Stefan Frisch, Director, IPB Compliance Germany, Deutsche Bank AG
I. Einführung
Seit dem 22.11.2022 – national umgesetzt durch die Verordnung vom 30.09.2022 (BGBl. I, 1603) – verlangt die Delegierte Richtlinie (EU) 2021/1269 die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsfaktoren in die Produktüberwachungspflichten und unterstreicht die Anforderungen an die Granularität bzw. Detailtiefe bei der Zielmarktsetzung.
II. Vermeidung „gestrandeter“ Vermögenswerte und Mobilisierung nachhaltiger Finanzmittel
Am 08.03.2018 veröffentlichte die EU-Kommission ihren Aktionsplan: Finanzierung nachhaltigen Wachstums[1]. Bereits am 06.07.2021[2] erfolgte der zweite, verbesserte Aktionsplan: „Europa wird in diesem Jahrzehnt zusätzliche Investitionen in Höhe von schätzungsweise 350 Mrd. EUR pro Jahr benötigen, um sein Emissionsreduktionsziel für 2030 allein durch Energiesysteme zu erreichen, und dazu weitere 130 Mrd. EUR für andere Umweltziele.“
Ehrgeizig und umfassend strebt die EU-Kommission damit eine Neuausrichtung der Kapitalflüsse hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft an, d. h. die Umlenkung der Kapitalflüsse in nachhaltige Investitionen, um ein nachhaltiges und inklusives Wachstum zu erreichen (Erw. (3) DRL (EU) 2021/1269[3]) z. B. durch die Mobilisierung von Privatkapital für nachhaltige Projekte, vor allem Infrastruktur.[4] Auch Kleinanleger sollen ihre finanziellen Ressourcen in nachhaltige Kapitalanlagen investieren. Kleinanleger sollen dabei nicht in „gestrandete“ Vermögenwerte investieren (Erw. (2) DRL (EU) 2021/1269). Der harmlos daher kommende Begriff „gestrandete“ Vermögenswerte ist ein Mythos, denn nicht „gestrandet“, sondern „aufgegeben“ müsste er heißen, so zutreffend R. Andreas Kraemer, RIFS Potsdam: „Als Folge der Umstellung auf grüne Energie werden sehr wahrscheinlich physische und gesellschaftliche Wunden in Form ungewollter Industrien, Infrastrukturen und kostspieliger Altlasten zurückbleiben. Dabei handelt es sich um Verbindlichkeiten, den Nebeneffekt einer geplatzten Finanzblase, nicht aber um Vermögenswerte.“[5] Kraemer folgert daraus, jegliche Abschreibungen seien Konsequenzen von schlechten Investitionsentscheidungen und ungerechtfertigten Bewertungen sowie von Investitionen, die in vorsätzlicher Unkenntnis der wahren Kosten und Risiken getätigt wurden. Andere Experten sprechen das noch deutlicher an: „Brown assets might be the next subprime.“[6] [...]
Beitragsnummer: 22010