Dr. Volker Lang, Rechtsanwalt. Der Schwerpunkt des Autors liegt im Bank- und Kapitalmarktrecht, im Datenschutzrecht und im Recht des unlauteren Wettbewerbs
I. Einleitung
Der Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen ist auch in der Kreditwirtschaft seit je her von immenser Bedeutung. Erwägungsgrund 1 der Richtlinie (EU) des Europäischen Parlaments vom 08.06.2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie vor rechtswidriger Nutzung und Offenlegung (Geschäftsgeheimnis-Richtlinie)[1] betont, dass Know-how und Informationen „die Währung der wissensbasierten Wirtschaft [sind], die einen Wettbewerbsvorteil schafft“. Der Geheimnisschutz kommt daher vor allem zum Tragen, wenn Immaterialgüterrechte wie Patente, Gebrauchsmuster, Marken, Urheberrechte und sonstige Schutzrechte nicht in Betracht kommen[2].
Banken und Sparkassen verfügen über eine Vielzahl von Informationen, die ohne Weiteres als Geschäftsgeheimnis zu qualifizieren sind. Neben bestimmten, eigens konzipierten Bankprodukten gehören hierzu Marketing-, Beratungs- und Schulungskonzepte, rechtliche und betriebswirtschaftliche Analysen und Dokumentationen, Vertragswerke, Marktforschungsergebnisse sowie individuelles Know-how im Organisations-, IT-[3] und Vertriebsbereich. Besonders hervorzuheben sind vor allem Kundenlisten und Kundendaten.
War der Geheimnisschutz ursprünglich in den §§ 17 bis 19 UWG a.F. festgeschrieben, wurde der Geschäftsgeheimnisschutz mit der Richtlinie (EU) des Europäischen Parlaments vom 08.06.2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie vor rechtswidriger Nutzung und Offenlegung (Geschäftsgeheimnis-Richtlinie)[4] neu geordnet. Nunmehr findet sich eine gesetzliche Definition des Begriffs des Geschäftsgeheimnisses. Seit dem 26.04.2019 gilt das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor unredlichem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung (Geschäftsgeheimnisgesetz – GeschGehG), das am 25.04.2019 im Bundesgesetzblatt verkündet wurde[5].
Insbesondere im Hinblick auf die soeben genannten Kundenlisten und Kundendaten – also Informationen, die (auch) Dritte betreffen – gewinnt der Geheimnisschutz damit eine weitaus größere Dimension. Werden „geheime Informationen“ nicht angemessen geschützt, stehen neben dem Verlust der Qualifikation als Geschäftsgeheimnis zusätzlich ein Verstoß gegen die Pflichten nach dem Datenschutzrecht sowie eine Verletzung des Bankgeheimnisses zur Disposition. Außerdem kann ein unzureichender Schutz aufsichts- und zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Ein angemessener Schutz von Geschäftsgeheimnissen dient damit nicht nur dem Geheimhaltungsinteresse des Unternehmens, sondern hat auch präventive haftungsbeschränkende Wirkungen.
II. Der Begriff des Geschäftsgeheimnisses
Nach § 2 Nr. 1 GehSchG ist ein Geschäftsgeheimnis „eine Information a) die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich ist und daher von wirtschaftlichem Wert ist und b) die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und c) bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht.“
Nach Erwägungsgrund 14 der EU-Geheimhaltungsrichtlinie geht es also um Informationen, bei denen sowohl ein legitimes Interesse an ihrer Geheimhaltung als auch die legitime Erwartung besteht, dass die Vertraulichkeit gewahrt wird. In diesem Zusammenhang schützt die EU-Geheimhaltungsrichtlinie ein „breites Spektrum von Informationen, das über das technologische Wissen hinausgeht und auch Geschäftsdaten wie Informationen über Kunden und Lieferanten, Businesspläne sowie Marktforschung und -strategien einschließt“[6]. Es wird nicht gefordert, „dass das Geschäftsgeheimnis »neu«, »erfinderisch«, »eigentümlich«, »originell« oder Ähnliches ist“[7].
Die entsprechenden Informationen müssen „geheim“ sein. Ist die Zusammenstellung aus öffentlichen Quellen hingegen jederzeit ohne großen Aufwand möglich, ist von allgemeiner Bekanntheit auszugehen[8].
Schließlich muss die Information gem. § 2 Nr. 1 Buchstabe a) GeschGehG wegen ihres geheimen Charakters einen wirtschaftlichen Wert aufweisen. In seiner Entscheidung vom 19.11.2020[9] hat das OLG Stuttgart zur Position des wirtschaftlichen Werts festgestellt, dass eine Information wirtschaftlichen Wert besitzt, „wenn ihre Erlangung, Nutzung oder Offenlegung ohne Zustimmung des Inhabers dessen wissenschaftliches oder technisches Potenzial, geschäftliche oder finanzielle Interessen, strategische Position oder Wettbewerbsfähigkeit negativ beeinflussen.“[10] Rein wissenschaftliche Erkenntnisse, soweit diese für eine kommerzielle Verwertung nicht in Betracht kommen, sind damit keine „geheimen Informationen“[11].
III. Angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen
1. Der Begriff der „Angemessenheit“
Gemäß § 2 Nr. 1 Buchstabe b) GeschGehG setzt eine Anerkennung als Geschäftsgeheimnis u. a. voraus, dass die betreffenden Informationen „Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber“ sind. Für diesen Umstand trägt der Inhaber des angeblichen Geschäftsgeheimnisses die Darlegungs- und Beweislast[12]. [...]
Beitragsnummer: 21986