Montag, 8. Mai 2023

Rezension: Praxis der Sanierung und Insolvenz

Handbuch, 4. Auflage

Beck/Depré/Ampferl: Praxis der Sanierung und Insolvenz. Ein Handbuch für die Beteiligten und ihre Berater. Vahlen, 4. Aufl. 2023. 2.073 S., 219 €.


In das deutsche Insolvenzrecht ist in den letzten Jahren viel Bewegung geraten. Durch die Verabschiedung des Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetzes (SanInsFoG) im Dezember 2020 wurden wesentliche Änderungen im Insolvenzrecht aufgenommen und zugleich einzelne Aspekte des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes angepasst. Kernbestandteil des SanInsFoG ist das Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG), das mit dem Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen zum 01.01.2021 eine gänzlich neue außerinsolvenzliche Sanierungsoption geschaffen hatte, die von vielen kritischen Stimmen zum ESUG seit vielen Jahren angemahnt wurde. Mit dem hierin beinhalteten Restrukturierungsrahmen wurde ein vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren geschaffen, das all jenen Unternehmen offensteht, die von der Zahlungsunfähigkeit bedroht sind.

Doch nicht nur durch die politischen Reaktionen auf die Konsequenzen der COVID-Krise wurde eine weitere Anpassung des deutschen Insolvenzrechts erforderlich. Bereits die 2018 durchgeführte Evaluation des Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen – ESUG – gab eine ganze Reihe von Impulsen für weitere Anpassungen am bestehenden Rechtsrahmen. Obgleich die Insolvenz in Eigenverwaltung seit Einführung der InsO möglich und zulässig ist und durch das ESUG eine stärkere Bedeutung erlangt hatte, wurde im Rahmen der Evaluation deutlich, dass diese Verfahrensoption insgesamt zu häufig bzw. die vorläufige Eigenverwaltung oftmals nicht bei den dafür geeigneten Schuldnern angeordnet wurde. Infolgedessen wurde mehrheitlich die Forderung nach klar definierten Ablehnungsgründen für die Eigenverwaltung und nach vereinfachten Möglichkeiten zu ihrer Aufhebung erhoben. 

Darüber hinaus wurde im Rahmen der Evaluation zum sogenannten Schutzschirmverfahren festgestellt, dass diese Verfahrensvariante weniger häufig in Anspruch genommen wurde als die vorläufige Eigenverwaltung nach § 270a InsO. Hierbei verneinten die befragten Experten, dass die vorläufige Eigenverwaltung erhebliche Vorteile zum Schutzschirmverfahren biete. Zugleich ist das in dieser Form dem Schuldner nur im Schutzschirmverfahren eingeräumte Recht, den Sachwalter vorzuschlagen, überwiegend als sinnvoll und wichtig sowie als entscheidend für die Wahl dieser Verfahrensart angesehen worden. Weitere Verbesserungen betreffen u. a. bspw. die Restschuldbefreiung. 

Zusammenfassend wurden mit dem zum 01.01.2021 in Kraft getretenen SanInsFoG für die Insolvenzpraxis bedeutsame Erkenntnisse und Erfahrungen zur Absicherung gegen Missbrauchsgefahren und für eine stärkere Anpassung an die Sanierungspraxis umgesetzt, ohne dass damit die Verfahrenspräferenz „Sanierung vor Liquidation“ verwässert wurde. Erscheint es für den externen Betrachter recht komplex, einen Überblick über das deutsche Insolvenzrecht zu erhalten und dessen verfahrenstechnische Besonderheiten zu verstehen, so stellet die Entwicklung der letzten Jahre für viele Anwender eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar. Wie gelingt es, angesichts der verfahrenstechnischen Arabesken hier den Überblick zu behalten? Diverse praxisnahe Restrukturierungs- und Sanierungshandbücher haben die Änderungen aus der Novellierung des Rechtsrahmens inzwischen verarbeitet. Nicht immer begegnen diese Werke dem Leser mit der notwendigen Zugänglichkeit zur Rechtsmaterie und vielen mangelt es an der notwendigen Integration von Praxisfällen. 

