Dienstag, 21. Februar 2023

Rezension: Praxishandbuch Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlung

2. Aufl.


Marc Alexander Göb/Ferit Schnieders/Frank Pollmächer: Praxishandbuch Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlung. Carl Heymanns Verlag, Hürth, 2. Aufl. 2023. 450 S., 109 €.


Wesentliches Element unseres Insolvenzrechts ist die normativ starke Position der Gläubiger („Gläubigerautonomie“), die in vielen Vorschriften der InsO zutage tritt. Mitwirkungsgremien sind Gläubigerversammlung und Gläubigerausschuss. Gegenbeispiel ist das StaRUG mit nur rudimentärer Gläubigerautonomie. Der Richtlinienentwurf der EU-Kommission zur Harmonisierung „bestimmter Aspekte des Insolvenzrechts“ (COM (2022) 702 final v. 07.12.2022) hat ein Regelwerk für ein „creditors committee“ entworfen, ähnlich §§ 67 ff. InsO. Will man Unternehmen sanieren (auch bei übertragender Sanierung), benötigt der Insolvenzverwalter Mithilfe der Gläubiger. Die Mitwirkungsinstrumentarien gibt es – nur müssen die Gläubiger auch bereit sein, mitzuwirken. Geeignete Literatur dient der Kompetenzvermittlung der Beteiligten über Rechte und Pflichten der Gläubigergremien und der Anregung, diese auch zu nutzen.

Ausführliche spezifische Literatur zu Gläubigerausschuss/Gläubigerversammlung scheint indes eher seltener. Daher ist das rezensierte Handbuch (mit üppigem Volumen, angemessenem Register und einem systematisch schön gegliederten Inhalts- sowie Literaturverzeichnis) zu begrüßen, das ein Herausgeberteam aus einer renommierten Kanzlei und einem Insolvenzrichter mit Autorinnen/Autoren aus Insolvenzverwaltung, Richterschaft/Rechtspfleger und steuerberatenden/wirtschaftsprüfenden Berufen verantwortet. 

Die Darstellung der Gläubigerausschüsse einschließlich des Konzerngläubigerausschusses und des Gläubigerbeirats nach § 93 StaRUG erfolgt in Teil 1 des Bandes (S. 1–490), Teil 2 (S. 491–625) ist der Gläubigerversammlung gewidmet. 

Teil 1 beginnt in Kapitel 1 mit „Rechtliche Grundlagen, tatsächliche Bedeutung und strategische Überlegungen im Vorfeld der Insolvenz“ (Mönning, 73 S.). Die Darstellung setzt sich im Kapitel 2 (58 S., Pollmächer/Bogumil) mit „Einsetzung, Besetzung und Beendigung“ der Ausschüsse fort, um in die „Verfassung und Beschlussfassung des (vorläufigen) Gläubigerausschusses“ einzumünden (Kapitel 3, 30 S., Coordes). Sodann folgen Kapitel über die Grundlagen von Aufgaben und Pflichten des Ausschusses (Kapitel 4, 32 S., Göb) sowie über die Aufgaben des Ausschusses im Einzelnen (Kapitel 5, 94 S., Pollmächer/Bogumil/Dönges/Göb); dort wird auch die Kassenprüfung einschl. der Auftragsvergabe an einen externen Kassenprüfer (unter Ausschluss des § 278 BGB) angemessen behandelt (S. 223 ff.). 

Kapitel 6 befasst sich mit der Haftung (53 S., Schnieders); Haftungsurteile gegen Ausschussmitglieder praktisch ausschließlich wegen unzureichender Kassenprüfung bei Veruntreuungen des Verwalters gibt es bereits seit etwa 1900, vom RG bis zum BGH. Ob es wie bisher richtig ist, das Ziel der Kassenprüfung ausschließlich rückschauend als (auch präventive) Vorsorge gegen Fehlverhalten des Verwalters zu betrachten und nicht zugleich als betriebswirtschaftliches Steuerungselement erscheint indes fraglich.

Die Themen „Vergütung“ und „Versicherung“ handeln die Kapitel 7 (12 S., Coordes) und 8 (15 S., Desch) ab. Hervorzuheben ist Kapitel 9 („Betriebswirtschaftliche Fragen im Zusammenhang mit der Gläubigerausschussarbeit“, 83 S., Harmann), da zentrale Aufgabe von Gläubigerausschüssen gerade die Beratung und Überwachung (§ 69 InsO) des Verwalters in unternehmerischen Belangen ist. Der Band schließt mit Kapiteln über den Konzerngläubigerausschuss und den Gläubigerbeirat nach dem StaRUG (Kapitel 10, 23 S., Pollmächer/Jungclaus; Kapitel 11, 9 S., Pollmächer). 

Teil 2 zur Gläubigerversammlung beginnt mit Kapiteln über ihre verfahrensrechtliche Stellung (Kapitel 1, 7 S., Göb) und „Aufgaben, Funktionen und Befugnisse […]“ (Kapitel 2, 46 S., Göb). Kapitel 3 befasst sich systematisch richtig mit „Einführung, […] Durchführung […] und Teilnahmerechten“ (28 S., Erdmann), Kapitel 4 mit der entscheidenden Frage der Beschlussfassung und der Stimmrechte (22 S., Erdmann), Kapitel 5 mit der (seltenen) Aufhebung der Beschlüsse der Gläubigerversammlung (9 S., Göb/Jungclaus). Kapitel 6 ist der Gläubigerversammlung der Schuldverschreibungsgläubiger nach § 19 SchVG gewidmet (23 S., Erdmann); zur Frage der Vergütung des gemeinsamen Vertreters der Obligationäre konnte der Band (S. 621) mit seiner Bewertung einer Vergütungsbeschlussfassung der Schuldverschreibungsgläubiger nicht mehr das Urteil des BGH zu IX ZR 266/20 (13.10.2022) berücksichtigen, das dem gemeinsamen Vertreter erlaubt, seine im eröffneten Verfahren entstandenen angemessenen Vergütungsansprüche den von ihm empfangenen Quotenzahlungen zu entnehmen. 

Insgesamt liegt ein sehr schönes Praxishandbuch vor, das auch durch seine eindrucksvolle Heranziehung der einschlägigen Judikatur beeindruckt. 

 

Dr. Friedrich L. Cranshaw, Rechtsanwalt, vormals Banksyndikus/Direktor LBBW, u. a. Depré RECHTSANWALTS AG, Mannheim/Mutterstadt


Beitragsnummer: 21977

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