist demnach nachzuweisen, dass sich die Bank „im Durchschnitt“ nicht schlechter als zur betrachteten Kurve refinanziert[8]. Im Rahmen der Dokumentation wäre bspw. ein historischer Vergleich der bankindividuellen Konditionen für Sparkassenbriefe/Spareinlagen mit der Swap-Kurve möglich.

Gemäß Tz. 39 sollte zudem die Finanzierungswirkung des Eigenkapitals hinsichtlich der fiktiven Lückenschließung institutsindividuell evaluiert werden[9]. Dies folgt der Logik, dass das zur Verfügung stehende Eigenkapital bereits als Refinanzierungsquelle dient und demnach nicht erneut refinanziert werden muss. Durch die Berücksichtigung des Eigenkapitals wird der zu refinanzierende Betrag demnach verringert und dies führt zu einer verringerten Abzugsposition durch die fiktive Liquiditätslückenschließung. Den gleichen Ansatz verfolgt auch die Meldung zur Net Stable Funding Ratio (NSFR) wonach das harte Kernkapital einen Teil der verfügbaren stabilen Refinanzierung (ASF) darstellt und die NSFR demnach erhöht[10].

Zusammenfassend kann demnach gesagt werden, dass die Entwicklung der Zinskurve und die damit einhergehenden Auswirkungen auf die verlustfreie Bewertung genutzt werden sollte, um die verwendete Methodik und die damit einhergehenden Parameter einer dezidierten Evaluation und Analyse zu unterziehen. So kann auch zukünftig eine sachgerechte und zeitgemäße Ermittlung der verlustfreien Bewertung gemäß IDW BFA 3 gewährleistet werden.

 

PRAXISTIPPS

  • Führen Sie eine bereichsübergreifende Sensibilisierung der Bedeutung und fachlichen Neubewertung des Themas durch.
  • Gehen Sie je nach Höhe der Reserve zumindest in eine quartalsweise Ermittlung der verlustfreien Bewertung gemäß BFA 3 über.
  • Berücksichtigen Sie bei Anpassungen den inhärenten Zusammenhang zwischen Verwaltungskosten- und der Provisionsquote.
  • Analysieren Sie die institutsindividuellen Produkte und Konditionen zur Refinanzierung sowie deren Verlauf im Vergleich zur Swap-Kurve.

 

 

[1] Schwach, R. (2022): Umgang mit Drohverlustrückstellungen aus der Verlustfreien Bewertung des Bankbuchs (BFA 3), erhältlich auf: https://banking.vision/umgang-mit-drohverlustrueckstellungen/, Abfrage vom 07.01.2023.

[2] Vgl. IDW (2017): IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Einzelfragen der verlustfreien Bewertung von zinsbezogenen Geschäften des Bankbuchs (Zinsbuchs) (IDW RS BFA 3 n.F.), Tz. 47, S. 9.

[3] Vgl. IDW (2022): Ausgewählte handelsrechtliche Bilanzierungsfragen zum Ab-schlussstichtag 31.12.2022 bei Instituten, erhältlich auf: https://www.idw.de/idw/idw-aktuell/fachlicher-hinweis-des-bfa-zu-ausgewaehlten-bilanzierungsfragen-nach-hgb-bei-instituten.html, S.5, Abfrage vom 07.01.2023.

[4] Vgl. Gaber, C. (2018): Bankbilanz nach HGB Praxisorientierte Darstellung der Bilanzierung von Bankgeschäften, S. 431.

[5] Vgl. IDW (2017): a. a. O., Tz. 12, S. 4.

[6] Vgl. IDW (2017): a. a. O., Tz. 37, S. 8.

[7] Vgl. IDW (2017): a. a. O., Tz. 37, S. 8.

[8] Vgl. DGRV (2019): DGRV-Praxishandbuch Derivate und strukturierte Produkte.

[9] Vgl. IDW (2017): a. a. O., Tz. 39, S. 8–9.

[10] BIS (2014): Konsultationspapier – Basel III: Strukturelle Liquiditätsquote, S. 4.


Beitragsnummer: 22035

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