Es lohnt sich daher einen Blick in die für Fachleute mit Spannung erwarteten 4. Auflage des von Professor Siegfried Beck und den Fachanwälten für Insolvenz- und Sanierungsrecht, Peter Depré und Dr. Hubert Ampferl, herausgegebenen Handbuch für „Praxis der Sanierung und Insolvenz“ zu werfen. Mit der 4. Auflage dieses Standardwerks wendet sich das Buch erklärtermaßen an eine breite Leserschaft, die von Richtern, Rechtspflegern und der Insolvenzverwaltung auf der einen Seite, bis hin zu Banken, Rechtsanwälten und mit insolvenzrechtlichen Fragestellungen involvierten Behörden auf der anderen Seite zählt. Angesichts der von etlichen Fachautoren beigesteuerten unterschiedlichen Fachbeiträgen auf nahezu 2.000 Seiten stellt sich die Frage, ob dieses umfangreiche Werk diesem Anspruch gerecht geworden ist. 

Um das Urteil vorwegzunehmen: Wie in den vorausgegangenen Auflagen wird dieses Standardwerk auch in der Neuauflage diesem Anspruch durchaus gerecht. Nach einer einleitenden Vorstellung zur Unternehmensstrukturierung mit den Instrumenten des StaRUG strukturiert sich der Inhalt des Buches inhaltlich am verfahrenstechnischen Verlauf des Insolvenzverfahrens. Das macht es für den fachlich weniger versierten Leser einfacher, auch Absprünge in arbeits- und steuerrechtliche Problemstellungen nachzuvollziehen und einzuordnen. Im weiteren Verlauf wird das Insolvenzeröffnungsverfahren dargestellt und die Vertragsbeziehungen in der Insolvenz näher beleuchtet. Neben den haftungsrechtlichen Problemen der Verfahrensbeteiligten widmet sich das Buch auch der besonderen Stellung der Banken im Insolvenzverfahren, den daraus resultierenden haftungsrechtlichen Fragestellungen und u. a. den besonderen arbeits- und sozialrechtlichen Fragestellungen in der Insolvenz. Im weiteren Verlauf gehen die Autoren auf die Sonderformen wie dem Insolvenzplan und der Eigenverwaltung ein und rekurrieren hierbei auf die aktuellen Impulse aus der Gesetzesnovellierung.  

Durch eine Vielzahl von Quellenverweisen zu Grundsatzurteilen und Fachaufsätzen erhalten die inhaltlichen Darlegungen einen zusätzlichen Wert für die tägliche Praxis im Umgang mit krisenbehafteten Unternehmen oder dem konkreten Insolvenzfall. Hierbei wurden bspw. zu besonderen Problemstellungen der Finanzplanung in der Insolvenz anschauliche Praxisbeispiele aufgenommen, die für den juristisch geprägten Leser ein gutes Verständnis für die betriebswirtschaftliche Thematik vermitteln. Leider wird die gewählte Darstellungsform bei späteren Fallbeispielen, wie zum Insolvenzplan, nicht immer durchgehalten; die abgebildeten Tabellen und Grafiken erscheinen schwer lesbar und sind unzureichend konturiert. Eine andere grafische Darstellungsform bzw. ein größeres Schriftbild hätte hier den Nutzen der dargestellten Beispielfälle deutlich verbessert. Dieses ist aber auch der einzige Kritikpunkt an diesem Kompendium. 

Den Autoren ist zu danken, da ihnen durch ihre Darlegungen in verständlicher Sprache ein gut lesbarer, praxisgerechter Anwendungsleitfaden gelungen ist. Für einen Anschaffungspreis von 219 € erhält man nicht nur einen kompakten und zugleich umfassenden Überblick über das deutsche Insolvenzrecht, sondern auch über eine Vielzahl von Fachthemen, die mit dieser Rechtsmaterie in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Insbesondere für Banken darf dieses Standardwerk in Sanierungs-, Insolvenz- und Abwicklungsabteilungen nicht fehlen.

 

Dirk Wolff-Simon, Bankdirektor Kreditrisikomanagement, Norddeutsche Landesbank – Girozentrale –


Beitragsnummer: 21902

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